Tsunami-Tuesday mit Tornado
Nachdem gestern in fast der Hälfte der US-Bundesstaaten abgestimmt wurde läuft bei den Republikanern alles auf McCain hinaus. Bei den Demokraten liefern sich Obama und Clinton einen Zweikampf
Weil zu den Bundesstaaten, die am traditionellen "Super Tuesday" wählen, 2008 noch einige hinzukamen, nannten amerikanische Medien den Tag vor den Wahlen zum Teil "Tsunami Tuesday". Das legte sich, als gestern zwar keine Sturmflut, aber doch schwere Tornados im Süden der USA einige Todesopfer forderten und teilweise die Vorwahlen behinderten.
Auf Seiten der Demokraten gewann Hillary Clinton mit deutlichem Vorsprung das bevölkerungsreiche Kalifornien (wo Umfragen kurz vor den Wahlen Obama schon an ihr vorbeiziehen gesehen hatten), den eher weißen Süden (Tennessee, Arkansas, Oklahoma), den Südwesten (Arizona, New Mexico) und die urbaneren Teile des Nordostens (New Jersey, New York, Massachusetts).
Sollte der im Vorfeld der Umfragen häufig beschworene "Bradley Effect" gegriffen haben, dann ausschließlich in Kalifornien. Der Effekt geht auf die kalifornischen Gouverneurswahlen des Jahres 1982 zurück: Als dort der schwarze Bürgermeister von Los Angeles gegen den armenisch-stämmigen Republikaner George Deukmejian antrat, führte er bis zuletzt in den Umfragen, verlor dann jedoch die Wahl. Seitdem wird angenommen, dass viele Wähler in den Umfragen eher die vorgegebene Erwartung der Medien erfüllen, als in der geheimen Wahl.
Obama gewann in den Südstaaten Georgia und Alabama aufgrund des hohen Anteils schwarzer Wähler klar vor Clinton. In anderen Staaten schien es, dass seine Ergebnisse um so besser werden, je ländlicher strukturiert die Gebiete sind: Alaska gewann er mit 74 %, Idaho sogar mit 80 %. Auch seinen Heimatstaat Illinois, das von skandinavischer Einwanderung geprägte Minnesota, den South-Park-Staat Colorado, den Mormonenstaat Utah und die kleinen Nordoststaaten Connecticut und Delaware konnte er für sich verbuchen. Fanden statt Primaries Caucuses statt, wie in Norddakota oder Kansas, schien dies ebenfalls ein Vorteil für den schwarzen Kandidaten zu sein. Extrem knapp war das Rennen in Missouri, wo Obama knapp mit 49 % vor Clinton mit 48 % siegte.
Der Sohn eines Luo, für den sich unter anderem die zum Kennedy-Clan gehörige Ehefrau des republikanischen Gouverneurs Schwarzenegger, Maria Shriver, ausgesprochen hatte, machte mit Bekenntnissen zum christlichen Glauben und dazu, dass er den Amerikanern ihre Schusswaffen nicht wegnehmen wolle, im Vorwahlkampf teilweise den Eindruck, das demokratische Rennen schon hinter sich gelassen zu haben und um eine Mehrheit gegen McCain zu werben.
Ron Paul vor Plattformwechsel?
Bei den Republikanern siegte McCain erwartungsgemäß deutlich vor Mitt Romney, der, wenig überraschend, im Mormonenstaat Utah eine Mehrheit hinter sich brachte, außerdem in Montana, Colorado, Minnesota, Norddakota und Alaska. Mike Huckabee räumte überraschend deutlich den von evangelikalen Christen dominierten Süden ab und siegte in Georgia, Alabama, Tennessee, Arkansas und West Virginia. Einzig Missouri konnte McCain dem Baptisten knapp mit 33 % zu 32 % entreißen.
Effektiv noch chancenloser als Romney und Huckabee aber nominell immer noch im Rennen ist Ron Paul, der in den meisten Staaten nur niedrige einstellige Ergebnisse ereichte. Allerdings wird nun darüber spekuliert, dass er im November für die Libertarian Party antreten könnte. Obwohl eingetragener Republikaner war Paul 1988 schon einmal Präsidentschaftskandidat dieser Partei und bekam diesen Job jetzt erneut angeboten. Zu Pauls Misserfolg trug zum einen bei, dass seine Gegnerschaft zum Irakkrieg und zum Patriot Act eher bei demokratischen als bei republikanischen Wählern ankam; zum anderen sind viele seiner Positionen auch in der GOP nicht mehrheitsfähig: So will er unter anderem einen Großteil der Bundesbehörden, die Einkommensteuer, die Federal Reserve Bank und die öffentliche Gesundheitsfürsorge für Rentner abschaffen.
Bei näherer Betrachtung ist seine Gegnerschaft zu Kriegen und zu Überwachungsgesetzen zudem ähnlich bedingt wie seine Haltung zur Abtreibungsfrage: Dort plädiert er gegen ein Gesetz aus Washington, will die Eingriffe aber auf bundesstaatlicher Ebene verbieten lassen.
Paul war einer von sechs Republikanern, die gegen den Irakkrieg stimmten - begründete dies aber eher mit formalen Fragen. Den umfassenden Kriegseinsatz in Afghanistan befürwortete er. Immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik geriet auch der unter seiner Ägide herausgegebene Rundbrief, in dem unter anderem zu lesen war, dass es sowohl für Homosexuelle als auch für den Rest der Bevölkerung besser sei, wenn diese ihre Neigungen verbergen müssten.
Populärer ist dagegen seine kritische Haltung zu NAFTA und WTO: Die Organisationen sind für Paul keine Instrumente des Freihandels, sondern solche des "managed trade". Wie er mit dem Kernproblem dieser Organisationen umgeht, das auch ein Kernwiderspruch libertärer Ideologie ist - den Vorstellungen von "geistigem Eigentum" - das ließ Paul bisher offen.
Aber auch alle anderen Kandidaten hielten sich bemerkenswert bedeckt, was ihre Position zu dem von der Medienlobby geforderten weiteren Ausbau von Monopolrechten betrifft. Und so kam die bislang exponierteste Aussage dazu vom Komiker Will Smith:
"I always wanted to be the first black president but Barack Obama stole my idea."
Telepolis hat dazu eine Umfrage gestartet: Wer wird der nächste US-Präsident? Wir bitten um lebhafte Beteiligung.