Türkei ernennt Provinzgouverneur für Teile Nordsyriens

Karte des osmanischen Syriens von 1851. Quelle: Wikipedia /gemeinfrei

Die Regierung Erdogan auf der Suche nach Verbündeten im Kampf gegen die Kurden

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Der türkische Präsident Erdogan gab auf einer Versammlung von Ortsvorstehern aus der gesamten Türkei seine Ernennung eines "Vali" (Gouverneur) für Nordsyrien bekannt. Dies berichtet der Tagesspiegel in seiner Printausgabe vom 24. August 2017. Wie es scheint, sucht die Türkei neue Verbündete. Doch die Suche nach neuen Bündnispartnern gestaltet sich schwierig.

Kurz nach dem Treffen Erdogans mit Irans Armeechef Mohammad Bagheri in Ankara Anfang der Woche, behauptete Erdogan am 21. August, die Türkei und Iran planten eine gemeinsame militärische Operation gegen die PKK. Das iranische islamische Revolutionsgarde-Korps (IRGC) dementierte am darauf folgenden Tag Pläne über angeblich gemeinsame militärische Aktionen gegen die PKK im Irak. "Wir haben keine Operationen an den Grenzen der Islamischen Republik Iran oder darüber hinaus geplant."

Iran lehnt zwar ebenfalls das Unabhängigkeitsreferendum von Masoud Barzani im Nordirak ab und befürwortet eine Grenzsicherung zwischen der Türkei und dem Iran - dies ist die gemeinsame Schnittmenge zwischen der Türkei und Iran (vgl. Nordirak: Referendum für kurdischen Staat unter schlechten Vorzeichen) -, aber an militärischen Aktionen gegen die PKK im Nachbarland ist Iran nicht interessiert.

Nachdem Erdogan mit seinem Anliegen in Iran scheiterte, bot Außenminister Mevlüt Cavusoglu bei einem Treffen mit Iraks Außenminister Ibrahim al-Jaafari an, die irakische Regierung bei der Vertreibung der PKK aus dem Irak zu unterstützen. Einen Schulterschluss versuchte Cavusoglu mit der Ablehnung des nordirakischen Unabhängigkeitsreferendums der kurdischen Autonomieregion (KRG).

Abadi: Türkische Truppen sollen aus Nordirak abziehen

Auch dieser Versuch, den Irak als Bündnispartner im Kampf gegen die Kurden zu gewinnen, scheiterte. Iraks Ministerpräsident Haider Al-Abadi forderte stattdessen, das türkische Militär solle sich beeilen, seine Truppen aus dem irakischen Territorium abzuziehen. Im Anschluss reiste Cavusoglu nach Erbil, um sich mit dem KDP-Führer Masoud Barzani und einer Delegation der anderen kurdischen Parteien PUK‚ Komela Îslamiya Kurdistan und Tevgera Îslamiya Kurdistan zu treffen. Einzelheiten über diese Gespräche sind noch nicht bekannt.

Allerdings dürften sich die Spannungen zwischen der Türkei und der KRG weiter verschärft haben: Während des Besuchs des türkischen Außenministers in Erbil wurde der PUK-Vertreter in Ankara, Bahroz Galalî, aufgefordert, die Türkei zu verlassen. Als Grund wurden nicht näher ausgeführte Komplikationen zwischen der PUK und Ankara angegeben.

Am vergangenen Mittwoch traf US-Verteidigungsminister James Mattis den türkischen Präsident Erdogan zu Gesprächen in Ankara. Das angespannte Verhältnis zwischen der Türkei und den USA wegen deren Unterstützung der kurdisch dominierten nordsyrischen Verteidigungseinheiten (SDF) stand dabei im Vordergrund. Die USA halten die Kurden und ihre assoziierten arabischen, assyrischen und ezidischen Einheiten für schlagkräftiger und verlässlicher als die Türkei.

Zudem halten die Amerikaner Erdogans Syrienpolitik für "nicht zielführend", ihrer Ansicht nach eskaliert die türkische Unterstützung radikal islamistischer Gruppen in Syrien den Konflikt. Die zunehmende Islamisierung der Türkei und ihre Entwicklung zu einer Diktatur bereiten auch der NATO Kopfschmerzen. Forderungen Richtung "Türkei raus aus der NATO" werden angeblich lauter. Schon lange werden nach einem Bericht der Welt keine sensiblen Informationen mehr mit Ankara geteilt.

