Türkei versucht sich als Kämpfer gegen den IS darzustellen
Nach der amerikanischen Bagdadi-Operation steht die Türkei unter Verdacht. Jetzt wurde angeblich Bagdadis Schwester festgenommen. Die Türkei fordert europäische Länder auf, ihre IS-Kämpfer wieder zurückzunehmen
Mit der amerikanischen Militäroperation, die zum Tod vom IS-Kalifen al-Bagdadi (Baghdadi) geführt hat, kam die Türkei unter Druck. Barisha, wo al-Bagdadi im Haus von Abu Mohammed al-Halabi lebte, einem Führer der al-Qaida-Gruppe Hurras al-Din, die sich vom HTS abgespalten hat, liegt nur wenige Kilometer von der Grenze zur Türkei entfernt. Idlib steht nach einer Absprache mit Russland unter türkischer Kontrolle, die um das Gebiet herum Stützpunkte errichtet hat. Dorthin haben sich Dschihadisten aller Art geflüchtet, darunter auch IS-Mitglieder. Auch wenn sich die Gruppen bekämpfen, so sind die Verhältnisse fließend.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Türkei Kontakte mít dem IS und anderen dschihadistischen Gruppen hatte und hat. Auch die Tatsache, dass der IS-Sprecher Abu al-Hassan al-Muhajir in der Nähe von Dscharablus vermutlich von den Amerikanern getötet wurde, weist auf eine Verwicklung der Türkei mit den Islamisten hin, die man auch seit Jahren in die Milizen aufgenommen hat. Dscharablus hatte die Türkei 2017 kampflos vom IS "erobert", um ein Vordringen der SDF zu verhindern. Zusammen mit der kurdischen Enklave Afrin, die später besetzt wurde, hat die Türkei so wieder einen breiten Korridor nach Syrien, der vom türkischen Militär zusammen mit den islamistischen Milizen kontrolliert wird und über den die Islamisten wie der HTS oder Hurras versorgt werden können, um den Einfluss der Türkei in Syrien zu sichern.
Nach der Tötung von al-Bagdadi hatte Donald Trump auch erwähnt, dass die Türkei mit eingebunden gewesen sei. Auffällig war jedoch, dass für die Operation nicht der US-Stützpunkt auf dem türkischen Militärflughafen verwendet wurde, sondern die Hubschrauber von Erbil aus starteten und auch dorthin wieder zurückkehrten. Der Türkei wurde nur kurzfristig bekannt gegeben, dass ein amerikanischer Einsatz stattfindet. Das drückt tiefes Misstrauen des amerikanischen Militärs gegenüber dem Nato-Partner aus. Der türkische Präsident Erdogan hatte sich beeilt, sich hinter die US-Operation zu stellen: "Die Tötung des IS-Führers stellte einen Wendepunkt in unserem gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus dar. Die Türkei wird weiter Antiterror-Maßnahmen unterstützten, wie es dies in der Vergangenheit machte."
"Dunkle Propaganda gegen die Türkei"
Heute meldete der türkische Kommunikationsdirektor Fahrettin Altun, dass Bagdadis Schwester festgenommen wurde, was als "ein weiteres Beispiel für den Erfolg unserer Antiterror-Operationen" verkauft wird. Das soll zeigen, dass die "dunkle Propaganda gegen die Türkei" nicht zutrifft: "Wir waren im Kampf gegen den Terrorismus in all seinen Formen führend", behauptet Altun, der auch versichert, die Beziehungen zu den USA seien gut. Und dann sei noch ein syrischer IS-Führer aus Hasakah zusammen mit einem weiteren Ausländer in der Westtürkei festgenommen worden, der angeblich einen Anschlag plante.
Zu Beginn der türkischen Invasion waren Hunderte von IS-Gefangenen - nach den Kurden 859 - aus einem Gefängnis bei Ain Issa freigekommen. Das Gefängnis war bombardiert worden, angeblich haben die türkischen Milizen die IS-Leute eskortiert. Nach Gerüchten seien sie dann von diesen festgesetzt worden, um Lösegeldforderungen zu stellen.
Laut den Kurden kämpfen mehr ehemalige IS-Mitglieder in den Milizen der Türkei, als IS-Kämpfer gefangengenommen worden seien. Überdies würden sich seit der Invasion die Anschläge und Angriffe von IS-Schläferzellen mehren.
"Wir sind kein Hotel für Terroristen"
Die Türkei hingegen behauptet, man habe Hunderte von IS-Kämpfern und deren Familienmitglieder festgenommen. Der Westen wird aufgefordert, ihre Bürger wieder zurückzunehmen, die sich dem IS angeschlossen haben. Der Innenminister Suleyman Soylu sagte , es sei inakzeptabel, dass manchen die Staatsbürgerschaft entzogen worden sei. Das widerspreche dem internationalen Recht und: "Wir sind kein Hotel für Terroristen." Am Montag erklärte er, man werde auch staatenlose IS-Kämpfer in ihre Heimat zurückschicken. Es seien 1200 ausländische IS-Kämpfer in der Türkei in Haft, 290 IS-Mitglieder, darunter auch Frauen und Kinder, seien seit der Invasion gefangengenommen worden. Deutschland soll 20 deutsche IS-Kämpfer zurücknehmen.
In Syrien sollen sich 12.000 IS-Kämpfer in zunehmend schlechter von den SDF bewachten Gefängnissen und Lagern befinden. Im größten Lager al-Hol sollen um die 70.000 Flüchtlinge, meist Frauen und Kinder, viele aus dem IS-Umkreis und teils hoch ideologisch und kämpferisch aufgeheizt, gefangen gehalten werden, darunter über 10.000 Ausländer.
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