Tsipras sucht Verbündete
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Griechenland: Hat Syriza jetzt die Pasokofication zum Ziel?
"Syriza möchte Brücken bauen." Dieser unglücklich gewählte Slogan bestimmte das politische Leben der vergangenen Wochen in Griechenland. Unglücklich gewählt ist der Slogan deshalb, weil wegen des Sturmtiefs Okeanis im Land, vor allem auf der Insel Kreta, dutzendweise Brücken einstürzten.
Der Einsturz der Straßenbrücken wird mit der kurzsichtigen Planung der Syriza-Regierung beim Katastrophenschutz in Verbindung gebracht. Die politischen Brücken hingegen betreffen einen längerfristigen Plan des Premierministers Alexis Tsipras. Auch sie werden jedoch abgebrochen.
Tsipras rekrutiert Pasok-Politiker
Hin zum linksliberalen Zentrum möchte Tsipras seine Partei Syriza erweitern. An diesem Projekt arbeitet die Parteispitze bereits seit langem. Die frühere Parteisekretärin der Pasok, Abgeordnete und Ministerin Mariliza Xenogiannakopoulou ist seit Ende August Ministerin für Verwaltungsreform im Kabinett Tsipras. Sie ist eine Vertreterin der Pasok-Politiker, die ab 2009 zunächst den von den Kreditgebern diktierten Sparkurs mitgetragen haben.
Xenogiannakopoulou ist ein Kind der Pasok, sie begann ihre berufliche Karriere direkt nach dem Studium mit einer Anstellung bei der Partei, der sie seit ihrer Zeit bei der Parteijugend (1980-85) angehörte. Sie ist nicht die einzige Pasok-Politikerin, die zu Syriza wechselte und einen Ministerposten bekam.
Nikos Toskas, Markos Bolaris, Theodora Tzakri, Panagiotis Kouroublis, Christos Spitzis, Dimitris Mardas und viele mehr haben einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Doch all diesen Politikern gemeinsam ist, dass sie sich zunächst, zumindest für ein paar Monate, von der Pasok losgesagt hatten und frühzeitig ideologische Differenzen kommuniziert hatten.
Bei der jüngsten Kabinettsreform Mitte Februar ging Tsipras einen Schritt weiter. Er warb aktive Politiker der Pasok, beziehungsweise deren Nachfolgeorganisation KinAl ab. So wurden am 15. Feburar 2019 mit Thanos Moraitis und Angelos Tolkas zwei KinAl-Politiker zu ministeriellen Staatssekretären bestimmt, die beide eigentlich für die KinAl in weniger als 90 Tagen bei den Regional- und Europawahlen antreten wollten.
Weder Moraitis noch Tolkas hatten von ihrer früheren Partei die Kandidatenposten und die Rückendeckung erhalten, die sie für ihre Person wünschten. Tsipras bot den Kabinettsposten an, da griffen sie zu.
Tolkas war von August bis November 2011 Staatssekretär des Pasok-Premiers Giorgos Papandreou. Sogar um diesen, seinen einstigen Erzfeind, warb Tsipras, nur um sich von Papandreou eine geharnischte, öffentliche Absage in Form eines offenen Briefes einzufangen.
Nun sind 22 von 53 Posten in Tsipras Kabinett mit außerparlamentarischen Politikern besetzt. Dies missfällt den Parlamentariern von Syriza ebenso, wie sich die Parteibasis an der Rekrutierung einstiger politischer Gegner stört. Tsipras zeigte sich unbeeindruckt.
Für die kommenden Wahlen sollen zahlreiche frühere Minister Papandreous auf Wahllisten von Syriza landen. Dafür ließ er Unterschriften von einst der Pasok nahe stehenden Bürgermeistern, Künstlern und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sammeln.
Ziel: Syriza als zweitstärkste Partei etablieren?
