Tulsi Gabbard verklagt Google auf 50 Millionen Dollar
Der Konzern hatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerberin nach der ersten Fernsehdebatte das Werbekonto ihrer Kampagne gesperrt
Die samoanischstämmige Irakkriegsveteranin Tulsi Gabbard, die für einen Wahlkreis in Hawaii im Repräsentantenhaus sitzt, gehört zu den 20 chancenreicheren Bewerbern, die bei der US-Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr als Kandidat der demokratischen Partei gegen Donald Trump antreten wollen.
In der Vergangenheit setzte sich die Hawaiianerin unter anderem für die Wiedereinführung des Glass-Steagall Acts ein, der durch eine strikte Trennung der Unternehmen verhindern soll, dass Sparer ihr Geld verlieren, wenn sich Investmentbanker verspekulieren. Geldinstitute, die so groß wurden, dass sie systemrelevant sind, sollten ihrer Ansicht nach in kleinere Einheiten aufgeteilt werden. Außerdem war sie (anders als viele ihrer Mitbewerber) eine entschiedene Gegnerin des von Trump beerdigten transpazifischen Freihandelsabkommens TPP, das ihren Worten nach nur der Wall Street und nicht den amerikanischen Arbeitern genützt hätte.
Alleinstellungmerkmal: Keine Regime-Change-Kriege mehr
Die wichtigste Frage für die in den Jahren 2005 und 2006 im Zweistromland stationierte Soldatin ist aber nach eigenen Angaben die von "Krieg und Frieden". Der von ihr im Kongress eingebrachte Stop Arming Terrorists Act würde es US-Regierungen verbieten, amerikanisches Steuergeld direkt oder indirekt für "Regime-Change"-Kriege im Ausland einzusetzen. Ein Krieg mit dem Iran, der in den letzten Monaten in den Bereich des Möglichen rückte, würde ihrer Erwartung nach noch sehr viel schlimmere Folgen haben als der im Irak.
Die erste Runde der Vorwahl-Fernsehdebatten nutzte sie, um einen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan zu fordern, weil die USA ihrer Wahrnehmung nach heute nicht besser dastehen als 2001. "Zu lange", so die Irakkriegsveteranin, "haben unsere Führer versagt, haben sie uns von einem Regime-Change-Krieg in den nächsten geführt", "uns Billionen unserer hart verdienten Steuerzahlerdollar und zahllose Leben gekostet".
Auf die Entgegnung ihres Konkurrenten Tim Ryan, dass man sich nicht aus Afghanistan zurückziehen könne, "weil sie anfingen Flugzeuge in unsere Gebäude zu fliegen, als wir nicht dort waren", wies sie den Kongressabgeordneten darauf hin, dass es Unterschiede zwischen den Taliban und al-Qaida gab und gibt: "Die Taliban", so Gabbard, "griffen uns am 11. September 2001 nicht an, al-Qaida griff uns am 11. September 2001 an.
Als Ryan darauf bestand, man müsse sich trotzdem weiter in Afghanistan "engagieren", entgegnete sie ihm:
Ist das das, was sie den Eltern der beiden Soldaten sagen werden, die gerade getötet wurden? 'Nun, wir müssen uns aber weiter dort engagieren.' Als eine Soldatin kann ich ihnen sagen: Diese Antwort ist nicht akzeptabel. (Tulsi Gabbard)
Nach der ersten Fernsehdebatte am meisten gegoogelt
In einer Blitzumfrage des konservativen Drudge Reports sah sie danach eine Mehrheit von 38,75 Prozent der Teilnehmer als Gewinnerin der Debatte. Ein Hinweis für die Demokraten, dass sie eine Kandidatin wäre, die auch Wähler außerhalb der eigenen ideologischen Festung anziehen könnte. Außerdem war sie in 34 der 50 US-Bundesstaaten während der Debatte die Bewerberin, nach deren Namen Google-Nutzer am häufigsten suchten (vgl. Erste Fernsehdebatte zur US-Präsidentschaftswahl: Spanische Antworten und technische Pannen).
