MINT-Fächer an deutschen Schulen unbeliebt: Sind schlechte Lehrer schuld?

Symbolbild: Mathe-Kauderwelsch mit Smileys an Tafel

In Mathe den Anschluss zu verlieren, kann folgenschwer sein. Trotzdem wagen es viele nicht, bei strengen Lehrkräften nachzufragen. Symbolbild: Chuk Yong / Pixabay Licence

Mangel an Alltagsbezug macht spannenden Mathe-Unterricht schwer. Eine Studie zeigt, wie viele hier versagen. Stimmt das Klischee vom verbitterten Mathe-Lehrer?

Lehrkräfte sind insgesamt "Mangelware": Ein Großteil in der Berufsgruppe leidet laut Umfragen unter schlechten Arbeitsbedingungen und Überlastung – manche werden deshalb auch ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht.

Kinder und Jugendliche beurteilen dagegen den Unterricht nicht in allen Fächern gleich schlecht: Vor allem die Naturwissenschaften Mathematik, Physik und Chemie schneiden hier schlecht ab – und die Lehrkräfte spielen dabei offenbar eine Schlüsselrolle.

Das Klischee vom verbitterten Mathe-Lehrer

Eine aktuelle Umfrage scheint ein altes Klischee zu bestätigen. Mathematik- und Physik-Lehrer mit wenig Sozialkompetenz, darunter auch solche vom Typ "gescheiterter Nobelpreisträger", sind berüchtigt. Viele Jugendliche, aber auch Erwachsene, die als Kinder keine Rechenschwäche hatten, können ein Lied davon singen, wie ihnen in der Schule jegliche Lust auf das Fach verging.

Da stand ein Mensch vor der Klasse, der mit Kindern und Jugendlichen eigentlich gar nichts anfangen konnte und wahrscheinlich lieber eine wissenschaftliche Karriere gestartet hätte – wenn er denn in seinem Fach selber gut genug dafür gewesen wäre. So jedenfalls der böse Verdacht.

Sein oder ihr verbitterter Gesichtsausdruck sprach Bände. Das Rachebedürfnis am Rest der Welt war mit Händen zu greifen: Irgendjemand musste dafür bezahlen, am besten die nervigen Rotznasen, die ein verkanntes Genie jeden Tag im Klassenzimmer zu sehen verdammt war. Jedenfalls die, die gelangweilt wirkten – und das traf meistens auf viele zu.

Desinteressierte Schüler als Hassobjekt

Wer das Pech hatte, besonders gelangweilt auszusehen oder schlicht übermüdet im Unterricht saß – sei es nur wegen der "inneren Uhr" oder wegen jugendlicher Feier-Exzesse, an denen solche Menschen früher selten oder nie teilhaben durften – wurde schnell zu deren Hassobjekt.

Seit Abschaffung der Prügelstrafe ist die einzige Waffe solcher Pädagogen das Prinzip "Friss oder stirb". Sinngemäß heißt das: Mein Unterricht ist langweilig? – Pech gehabt, ich muss mir hier keine Mühe geben, sondern du. Sonst gibt es eben für dich schlechte Noten, keinen brauchbaren Abschluss und später einen Job, den du mindestens so hassen wirst wie ich meinen hier. Aber deiner wird schlechter bezahlt sein.

Letzteres könnte auch in den Köpfen derjenigen vorgehen, die gar keinen Nobelpreis wollten, sondern nur eine gut abgesicherte Beamtenlaufbahn – und dabei unterschätzt haben, wie schrecklich sie eine solche Ansammlung von Pubertierenden finden, wenn sie länger als 15 Minuten mit ihnen in einem Raum sein müssen. Vielleicht ja auch erst, seit die alle Smartphones haben.

Aber natürlich kann es auch eine Schutzbehauptung naturwissenschaftlich unbegabter Menschen sein, dass unfähige Lehrkräfte schuld an ihrer schlechten Abiturnote sind.

Studie: Mathe und Physik sind unbeliebte Fächer

Allerdings scheint es keine seltene Wahrnehmung zu sein, dass der Unterricht in Fächern Mathe, Physik und Chemie in Deutschland eher langweilig oder von schlechter Qualität ist – wenn auch nicht in allen "MINT"-Fächern, was für "Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik" steht.

In der aktuellen Sinus-Studie der Telekom-Stiftung schnitt das Fach Mathematik besonders schlecht ab: Nur 36 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen gaben an, dass es ihnen Spaß mache, obwohl 78 Prozent ihre mathematischen Fähigkeiten als "gut" oder "sehr gut" einschätzen. Nur 29 Prozent, können sich aber einen Beruf vorstellen, in dem Mathematik wichtig ist.

Physik und Chemie sind ähnlich unbeliebt: Nur 34 beziehungsweise 29 Prozent der Befragten mögen diese Fächer, obwohl die meisten ihre Leistungen als "gut" bis "sehr gut" einschätzen: 71 Prozent tun dies in Physik und 68 Prozent in Chemie.

Technik-Unterricht dank Alltagsbezug beliebter?

Der Technik-Unterricht kommt dagegen deutlich besser an: Mit 54 Prozent hat mehr als die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler Spaß daran, 85 schätzen ihre technischen Fähigkeiten als "gut" oder "sehr gut" ein – und 49 Prozent können sich einen Beruf mit technischer Ausrichtung vorstellen.

Hier zeigt sich, dass auch der erkennbare Alltagsbezug eine Rolle spielt – es sind also nur die Lehrkräfte schuld, wenn ein Fach unbeliebt ist. Ein vielfach genannter Wunsch für den Unterricht in MINT-Fächern ist laut Studie der nach mehr Alltagsbezug, nach kreativen, witzigen und lebensnahen Beispielen – und hier wären wiederum die Lehrkräfte gefragt.

Der wahre Kern des Klischees vom verbitterten Mathe-Lehrer

"Nichts entscheidet aus Sicht der Schülerinnen und Schüler so sehr darüber, ob man Motivation für ein Fach entwickelt und erhält, wie das jeweilige Lehrpersonal", heißt es in der Studie.

Jeder und jede hat dabei sowohl positive wie negative Erfahrungen im Laufe des Schullebens gemacht. Lehrerinnen und Lehrer sind demnach für Kinder und Jugendliche "nicht nur Vermittler von Wissen, sondern äußerst wichtige Bezugspersonen, denn sie erfüllen zentrale Funktionen in Personalunion".

Fehlendes Vertrauen: Angst, vom Lehrer vorgeführt zu werden

Einer der wichtigsten Beurteilungsaspekte mit Blick auf das Lehrpersonal sei die Möglichkeit, Fragen zu stellen: "Dies mag auf den ersten Blick überraschend erscheinen, entscheidet aber stark über das Gelingen von Wissenstransfer und Vertrauen. Dies betrifft insbesondere das Fach Mathematik." Da die Inhalte aufeinander aufbauen, haben viele Angst, den Anschluss nicht zu verlieren, trauen sich aber zum Teil nicht, bei Bedarf nachzufragen.

Viele berichteten, dass sie regelmäßig Fragen haben, die sie sich aber nicht zu stellen trauen, weil sie sich auf Lerninhalte beziehen, die schon erklärt wurden und als "selbstverständlich" gelten. Durch Antworten wie "das habe ich doch schon dreimal erklärt" oder "das musst du aber jetzt verstanden haben" fühlen sich Kinder und Jugendliche vorgeführt und erleben die Situation als peinlich.

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