Türkeiurlaub nur für regimefreundliche Touristen
Der als Hardliner bekannte türkische Innenminister Süleyman Soylu droht mit Festnahmen bei der Einreise von Personen, die in Verbindung mit kurdischen Kundgebungen gebracht werden
Am Dienstag eröffnete in Berlin die Internationale Reisemesse (ITB). Auch die Türkei ist mit mehreren Ständen und schicken Hochglanzbroschüren mit am Start. In der Tat gibt es in der Türkei eine Menge Highlights und jede Menge schöne Badestrände. Aber der Auftakt war für die Türkei, die sich wegen steigender Gästezahlen feiern lassen wollte, von Negativschlagzeilen geprägt.
Deutschen Journalisten wurde die Akkreditierung verweigert; es gab tägliche Meldungen über Verhaftungen der Opposition, die Unterstützung von Islamisten in Nordsyrien, die Zerstörung von Kulturdenkmälern. Das alles sind nicht unbedingt vertrauensbildende Maßnahmen. Und nun das:
"Regierungskritische Touristen nicht erwünscht!"
Am vergangenen Sonntag ließ der als nationalistischer Hardliner bekannte türkische Innenminister Süleyman Soylu bei einem Wahlkampfauftritt verlauten, Personen die "draußen Verrat" begehen oder an Kundgebungen von "Terrororganisationen" in Deutschland und anderen europäischen Ländern teilnehmen und dann in der Türkei Urlaub machen wollen, werden bei der Einreise festgenommen.
Bekanntlich hat die türkische Regierung ihre ganz eigene Definition, wer als Unterstützer einer Terrororganisation gilt. Das reicht von Unterstützern von Kulturvereinen der verschiedenen Minderheiten über Menschenrechtsorganisationen, Medien bis hin zu politischen Parteien, die die demokratische Partei HDP unterstützen. Aber auch regierungskritische Posts in den sozialen Medien können zu Verhaftungen, selbst von Deutschen führen.
Wer eine Wandertour in den Bergen im Südosten der Türkei machen will, hat den falschen Ort gewählt und landet wie Patrick K. aus Gießen im türkischen Gefängnis. Wegen angeblicher YPG-Mitgliedschaft in Nordsyrien wurde er im Oktober 2018 zu einer Gefängnisstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Mehmet Tanriverdi der Kurdischen Gemeinde sagte laut SZ zu dem Vorfall, dass offensichtlich allein der Aufenthalt in den kurdischen Gebieten reiche, "um als Terrorunterstützer verhaftet und verurteilt zu werden. Der junge Mann sei weder politisch noch pro-kurdisch gewesen".
Das Auswärtige Amt reagierte auf die Äußerungen des türkischen Innenministers, diese seien "nicht hilfreich" und verwies auf die Reisewarnungen auf seiner Internetseite:
In den letzten beiden Jahren wurden vermehrt auch deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert. Festnahmen und Strafverfolgungen deutscher Staatsangehöriger erfolgten mehrfach in Zusammenhang mit regierungskritischen Stellungnahmen in den sozialen Medien. Dabei können auch solche Äußerungen, die nach deutschem Rechtsverständnis von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, Anlass zu einem Strafverfahren in der Türkei geben. Ausreichend ist im Einzelfall das Teilen oder "Liken" eines fremden Beitrags entsprechenden Inhalts.
Es muss davon ausgegangen werden, dass auch nichtöffentliche Kommentare in sozialen Medien etwa durch anonyme Denunziation an die türkischen Strafverfolgungsbehörden weitergeleitet werden. Im Falle einer Verurteilung wegen "Präsidentenbeleidigung" oder "Propaganda für eine terroristische Organisation" riskieren Betroffene ggf. eine mehrjährige Haftstrafe. (...)
Zudem wurde deutschen Staatsangehörigen, insbesondere Personen mit engen privaten und persönlichen Beziehungen in die Türkei, seit Anfang 2017 in zahlreichen Fällen ohne Mitteilung der Gründe die Einreise verweigert. Betroffene Personen mussten nach einer Wartezeit in Gewahrsam von mehreren Stunden bis zu einigen Tagen ihre Rückreise nach Deutschland antreten. Dabei wurden ihnen ihre Mobiltelefone abgenommen und diese auf gespeicherte Inhalte sowie Kontakte durchsucht.
