Türkei: Haft für Deniz Yücel verlängert
Erdogan will selbst in Deutschland bei den "Auslandstürken" auftreten, NRW-Regierung sieht das mit Sorge, gefordert sei die Bundesregierung
In der Türkei seien mehr als 170 Medienkanäle geschlossen, 48 Journalistinnen und Journalisten aufgrund ihrer Arbeit inhaftiert. Zunehmend seien auch ausländische Korrespondenten betroffen, schreibt Grünen-Politiker Cem Özdemir auf seiner Facebook-Seite.
Einer davon ist Deniz Yücel, der seit 2015 für die Welt aus der Türkei berichtet. Am Dienstag vergangener Woche begab er sich zum Polizeipräsidium in Istanbul, um zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen - Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Datenmissbrauch und Terrorpropaganda - Stellung zu nehmen. Dort wurde er in Gewahrsam genommen.
Heute teilte das Blatt mit, dass die In-Gewahrsamnahme um eine weitere Woche verlängert wird. Im Rahmen des Ausnahmezustandes, der in der Türkei seit dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 gilt, ist es möglich, Personen 2 Wochen lang festzuhalten, ohne sie einem Haftrichter vorzuführen. Nach dieser Woche müsse Yücel entweder auf freien Fuß gesetzt oder von einem Staatsanwalt vernommen werden, der dann Untersuchungshaft beantragen könne.
Zwar ist Yücel Korrespondent einer deutschen Zeitung, auch besitzt er den deutschen Pass - allerdings auch den türkischen. Das macht die Sache nicht eben einfacher, da er den dortigen Behörden als türkischer Staatsbürger gilt. Das erschwert eine Einflussnahme des deutschen Konsulats.
"Wir sehen das mit großer Sorge, aber rechtlich sind uns die Hände gebunden"
Derweil macht der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan weiterhin unverdrossen Wahlkampf für das Referendum über das Präsidialsystem am 16. April 2017. Bei einer Veranstaltung am vergangenen Samstag in Oberhausen, wo der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım als Hauptredner auftrat (Türkische Verhältnisse in Oberhausen), hatte dieser angekündigt, Erdoğan wolle in der EU für die Einführung des umstrittenen Präsidialsystems werben, wie die Neue Westfälische schreibt.
Das hat offenbar die rot-grüne NRW-Landesregierung aufgeschreckt. Das Blatt zitiert den Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD), in NRW seien keine solchen Veranstaltungen gewünscht, "die den Keil der Spaltung weiter in unsere Gesellschaft treiben. Wir sehen das mit großer Sorge, aber rechtlich sind uns die Hände gebunden." Diplomatisch sei hier zunächst die Bundesregierung gefordert.
Damit war zu rechnen, denn auch in der Vergangenheit ließ Erdoğan keine Gelegenheit aus, die in Deutschland lebenden "Auslandstürken" auf seine Linie einzuschwören. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung Mittel und Wege findet - und vor allem sucht -, eine solche Veranstaltung zu unterbinden. Um die hier lebenden türkisch-stämmigen Menschen, vor allem diejenigen, die zum Schutz vor dessen Regime hierher geflohen sind, wie z. B. der prominente ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet Can Dündar, davor zu bewahren, dass Erdoğan seinen politischen Gegnern nachreist, sie beschimpft, ihnen offen droht und ihre Landsleute gegen sie aufhetzt.