Trumps neue Afghanistan-Politik: Terrorbekämpfung, aber kein Nation Building
Der US-Präsident will Pakistan, Indien und die NATO stärker einbinden
In seiner gestrigen Rede an die Nation verkündete Donald Trump auf dem Armeestützpunkt Fort Meyer in Arlington im US-Bundesstaat Virginia, dass er seine Sicht auf Afghanistan geändert habe. Während er vor seiner Wahl einen Abzug der US-Truppen befürwortete, weil er die Probleme dort als "unlösbar" ansah, sei er nach sehr intensivem Betrachten der Lage aus allen denkbaren Perspektiven und mit den Informationen, die ihm als US-Präsident zu Verfügung stünden, zum Ergebnis gekommen, dass sich die USA einen schnellen Abzug ihrer Truppen nicht leisten könnten, weil dadurch ein Vakuum entstünde, das etwa 20 aktuell aktive islamistische Terrorgruppen "umgehend füllen" würden. Diese Terrorgruppen müsse und werde man besiegen. Ziehe man die Truppen vorher ab, würde man an der Realität vorbei handeln und einen Fehler aus dem Irakkrieg wiederholen.
Kein fester Zeitplan
Allerdings will Trump den Krieg nach eigenen Worten anders führen als seine Vorgänger, aus deren Fehlern man gelernt habe: Dazu gehöre unter anderem der Verzicht auf einen festen Zeitplan für die Beendigung des Einsatzes, das verstärkte Nutzen diplomatischen und wirtschaftlichen Drucks auf Länder wie Pakistan, die aufhören müssten "Agenten des Chaos, der Gewalt und des Terrors" Unterschlupf zu bieten, und eine bessere Einbindung Indiens und der NATO, die ihren Afghanistan-Kampfeinsatz 2014 offiziell in die "Ausbildungs- und Unterstützungsmission" Resolute Support überführte.
Darüber hinaus soll sich der Einsatz klar auf die Terrorbekämpfung konzentrieren und nicht mehr ein "Nation Building" zum Ziel haben, das die republikanischen Neocons und die demokratischen Interventionisten nicht nur in Afghanistan vergeblich versucht hatten. Die Zukunft des Landes, so Trump, sei Sache der Afghanen, die irgendwann einmal vielleicht auch "Elemente der Taliban" an der Macht beteiligen könnten.
Details bleiben geheim
Details wie die Zahl der in Afghanistan stationierten Soldaten will der US-Präsident nicht mehr öffentlich bekannt geben - angeblich deshalb, damit man dem Feind dort möglichst wenige Informationen zukommen lässt. Ein Nebeneffekt dieser Geheimhaltungspolitik dürfte sein, dass sie in der Heimat die Debatten über den Einsatz erschwert. US-Medien spekulieren über vorerst 4.000 Mann, mit denen Verteidigungsminister James Mattis das aktuell bei etwa 8.400 Soldaten liegende Kontingent aufstocken wird. Auf dem bisherigen Höhepunkt des Einsatzes in den Jahren 2010 und 2011 befanden sich etwa 100.000 US-Soldaten in Afghanistan. 2014 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama ihren vollständigen Abzug bis Januar 2017 versprochen.
Ebenso offen ließ Trump die Frage, wie viel Steuergeld seine neue Afghanistanpolitik kosten wird, für die er auch die anderen NATO-Länder stärker zur Kasse bitten will. Aktuell kostet der Einsatz die US-Steuerzahler etwa 45 Milliarden Dollar jährlich.
Trumps neue Afghanistan-Politik: Terrorbekämpfung, aber kein Nation Building (11 Bilder)
Die in der Rede angekündigte neue Afghanistan-Politik ist nicht die, die Trump vor der Wahl via Twitter in Aussicht stellte (siehe Bildstrecke). Die Enttäuschung darüber findet sich heute Morgen nicht nur in Sozialen Medien, sondern auch auf Breitbart, dem Portal von Steve Bannon, der einen Abzug aus Afghanistan wollte und sich letzte Woche nach einem verlorenen Machtkampf mit dem nationalen Sicherheitsberater H.R. McMaster aus der Trump-Administration verabschieden musste. Raheem Kassam betitelte einen Artikel über die Trump-Ansprache deshalb in Anspielung an ein 1968 erschienenes Buch von Stanislaw Lem "His McMaster’s Voice" und meinte, man habe der Rede deutlich angehört, dass sie auf die gleichen Einflüsterer zurückgeht, die auch die Außenpolitik von George W. Bush und Barack Obama bestimmt hätten.
Ähnlich kritisch äußerte sich der libertär geprägte Senator Rand Paul, der in einer Presseaussendung darüber hinaus die Rückgabe von 2001 und 2002 abgetretenen Entscheidungskompetenzen über Militäreinsätze an den Kongress forderte. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid reagierte ähnlich prompt auf die bereits vorher durchgesickerte Entscheidung und versprach Trump in einer E-Mail an internationale Medien einen "heiligen Krieg", der erst enden werde, wenn der letzte US-Soldat Afghanistan verlassen habe oder dort gestorben sei.