Als nächstes stehen Gespräche mit Russland auf Erdogans Agenda. Er wird sich mit dem russischen Generalstabschef Valerie Gerassow treffen. Erdogan erhofft sich "grünes Licht" für einen Einmarsch in den westlichen kurdischen Kanton Afrin.

Ein türkischer Provinzgouverneur in Nordsyrien

Weitgehend unbeachtet in den europäischen Medien blieb eine Aussage Erdogans vor einer Versammlung türkischer Ortsvorsteher. Dort gab er die Ernennung eines türkischen Provinzgouverneurs für Nordsyrien bekannt. Dieser solle jenes Gebiet im Norden Syriens verwalten, das unter türkischer Kontrolle stehe, schreibt der Tagesspiegel am Donnerstag. Gemeint ist damit das ca. 2.000 Quadratkilometer große Gebiet um Jarablus und Al Bab bis nach Al Rai.

Es ist nicht das erste Mal, dass Erdogan einen türkischen Gouverneur für den Nachbarstaat ernennt. 2013 setzte er Veysel Dalmaz als "Koordinator" für die Angelegenheiten syrischer Flüchtlinge ein. Der Amtssitz befand sich allerdings damals auf türkischem Territorium im grenznahen Gaziantep. Mittlerweile befindet sich Dalmaz wegen angeblicher Mitgliedschaft der Gülen-Bewegung in Haft.

Syrer und türkische Oppositionelle warnten schon damals vor Erdogans neo-osmanischen Plänen: Eine "osmanische Besatzung" in Syrien müsse verhindert werden. Syrien sei keine türkische Provinz.

Gegenüber dem Pentagon-Chef Mattis machte Erdogan bezüglich Nordsyriens eine klare Ansage: Sein Land werde es niemals zulassen, dass in Syrien ein (kurdischer) "Terrorkorridor" entstehe, sagte er in der Zeitung Hürriyet. Gemeint sind die Bestrebungen der Demokratischen Föderation Nordsyriens, die Kantone Afrin und Kobane zu verbinden, um das Embargo, dem der Afrin unterliegt, zu durchbrechen. "Unsere Entschlossenheit hinsichtlich Afrin bleibt."

Afrin, so der türkische Präsident, sei "eine sehr wichtige Region". Seit Wochen zieht die türkische Armee mehrere tausend Soldaten mit Panzern und Artillerie nördlich von Afrin beim Grenzort Kilis zusammen. Täglich gibt es von türkischer Seite aus Angriffe auf den Kanton, mit verletzten und getöteten Zivilisten. Bislang hat Erdogan noch nicht den Einmarschbefehl gegeben. Noch scheint er auf die Zustimmung Russlands zu warten. Bleibt abzuwarten, was das Ergebnis des Gesprächs mit dem russischen Generalstabschef ist.

Ein Einmarsch in Afrin stößt unterdessen selbst bei einigen FSA-Verbänden, die mit der Türkei kooperieren, nicht auf Gegenliebe. "Afrin ist eine rote Linie", erklärte unlängst der kurdische FSA-Kommandant Mahmoud Khalo. Liwa Ahfad Salaheddin, war die einzige kurdische Miliz in der FSA. Khalo erklärte am 3. Juli auf Facebook, seine Miliz würde nicht an einer militärischen Aktion gegen Afrin teilnehmen. Daraufhin stürmten andere FSA-Einheiten deren Stützpunkt und konfiszierten alle Fahrzeuge und Waffen. Khalo selbst wurde am 14. Juli verhaftet.

Ihm wurde Zusammenarbeit mit al-Qaida und der kurdischen demokratischen Unionspartei PYD vorgeworfen. Nach seiner Freilassung erklärte Khalo, er sei zwar gegen die PYD, aber ein Angriff auf Afrin sei ein Angriff auf das kurdische Volk. Im Falle eines Angriffs würden selbst diejenigen Kurden, die in Afrin Gegner der PYD sind, mit ihr den Kanton verteidigen. Keiner wolle eine türkische Besetzung dieses Kantons.