Tsipras oder Meimarakis?

Anhänger von Tsipras auf der Wahlveranstaltung. Bild: W. Aswestopoulos

Zum dritten Mal müssen die Griechen in diesem Jahr nach einem extrem ruhigen Wahlkampf an die Urnen

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Heute werden die Griechen zum dritten Mal im Jahr 2015 zu den Wahlurnen gehen - korrekter, sie müssen zum dritten Mal in die Wahllokale. Denn im Land herrscht Wahlpflicht. Theoretisch kann einem Wahlverweigerer nach geltendem Gesetz zum Beispiel außer einer Geldstrafe und der Verweigerung der Erteilung eines Reisepasses auch die Einstellung in den öffentlichen Dienst verweigert werden.

Alexis Tsipras hat direkt oder indirekt alle Urnengänge ausgelöst. Am 25. Januar war es Tsipras Verweigerung, im Dezember der Wahl eines Staatspräsidenten zuzustimmen, welche die vorgezogenen Parlamentswahlen auslöste.

Die Griechen, der jahrelangen neoliberalen Politik müde, gaben Tsipras eine Mehrheit zum Regieren, um mit den Kreditgebern ein Ende des Spardiktats auszuhandeln. Im Juli rief Tsipras dann erneut zum Wählen auf. Es ging beim Referendum darum, ob die Vorschläge für neue Sparauflagen der EU-Kommission angenommen werden sollten, oder nicht. Die Referendumsfrage war so formuliert, dass viele Bürger sie als Verweigerung zu Sparauflagen verstanden. Allerdings handelte es sich lediglich um einen, von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker vor dem Referendum bereits wieder zurückgezogenen Vorschlag.

Tsipras begründete diesen Schritt am Freitag bei seiner Abschlusskundgebung damit, dass das Referendum ihm einen Bonus bei den Verhandlungen vom 12. - 13. Juni beschert habe. Nun, beim dritten Mal, geht es, so Tsipras, darum, dass die Griechen eine Regierung für die nächsten vier Jahre erhalten. Tsipras möchte die absolute Mehrheit.

Ska Keller. Bild: W. Aswestopoulos

Zu Tsipras Unterstützung waren die Fraktionsführerin der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, der noch amtierende Oppositionsführer im Bundestag Gregor Gysi, der Chef der französischen Kommunisten Pierre Laurent und Pablo Iglesias Turrión von den spanischen Podemos angereist. Besonders Iglesias setzte sich intensiv für Tsipras ein. Er verglich den Griechen mit einem Löwen, der gegen die Geier der siebzehn konservativ regierten Partnerstaaten der Eurozone kämpfen würde. Ein Löwe allein könne jedoch nicht gewinnen, meinte Iglesias, der die Griechen dazu aufrief, dem Löwen und nicht den konservativen griechischen Kaninchen eine weitere Chance zu geben.

Die guten Freunde von Tsipras. Bild: W. Aswestopoulos

In die gleiche Kerbe schlug Gregor Gysi. Er fragte die Zuhörerschaft, ob sie Kanzlerin Merkel lieben würden. Dem tausendfachen Nein folgte Gysis Bitte, dass man ihn dann doch nicht mit Merkel allein lassen solle und daher Tsipras wählen müsse.

Dessen Konterpart, Vangelis Meimarakis von der Nea Dimokratia, möchte dagegen den ersten Platz im Parteienspektrum. Damit wäre Meimarakis das Amt des Premiers sicher. Die letzten Umfragen vor der Wahl zeigten, dass SYRIZA und Tsipras erneut an Boden gewinnen. Direkt nach den beiden großen Parteien folgen in den Umfragen viele kleinere, die um den verfassungsmäßig wichtigen dritten Platz ringen.

Vangelis Meimarakis. Bild: W. Aswestpoulos

Goldene Morgenröte könnte drittstärkste Partei werden

Noch hat hier die Goldene Morgenröte die Nase vorn. Deren Parteisekretär und Führer Nikolaos Michaloliakos übernahm ausgerechnet zwei Tage vor der Wahl und am Vortag des zweiten Jahrestages in einem Radiointerview gegenüber dem Journalisten Nikos Chatzinikolaou die politische Verantwortung für die Ermordung des Rappers Pavlos Fyssas.

Michaloliakos fühlt sich trotz des gegen ihn, seine Führungskräfte und seine Partei laufenden Prozesses so sicher, dass er übersah, dass genau so ein Eingeständnis dem Führungskader des 17. November, Dimitris Koufodinas, gleich mehrfach die lebenslange Haftstrafe einbrachte. Das damalige Gericht verdonnerte Koufodinas für jeden vom der militanten linken Gruppe begangenen Mord, unabhängig davon, ob Koufodinas direkt daran beteiligt war.

