Türkei: Negativ-Kommentare zur Wirtschaft werden als Verrat bestraft
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Wie die türkische Regierung auch die sozialen Medien unter Kontrolle bringen will
Der türkischen Wirtschaft geht es gut, sagt der türkische Präsident. Und das haben die türkischen Medien auch so zu berichten und die Bürger haben das zu glauben, auch wenn sich die Kreditschulden bei spanischen, italienischen, französischen und deutschen Banken auf 145 Milliarden Dollar belaufen - ungefähr die gleiche Summe, die auch Griechenland ins Desaster stürzte. Weltweit sind es 225 Milliarden Dollar.
Türkische Unternehmen forderte Erdogan auf, keinen Bankrott anzumelden, Industrielle sollen keine Fremdwährungen kaufen. Er drohte den inländischen Unternehmen mit Kapitalverkehrskontrollen, sollten sie seiner Aufforderung, keine Devisen aufzunehmen, nicht nachkommen.
Soziale Medien im Visier
Nach der Gleichschaltung der Printmedien sind seit dem Putschversuch zunehmend die sozialen Medien im Visier der Staatsanwälte. In der Türkei hat die AKP die Medienlandschaft weitgehend unter ihrer Kontrolle. Die Turkuvaz Media Gruppe des AKP-freundlichen Unternehmers Orhan Kemal Kalyoncu etwa gibt die Zeitung Sabah heraus und besitzt den Sender ATV.
Der AKP-nahe Demirören-Konzern hat die Mediensparte der Dogan-Holding aufgekauft, die die Zeitung Hürriyet herausgibt und den Nachrichtensender CNN-Türk. Seitdem liest man in der ehemals liberalen Hürriyet nur noch das, was die Regierung zulässt.
Der Regierungssprecher von Erdogan kündigte am Montag an, gegen negative Kommentare zur Wirtschaft in den Nachrichten und in sozialen Netzwerken vorzugehen. Seit vergangenem Dienstag ging das türkische Innenministerien gegen 346 Nutzerkonten auf sozialen Netzwerken vor, die den Verfall der Lira nicht regierungskonform kommentierten.
Der regierungsnahe Sender CNN-Türk diente als Sprachrohr: Die Türkei erlebe einen wirtschaftlichen Angriff. "Wer dem Angriff mit schriftlichen oder audiovisuellen Nachrichten oder in sozialen Netzwerken Vorschub leiste, werde juristisch belangt", berichtete der Spiegel. Das Verbreiten falscher Nachrichten käme Verrat gleich, sagte Erdogan am Montag, so die FAZ:
Das heißt im Klartext, wer zur Wirtschaftspolitik der Türkei eine kritische Haltung einnimmt und dies schriftlich oder audiovisuell kundtut, macht sich verdächtig, die wirtschaftliche Sicherheit zu gefährden.
Armee der Trolle in der Türkei
Nun ist es aber nicht so, dass die türkische Regierung die sozialen Netzwerke per se als "Teufelszeug" abtut. Die Regierung selbst nutzt ebenfalls die sozialen Medien für ihre Propaganda. Pro-Regierungs-Trolle haben ihre Kampagnen gestartet, um oppositionelle Stimmen und Organisationen in sozialen Medien durch Schmierkampagnen und falsche Behauptungen in Misskredit zu bringen.
Das Portal Freedom House berichtete schon vor zwei Jahren, dass die Regierung rund 6.000 Personen angeworben hat, die weltweit in Netzwerken und Internetforen unterwegs sind, um Kritiker zu diffamieren, Diskussionen zu manipulieren und Verschwörungstheorien zu verbreiten.
Dabei bedienen sie sich der gleichen Anschuldigungen, mit denen massenweise Journalisten, Akademiker, Künstler, Politiker usw. verhaftet werden: Entweder ist man Gülen-Anhänger oder PKK-Sympathisant oder am besten gleich beides. Kommt jetzt der Strafbestand "Wirtschaftskritiker" hinzu?
Freedom House listet in seinem Bericht dezidiert auf, welche Websites und soziale Medien wie Twitter, Facebook, wann und wie lange von der türkischen Regierung gesperrt wurden. In der Türkei hat das Klima der Angst, das durch die weit verbreitete staatliche Verfolgung von Online-Aktivitäten geschaffen wurde, zu einer Zunahme der Selbstzensur geführt, insbesondere wenn es um die Kritik an der Regierung oder öffentlichen Beamten geht, berichtet Freedom House.
Trotzdem gibt es noch eine große Auswahl an Blogs und Websites, auf denen die Bürger die türkische Politik und Führung kritisieren. Immer mehr Bürger bedienen sich mittlerweile des Internets, um Informationen über die Vorkommnisse in ihrem Land zu erfahren, die von den Massenmedien verschwiegen werden, beispielsweise über die Situation der Kurden im Südosten des Landes.
Von dort ist die Berichterstattung besonders schwer, weil häufige "Stromausfälle", Internetsperrungen und die Zensur von lokalen Nachrichtenseiten eine kontinuierliche Berichterstattung kaum möglich machen.