Türkei-Griechenland: Nato-Gespräche gescheitert
Die Machtprobe setzt sich fort. Nato-Generalsekretär Stoltenberg sieht EU in der Verantwortung
Der Machtkampf zwischen der Türkei und Griechenland und den daran beteiligten Ländern im Mittelmeer setzt sich fort. Die Dachorganisation Nato, der beide Länder angehören, wie auch Frankreich, das unter Macron seine Rolle als Widerpart der Erdogan-Türkei ausbaut, hat bislang keinen Erfolg damit, den Streit beizulegen. Griechenland ist Ende vergangener Woche aus den von der Nato lancierten Vermittlungsgesprächen ausgestiegen. Jetzt soll die EU übernehmen.
Griechenland fordert als Bedingungen für die Gespräche mit der Türkei, dass die Regierung in Ankara seine Marine-Schiffe aus umstrittenen Bereichen im Mittelmeer abzieht, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Freitag mitteilte. Darüber, ob Griechenland augenscheinlich zuerst einwilligte, um die Gespräche dann doch abzusagen, zu beenden oder schärfer formuliert, zu "sabotieren", gibt es einen Streit, der dem türkischen Außenminister Cavusoglu wichtig genug ist, um in einer Presseerklärung Griechenland Lüge vorzuwerfen.
Der Vorwurf der Sabotage kommt von Ragip Soylu, dem Türkei-Korrespondenten der Publikation Middle East Eye, der in seinem Bericht die Position Cavusoglus prominent wiedergibt - "Erst sagen sie, dass sie die Initiative (der Nato, Anm. d. Verf.) gutheißen, dann verweigern sie sich. Sie lügen." - und auf Informationen von CNN Turk rekurriert, um zu melden, dass griechische Vertreter den Nato-Gesprächen erst zugestimmt hätten, um dann letztlich doch keine endgültige diplomatische Zusage zu geben.
Geht es nach einem Bericht der englisch-sprachigen griechischen Zeitung Ekathimerini, so hatten sich griechische und türkische Vertreter laut Nato-Generalsekretär Stoltenberg bereits vor vergangenem Freitag zu technischen Gesprächen über einen "ausgeweiteten Deeskaltionsmechanismus" getroffen. Allerdings sei keine Vereinbarung über einen solchen Mechanismus zustande gekommen.
Stoltenberg bemühte sich, das Scheitern herunterzuspielen. Es sei gar nicht das Ziel der Nato gewesen, Verhandlungen über den zugrunde liegenden Streit zwischen Griechenland und der Türkei zu führen. Es habe sich lediglich "um technische Gespräche" gehandelt.
Deeskalation sei das Ziel gewesen. Es gebe so viele Schiffe im östlichen Mittelmeer, weswegen die Nato die Notwendigkeit sehe, einen technischen Mechanismus für das Entschärfen von Konflikten zu entwickeln. Man habe nur ergänzen wollen, was unter der "Führung von Deutschland an politischer Mediation" bemüht werde.
EU: "Zuckerbrot und Peitsche"
Die griechische Zeitung wiederum ergänzte ihre Berichterstattung am Sonntag mit einem Artikel, der Angela Merkel und die EU in der Hauptrolle bei der Vermittlung sieht - mit dem Verweis auf die schon früher geäußerten Ankündigung des EU-Ratspräsidenten Charles Michel, wonach man mit "Zuckerbrot und Peitsche" gegenüber der Türkei agieren wolle. Beim Gipfeltreffen der EU am 24 und 25. September, wozu Nato-Vertreter präsent sein werden, um über Seegrenzen im östlichen Mittelmeer zu sprechen, soll ein Plan vereinbart und gutgeheißen werden.
Die EU stelle sich eindeutig hinter Griechenland und Zypern, so Charles Michel, der laut Ekathimerini auch einen "konstruktiven Dialog mit der Türkei" sucht. Der dürfte schwierig werden.
"Hört auf mit den Provokationen, fangt an mit Gesprächen", wird der griechische Ministerpräsident Mitsotakis von der Zeitung zitiert, mit dem Zusatz: "Die türkischen illegalen Aktivitäten verlangen eine internationale Reaktion". Mitsotakis sagte dies am Rande eines Besuches des chinesischen Außenpolitikers Yang Jiechi.
Bündnispolitik über bislang bekannte Formate hinaus spielen eine große Rolle im Mittelmeerkonflikt. Am Sonntag war der libysche Regierungschef Sarradsch zu Besuch in Ankara, um mit Erdogan zu sprechen. Seit Wochen liegt eine neue Vereinbarung in der Luft, die die Mittelmeer-Seegrenzen-Vereinbarung und diejenige über die militärische Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der libyschen Einheitsregierung noch verstärken soll.
Dass Griechenland seinerseits kürzlich mit Ägypten eine Vereinbarung über Wirtschaftszonen im Mittelmeer traf, löste in der türkischen Regierung größere Verärgerung aus. Manche behaupten, dass das gegenwärtige Marine-Manöver, das die Türkei vor Zypern abhält, einiges damit zu tun hat.
Ohnehin ist es so, dass der Streit zwischen Griechenland und der Türkei von Gerüchten über Waffengeschäfte und einer Tendenz zur Aufrüstung und zum Demonstrieren der militärischen Schlagkraft begleitet wird. Musik, Untertitel und Bilder des Videos der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu Agency zur Fahrt des Forschungsschiffes Oruc Reis in die zwischen der Türkei und Griechenland umstrittenen Gewässer machen klar, mit welchem Einsatz der Streit von türkischer Seite geführt wird.
Das Forschungsschiff fährt in Begleitung von fünf Kriegsschiffen, "in einer Mission von größter Wichtigkeit für unser Land und unsere Nation", "zum Schutz unserer Interessen in unserem Blue Homeland", "mit der Macht unserer Marine und den Gebeten von 83 Millionen Einwohnern der Türkei".