Mit dem Sammeln von Spenden klappte es jedoch nicht so gut, wie sich Gabbard das wünschte. Ihrer Ansicht nach liegt das auch daran, dass sie von Google ungerecht behandelt wurde. Deshalb hat sie den Konzern gestern vor einem US-Bundesgericht in Los Angeles auf Unterlassung und 50 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt. Konkret geht es dabei um eine Sperre des Werbekontos ihrer Kampagne, die Google nach der ersten Fernsehdebatte verhängte - also genau dann, als Google-Nutzer besonders häufig ihren Namen suchten (siehe oben).
Google: "Automatische Systeme", die "ungewöhnliche Aktivitäten" bemerken
Anstatt Gabbards Website (mit der Möglichkeit zur Abgabe von Kleinspenden) fanden diese Google-Nutzer ganz oben auf der ersten Suchergebnisausgabe Seiten wie ihren Wikipedia-Eintrag, Artikel über sie und Videos mit ihr, auf denen es diese Möglichkeit nicht gibt. Als Gabbards Kampagnenfirma Tulsi Now Inc. Google darauf aufmerksam machte, schrieb ihr die Firma, man habe das Konto "zeitweilig suspendiert" um die "Zahlungsangaben" und die "Werberichtlinienkonformität" zu überprüfen. Tulsi Now Inc. hält diese Behauptung für wenig glaubwürdig, weil das Konto bereits im Februar eröffnet wurde und es niemals Schwierigkeiten mit der Bezahlung oder mit Verstößen gegen die Richtlinien gab.
Heute schob Google-Sprecher Jose Castaneda dann eine weitere Erklärung nach: Man habe zum "Schutz gegen Betrug" "automatische Systeme", die "ungewöhnliche Aktivitäten" bemerken würden, wozu auch eine größere Steigerung der Werbeausgaben gehöre. Nachdem sich der Verdacht als unbegründet herausstellte, haben man das Konto am Tag darauf wieder entsperrt.
Gabbard: Klage "für alle Amerikaner"
Gabbards Vorwurf ist auch abseits des Einzelfalls interessant, weil Google unter anderem durch heimliche Videoaufnahmen in den Verdacht geriet, dass zumindest einzelne Führungskräfte des Konzerns eine eigene politische Agenda verfolgen (und nicht nur das Ziel, Nutzern möglichst gute Dienstleistungen anzubieten und damit Geld zu verdienen). Der republikanische Senator Ted Cruz unterzog Vertreter des Unternehmens deshalb Ende Juni einer Befragung im Kongress.
Auch Gabbard warnt davor, dass die "willkürliche" Behandlung, die ihr widerfahren sei, bei allen Politikern "Bedenken wecken sollte, inwieweit das Unternehmen seine Dominanz nutzen kann, um den politischen Diskurs zu beeinflussen". Die "diskriminierenden Handlungen" gegen sie zeigten, "wie gefährlich Googles komplette Dominanz bei Internetsuchen" sei und wie sie "den Kern amerikanischer Werte" bedrohe: "Redefreiheit und faire Wahlen". Deshalb "wehre" sie sich nicht nur für sich selbst, sondern "für alle Amerikaner".
Dass Gabbard nun von Google Geld bekommt, ist nicht ausgeschlossen. Ob es tatsächlich 50 Millionen Dollar werden, ist freilich fraglich. Anwälte setzen hier - vorsichtig formuliert - selten Summen an, die Gerichte später für angemessen halten. Aber die Aufmerksamkeit, die Gabbard mit ihrer Klage heute in der New York Times und anderen amerikanischen Medien bekommt, könnte wertvoller sein, als so manche Spende. Bislang wurde sie nämlich von US-Medien eher stiefmütterlich behandelt. Deren Favoriten waren eher Robert Francis (alias "Beto") O'Rourke, Peter Buttigieg und Kamala Harris.
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