Trump will Israels Souveränität über die Golanhöhen anerkennen
Israels Ministerpräsident Netanjahu freut sich über eine "mutige Äußerung". In der Diplomatie im Nahen Osten sind Schockwellen nicht ausgeschlossen
US-Präsident Trump twitterte am Donnerstag, dass die Zeit gekommen sei, um Israels Souveränitat über die Golan-Höhen nach 52 Jahren voll anzuerkennen. Das sei von kritischer strategischer und sicherheitspolitischer Bedeutung für den israelischen Staat und die regionale Stabilität, erklärte er.
Wer vor der kriegerischen Eskalation in Syrien war und das Wort "Golanhöhen" äußerte, entzündete eine Lunte, die zu einem emotionalen Pulverfass führte. Das wird jetzt von anderen Erfahrungen und Triggerwörtern überlagert sein, aber ziemlich sicher wird die Regierung in Damaskus die Ankündigung Trumps nicht mit einem gelassenen Lächeln abtun. Mit den Golanhöhen war auch seit dem Ausbruch der Kämpfe in Syrien die Befürchtung einer Eskalation verbunden.
Auch die arabische Welt wird sich nicht einfach abfinden, auch wenn Regierungen arabischer Länder wie in Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Katar, Irak, Kuweit erstmal keine politisch relevanten Zeichen von Entrüstung geben.
Im Fall Saudi-Arabien wäre eine deutliche scharfe Verurteilung der Ankündigung eine Überraschung angesichts dessen, dass der enge US-Nahostpartner mit Trumps Schwiegersohn in geheimen Verhandlungen über einen Friedensplan steht und also über solche diplomatisch gewichtigen Schritte informiert sein müsste.
Unsicher ist, wie heftig die öffentliche Meinung in den arabischen Ländern dazu ausfallen wird und welche Dynamik sie bekommen kann.
Praktische Folgen?
Was die Ankündigung des US-Präsidenten an faktischen Konsequenzen für die Golanhöhen haben wird, ist ebenfalls nicht abzusehen. Muss die UN über eine neue Lage beraten, wird die Absichtserklärung dazu führen, dass die UN-Blauhelme bald von den Golanhöhen abgezogen werden? Welche normative Qualität hat die Erklärung des US-Präsidenten?
Beim Umzug der US-Botschaft nach Jerusalem lag der "Realpolitik" immerhin eine wenn auch schon etwas ältere Abstimmung des Kongresses zugrunde. Damals begründete Trump den Schritt mit der faktischen Lage, das tut er auch jetzt. Aber für die Anerkennung der israelischen Souveränität über die Golanhöhen hat der US-Präsident keine Rückendeckung durch eine Entscheidung des Kongresses.
Was internationale Regelungen betrifft, die Trump mit seinen dramaturgisch gesetzten Äußerungen ebenso gerne ignoriert oder links liegen lässt wie Umwege über Medien, so gibt es die UN-Resolution 497 von 1981. Sie konstatiert, dass die mit militärischer Gewalt herbeigeführte Aneignung der Golanhöhen durch Israel "null und nichtig" ist.
Politisch sorgt Trump mit seiner Erklärung wieder einmal für Verstörung oder Erregung im traditionellen Politikbetrieb, besonders bei Diplomaten, und größere Wellen in der Öffentlichkeit. Netanjahu hat schnell und mit Freude über die "mutige Äußerung zur Anerkennung der israelischen Souveränität" reagiert, natürlich mit Hinweis darauf, dass dies ein Schlag gegen die iranische Präsenz in Syrien ist.
Ob ihm die Golan-Äußerung seines politischen Freundes beim Wahlkampf hilft, wie es manche Kommentare andeuten, ist angesichts des komplizierten und ohnehin von außergewöhnlichen Pointen markierten Wettbewerbs, an dem viele Parteien teilnehmen und der Kalküle schwierig macht, nicht eindeutig zu sagen. Außenminister Pompeo, der Netanjahu bei seinem Besuch herzte, beteuerte, dass dem nicht so sei ...
Sicher ist, dass Trumps Gefälligkeit mitten in den Wahlkampf hineinzielt. Die Wahl ist am 9. April. Manche Beobachter merken spitz an, dass die Trumpsche diplomatic bombshell für Netanjahu zumindest eine Ablenkung von der ausgreifenden Bestechungsaffäre zum richtigen Zeitpunkt ist.
Über eine offizielle Unterstützung der USA für die israelische Besatzung der Golanhöhen war schon länger spekuliert worden, in den letzten Tagen gab es immer deutlichere Hinweise darauf, dass die US-Regierung die von Israel erhoffte Erklärung in einer offiziellen Form abgeben würde.
Und die Friedensverhandlungen?
Für die arabischen Länder wird damit "schwarz auf weiß" erklärt, dass die USA Partei sind. Das ist zwar an sich keine Überraschung, sagt aber ganz deutlich, dass die USA bei Friedensverhandlungen keine Vermittlerrolle mehr vorgeben können. Die Folgen sind in ihrer Dynamik nicht abzusehen.
Mit dieser Realpolitik, die deutlich zu erkennen gibt, was als Tendenz längst absehbar war, aber nicht völlig eingestanden wurde, wird ein jahrzehntealtes politisches Ordnungs- oder Orientierungsgefüge abgeräumt. Es ist nun obsolet. Trump erklärt die Politik der Fakten (fait acompli) zum Maßstab. Der Stärkere setzt sich durch. Das ist auch für Radikale ein Signal und für diejenigen, die an Aufrüstung interessiert sind.
Die syrische Regierung könnte Trumps Tweet als ziemlich ernsthafte Erklärung auffassen, dem auch mit kriegerischen Mitteln geantwortet wird. Die Präsenz iranischer Milizen in der Nähe der Golanhöhen ist für Israel ein Sicherheitsproblem.
Die Regierung Netanjahu setzte einerseits mit Luftangriffen auf syrischem Gebiet gegen Ziele, die mit der Hizbollah oder anderen Milizen, die mit Iran in Verbindung stehen, gerichtet waren, darauf, dass ihre Schlagkraft deutliche Signale an Iran sendete. Zum anderen besuchte Netanjahu öfter Putin, um mit ihm die Sicherheitsinteressen Israels zu besprechen und Arrangements zu treffen.
Auf welche Reaktionen die Twitterbotschaft Trumps im Kreml stieß, ist noch nicht bekannt.