Tutanchamun in Kopie

Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze: Blick in die Vorkammer. Rechte: Semmel Concerts GmbH

Außerordentliches Interesse an der Replikenausstellung

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Selten wird eine Ausstellung von so viel Medientratra begleitet wie die aktuelle Tutanchamun-Ausstellung in München , und das, obwohl es sich ausschließlich um Kopien, nicht Originalgegenstände handelt. Lohnt der Besuch?

Das Französische besitzt das wunderschöne Wort „vulgarisation“, dem jede wertende Konnotation fehlt. Ins Deutsche lässt es sich höchstens als „populärwissenschaftlich“ übersetzen, aber das klingt dann bereits nach P.M. und UFOs. Gleichwohl: Geisteswissenschaften verlieren schnell ihre Existenzberechtigung, wenn sie sich der Aufgabe verschließen, ihre Erkenntnisse nach außen zu tragen.

Goldmaske des Pharaos Tutanchamun. Foto: A.-M. v. Sarosdy / Rechte: Semmel Concerts GmbH

Dass es „da draußen“ ein Interesse daran gibt, zeigen die langen Schlangen vor und das dichte Gedränge in der Tutanchamun-Ausstellung. Wer Tomb-Raider-Feeling erwartet, wird enttäuscht sein: Jedenfalls derzeit ist der Andrang so groß, dass sich eher Oktoberfestatmosphäre einstellt. Trotz enormer Wartezeiten sind zahlreiche Menschen bereit, die 16 Euro (19 Euro am Wochenende) für ein unrabattiertes Ticket zu bezahlen. Tipp: Online gebuchte Tickets erlauben es, an der Schlange vorbeizumarschieren.

Innen erwartet die Besuchermassen zunächst ein Vorraum mit informativen Tafeln zur ägyptischen Geschichte und drei Monitoren, die Kurzfilme in unsäglicher ZDF-Doku-Qualität abspielen („Echnaton war mit der wohl schönsten Frau der ganzen Welt verheiratet“). Dieser Vorraum dient in erster Linie als Warteraum, denn der Weg in die Ausstellung führt über einen kleinen Kinosaal, in den nur eine begrenzte Zahl von Besuchern jeweils eingelassen wird. Die Minuten bis zum Beginn der nächsten Vorstellung zählt ein kleiner Monitor herunter, vor dem sich bereits die nächste Menschentraube sammelt.

Highlights der Schatzkammer in der Objektausstellung. Rechte: Semmel Concerts GmbH

Die zehn Minuten Film (die leider wiederum von der ZDF-Dokuredaktion stammen könnten: „Tutanchamun, eine der mysteriösten Gestalten der ganzen Menschheitssgeschichte“) erzählen hauptsächlich mittels Reenactment-Szenen Howard Carters’ Geschichte bis zum berühmten „Yes, I can see wonderful things“. Danach dürfen die Besucher das Kino hinter sich lassen und das „Grab“ betreten.

Zunächst befinden sie sich in einem Vorraum, in dem die einzelnen Räume des Grabes in stark verkleinerten (aber immer noch sehr großen!) Modellen dargestellt sind. Per Multimediashow (Beleuchtung des jeweils besprochenen Artefakts) wird die Auffindesituation und die grundlegende Bedeutung der Funde erklärt.

Der mittlere Sarg des Pharaos. Foto: A.-M. v. Sarosdy / Rechte: Semmel Concerts GmbH

Dann, endlich, geht es zum Hauptraum, in dem die originalgroßen Repliken der Tutanchamun-Funde ausgestellt sind. Was soll man zu Tutanchamuns Schätzen sagen, außer, dass sie atemberaubend sind und dies auch als Repliken bleiben? Zum Glück sind alle Exponate sehr ordentlich beschriftet: Wer sich also nicht nur von den optischen Reizen blenden lassen will, sondern mehr erfahren möchte, hat dazu alle Möglichkeiten (lesefauleren Menschen stehen Audioguides zur Verfügung).

Mittlerer und äußerer Sarg in der Objektausstellung. Rechte: Semmel Concerts GmbH

Lohnt sich der Besuch? Wer sich überhaupt diese Frage stellt, weil er sich für dergleichen interessiert, der kann beruhigt sein Geld investieren: Dank (im allgemeinen) gut gemachter Repliken und vernünftiger Begleittexte macht die Ausstellung Spaß; nur den Vorfilm gilt es, zehn Minuten lang zu ertragen.

Der Schöpfergott Ptah. Foto: A.-M. v. Sarosdy / Rechte: Semmel Concerts GmbH

Schon auf der Website bietet der Veranstalter Links zu Hotels in München an; doch ob man für Tutanchamun extra nach München fahren sollte, ist eine andere Frage. Weniger Gold, aber viel mehr Information und ganz außerordentlich gute Audio-Guides bot das Ägyptische Museum in Berlin; man darf seiner Neueröffnung in einem halben Jahr mit großer Spannung entgegensehen.

Der Totengott Anubis auf dem Schrein. Foto: A.-M. v. Sarosdy / Rechte: Semmel Concerts GmbH

Wer einstweilen einen größeren Ausflug plant, kann sich die fantastische Sammlung in Leiden ansehen, die einen kompletten (wenn auch kleinen) ägyptischen Tempel umfasst und eine Reihe von Artefakten aus der Zeit der Pyramidenbauer. Nicht zu vergessen Turin, das größte ägyptologische Museums außerhalb Ägyptens mit gewaltigen Sammlungen (aufgrund der fehlenden Klimaanlage sei ein Besuch außerhalb der Sommermonate empfohlen). Und dank Billigfliegern ist das Museum von Kairo (leider ist die offizielle Website down, aber vgl. den Wikipedia-Eintrag) auch nur ca. 150 Euro weit weg – dort gibt’s dann auch Tutanchamuns Originale.