Wenngleich die Hintergründe der Einreiseverweigerungen grundsätzlich nicht mitgeteilt werden, ist auch hier ein Zusammenhang mit anonymen Denunziationen nicht auszuschließen. Festzustellen ist, dass ein hoher Anteil der Zurückgewiesenen einen kurdischen oder türkisch-alevitischen Familienhintergrund aufweist.
Auswärtiges Amt
Nun rudert die türkische Regierung zurück. Außenamtssprecher Hami Aksoy sagte, die Aussagen Soylus seien "eindeutig aus dem Zusammenhang gerissen und verzerrt". Dabei waren seine Worte unmissverständlich, so sie wie ARD wiedergibt:
Es gibt Leute, die in Deutschland an einer Kundgebung einer Terrororganisation teilnehmen und nach Antalya, Bordrum oder Mugla kommen, um Urlaub zu machen. Für die haben wir jetzt Maßnahmen getroffen. Diese Menschen werden bei der Einreise festgenommen.
Süleymann Soylu, Innenminister Türkei
Im türkische Original sind die Worte des Innenministers hier zu finden. Wer kritisiert, ist also ein Verräter. So lautet die Botschaft. Wer an türkei-kritischen Veranstaltungen der kurdischen Organisationen oder an Kundgebungen der HDP in Deutschland teilnimmt, ist ein Terrorist. So einfach ist das.
"Echte Patrioten"
Ein Wahlplakat der AKP verdeutlicht, wer erwünscht und nicht erwünscht ist: Auf der linken Seite sind die "Patrioten" zu sehen: Erdogan, Devlet Bahçeli, Chef der faschistischen Partei MHP und die Sultane des Osmanischen Reiches. Rechts auf dem Plakat die Feinde, die "Kriegsfront der Kreuzritter": der Pabst, Angela Merkel, Donald Trump, die Queen, Erdogan-Erzfeind Fetullah Gülen und natürlich der Vorsitzende der Arbeiterpartei Kurdistans, Abdullah Öcalan. Unten auf dem Wahlplakat steht: "Du hast die Wahl". Was würden wir hier in Deutschland wählen?
Eines wird an den Äußerungen Soylus ebenfalls deutlich: der türkische Geheimdienst erstellt scheinbar Namenslisten von Teilnehmern an Türkei-kritischen Demonstrationen und Veranstaltungen, wie sonst gelangen Personendaten in die Computer der Flughäfen?
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Thorsten Frei nannte es "inakzeptabel, wenn die Türkei in Deutschland mit nachrichtendienstlichen Mitteln auch deutsche Staatsbürger ausspioniert und deren staatsbürgerliche Freiheiten in Deutschland einschränken will".
Die Reiseanbieter können sich trotz allem über steigende Besucherzahlen freuen. Noch gibt es genug Deutsche, denen es wegen der günstigen Preise egal ist, was wenige Kilometer hinter ihnen im Inland in den Polizeistationen und Gefängnissen passiert. Ein Journalist der NRZ hat dies treffend auf den Punkt gebracht:
Was man rasch vergisst, wenn man in Antalya am Pool einen Cocktail schlürft oder durch die bezaubernde Altstadt von Istanbul schlendert: Die türkische Regierung geht noch immer knallhart gegen Kritiker und Oppositionelle vor. Ankara hat ein völkerrechtswidriges Besatzungsregime im Nordwesten Syriens errichtet (...) Der Nato-Partner Türkei hat sich tatsächlich meilenweit von demokratischen und rechtsstaatlichen Standards entfernt. Das gefährdet keine unpolitischen deutschen Touristen. Sie sollten es aber vielleicht im Hinterkopf haben, wenn sie beim nächsten Mal eine Reise buchen. Ein günstiger Urlaub ist nicht alles.
Jan Jessen, NRZ