Hinter der nationalsozialistischen Partei sind die Kommunisten, die um die Demokratische Linke verstärkte PASOK und To Potami. Letztere Partei verlor im Wahlkampf die Gunst der Medien, die sie in den vorherigen Wahlgängen seit der Europawahl 2014 als junge, frische Kraft gepusht hatten. Parteichef Stavros Theodorakis zeigte sich dessen bei seiner letzten Wahlkampfveranstaltung in Athen bewusst. Theodorakis bat die Wähler buchstäblich flehend darum, seine Partei zu stärken, bevor diese unter dem Druck der Medien zu einer weiteren, an Interessengruppen angelehnten Gruppierung mutieren würde.

Der ehemalige Fernsehjournalist warnte vor allen anderen Parteien und beklagte sich, dass er als systemisch verschrien sei, aber seitens der großen Medien besonders in diesem Wahlkampf benachteiligt worden sei. Ebenso erging es Panagiotis Lafazanis und seiner Laiki Enotita (LAE - Volkseinheit). Die SYRIZA-Dissidenten werden mit niedrigen Prozentzahlen gehandelt, könnten jedoch für eine Überraschung sorgen.

Direkt danach dürfte Vasilis Leventis mit seiner Zentristenunion folgen. Leventis präsentiert sich seit vierundzwanzig Jahren als neue Kraft. Er verschweigt gern, dass er Gründungsmitglied der PASOK und Parlamentskandidat der Nea Dimokratia war. Einer seiner witzigsten Wahlkampfspots kombiniert alle Premierminister der Metapolitefsi genannten Periode seit 1974, dem Fall der Militärdiktatur. Leventis lässt sie in der Montage sagen, dass sie das Volk in die Pleite geführt hätten.

Bild: W. Aswestopoulos

Lustige und trashige Wahlkampfspots der voraussichtlich Chancenlosen

Im Parteienspektrum ist die ANEL, die Unabhängigen Griechen wahrscheinlich die erste Partei, die unterhalb der Drei-Prozent-Hürde liegen wird. Der frühere Koalitionspartner von Alexis Tsipras war als Sparkursgegner gestartet. Nun versucht sich Kammenos mit witzigen Wahlkampfspots zu retten. In einem davon belehrt er den kleinen Alexis, der seinen linken Arm brach, dass er ihm das Schreiben mit der Rechten beibringen würde. Kammenos spielt damit eindeutig auf die Abspaltung der Linken von SYRIZA an.

Bei den übrigen zehn Kleinparteien gibt es keinerlei Erfolgsaussichten, dafür aber teilweise lustige, unterhaltsame oder geradezu genial trashige Werbungen. EL.LA.D.A., die Partei, deren Akronym Griechenland bedeutet, tritt nur in Athen und Piräus an. Sie wirbt mit der Sangesdarbietung einer Parteifunktionärin. Die Musik schrieb die Sängerin, Tzefi-Sofia Zacharopoulou selbst, den Text steuerte der radikalökogische Parteichef Konstantinos Papanikolas bei.

Pablo Iglesias Turrión von den spanischen Podemos war zur Unterstützung von Tsipras angereist. Bild: W. Aswestopoulos

Das extrem linke, marxistisch trotzkistische Parteienbündnis ANTARSYA zeigt in seinem durchaus professionell gedrehten Wahlkampfspot die Griechen als von Zuhältern eingesperrte Zwangsprostituierte und ruft zur Befreiung auf. Professionelle, flotte Spots lieferten auch die Piraten, die im Bündnis mit zwei weiteren Kleinparteien antreten. Viral wurden die Machwerke trotzdem nicht. Die Piraten schafften es trotz der Verstärkung nicht, in allen Wahlkreisen anzutreten.

Auch die EPAM von Dimitris Kazakis, der im Sommer 2011 zu den Wortführern bei der wochenlangen Besetzung des Syntagma-Platzes zählte, kann trotz der ruhmreichen Aktivistenvergangenheit nicht auf ein gutes Ergebnis hoffen. Sie betont in ihren Spots dagegen die Kampfbereitschaft und erinnert die Wähler an die dunklen Seiten des Euro.

Der gesamte, relativ kurze Wahlkampf war extrem ruhig und auf Personaldebatten, Skandale und eher schlecht besuchte Wahlkampfveranstaltungen beschränkt. Würde das Ergebnis allein durch die Präsenz der Wähler bei den zentralen Abschlusskundgebungen der Parteien bestimmt, dann würde SYRIZA vor der KKE, der LAE, der Nea Dimokratia, der Goldenen Morgenröte, der PASOK und To Potami landen.