Bei der ersten Kabinettssitzung mit den neuen Politiktransfers verkündete Tsipras, dass er seine Partei nicht nur für die linke politische Mitte, sondern auch für die bürgerliche Rechte öffnen wolle. Dahinter steckt Taktik und Kalkül.
Für 2019 stehen mehrere Wahlen auf dem Programm. Im Mai gibt es Kommunal- und Regionalwahlen. Dazu kommen die Europawahlen. Spätestens bis Oktober 2019 muss Tsipras sich Parlamentswahlen stellen.
An deren Ausgang gibt es kaum Zweifel. Die Popularität von Tsipras ist auf einem Tiefpunkt. Der Premier versucht mit Wahlgeschenken und eilig im Parlament verabschiedeten "bürgerfreundlichen Gesetzen", die Gemüter zu besänftigen. Wegen des Kompromisses im Namensstreit mit Nord-Mazedonien ist Syriza im Norden Griechenlands in Umfragen zur Splitterpartei geworden.
Parteiversammlungen im Norden können nur unter massivem Polizeischutz stattfinden. Die Zahl der dabei eingesetzten Polizisten und der zu Gegendemonstrationen antretenden Bürger überwiegt der Zahl der Syriza zugeneigten Teilnehmer dieser Veranstaltungen bei Weitem. Daran ändern auch die zu den jeweiligen Ereignissen eigens per Bus angereisten Syriza-Mitglieder nichts.
Der anhaltende Sparkurs, die hohen Steuern für Bürger gepaart mit Steuernachlässen für Reiche sind für ein linkes Profil von Syriza ebenso abträglich, wie das arrogante Auftreten einiger hochrangiger Minister. Vizegesundheitsminister Pavlos Polakis erntet für seine Rhetorik im Umgang mit Kritikern auch von Seiten der eigentlich regierungsfreundlichen Presse und sogar von der parteieigenen "Avgi" Schelte.
Die internationalen Kreditgeber des Landes drohen erneut mit der Aussetzung einer für das Land wichtigen Zahlung, wenn Tsipras nicht in Windeseile weitere "Reformen" im Parlament durchsetzt. Faktisch sollen nun sämtliche griechische Häfen privatisiert werden. Weil zudem der Verkauf der Braunkohlekraftwerke der Public Power Company mangels Interesse der Bieter scheiterte, müssen größere und attraktivere Stücke des nationalen Energieriesen zur Privatisierung angeboten werden.
Es gibt zwar keine Kredittranchen, deren Auszahlung bislang Druckmittel der Kreditgeber war, aber die Dividenden der EZB haben sich als ebenso wirksames Instrument erwiesen. Griechenland muss auf knapp eine Milliarde Euro verzichten, wenn Tsipras und sein Finanzminister Tsakalotos nicht im Sinn der Kreditgeber spuren. Damit dürfte das Märchen von einem "sauberen Ende der Sparmemoranden", auf das sich Tsipras bislang als Erfolgsgeschichte stützte, endgültig vom Tisch sein.
Es ist somit mehr als wahrscheinlich, dass die Nea Dimokratia aus den Wahlen, wann auch immer diese stattfinden, als stärkste Partei hervorgeht. Das beschert ihr, mit dem für diese Wahlen geltenden Wahlgesetz, 50 Bonusstimmen im Parlament. Somit sind bei 300 Sitzen im Parlament je nach Wahlausgang sogar absolute Parlamentsmehrheiten mit knapp über 31 Prozent der Wählerstimmen möglich.
Tsipras konnte seine Wahlgesetznovelle nicht mit einer zwei-Drittel-Mehrheit durchs Parlament bringen. Daher gilt diese, ein abgeschwächtes Verhältniswahlrecht mit weniger Bonusstimmen, erst für die übernächsten Wahlen. Dies kann aber von der Nea Dimokratia gekippt werden, wenn diese im neuen Parlament die notwendige zwei Drittel Mehrheit erhält.