Two Riders were approaching: Der Anfang vom Ende der deutschen Medien
Seite 3: Seit 9/11 herrscht im Zentrum der Kommunikationsbranche das bleierne Schweigen
- Two Riders were approaching: Der Anfang vom Ende der deutschen Medien
- Ab wann wurde der wahrhaftige Journalismus gekapert und trojanisiert?
- Seit 9/11 herrscht im Zentrum der Kommunikationsbranche das bleierne Schweigen
- Ein trüber Brei aus Neobiedermeier hat sich über Stadt, Land, Fluss gelegt und lähmt Politik und Medien
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Operation All along the Watchtower: Am 11. September 2001 implodierten in New York mehrere Türme. Jeder Besitzer eines Resthirns kann heute die Namen der drei bis vier beteiligten Geheimdienste nennen. Nur er tut es nicht, vor allem, wenn er deutscher Journalist ist und die Hypotheken seiner Altbauwohnung noch nicht abbezahlt hat.
Wie sehr die USA an Aufklärung interessiert war und ist, beweist der Fakt, dass man für den Lewinsky-Untersuchungsausschuss zehnmal mehr ausgegeben hatte als zur genauen Ergründung jene Taliban-Desinfizierung der westlichen Wertewelt. Rot-Grün, Tinte und Blut von Belgrad waren noch nicht getrocknet, stand stramm zur Seite. Es wurde unverbrüchliche Treue geschworen, transatlantische Einigkeit, Schweigeminuten, Schweigejahre, Hundejahre, in denen uns SPD-Genossen und die Leitartikler der Großmagazine die Freiheit am Hindukusch besangen.
Vor Colin Powells Powerpoint-Vortrag wagten nur ein paar Greise wie Stockhausen, Grass, Theodorakis oder Scholl-Latour Einspruch zu erheben. Sie erinnerten an so komische Parallelen zu Tomkin, Pearl Harbor, Kosovo, an die Kennedy-Attentate, an Kissingers Chiletricks und ähnliche Ungereimtheiten in der Wesenswelt der angelsächsischen Pyromanie.
Ich selbst las damals zur Erholung Balzazs tolldreiste Erzählungen und stieß dort auf eine dahin geworfene Trouvaille: "Es gibt zwei Arten von Geschichte: Die eine ist die offizielle, geschönte, jene, die gelehrt wird, eine Geschichte ad usum delphini; und dann ist da die andere geheime Geschichte, welche die wahren Ursachen der Ereignisse birgt, eine beschämende Geschichte."
In Moskau kotzte Jelzin die Duma voll, während die vom Stalinismus befreiten Länder der Balten, die Polen oder Tschechen sich darin überboten, den lupenreinen Demokraten aus Washington und London elegant outgesourcte Guantánamos anzubieten.
Die allmähliche Verwahrlosung des Journalismus
Uns Freien, sofern sie noch ein Funken Würde in sich verspürten und Reste eines Gewissens wurde ohne weitere Erklärung klargemacht, woher die Winde von nun an wehen. Es galt auf einmal, die Schönheit Deutschlands zu entdecken und überhaupt die Wiederbesinnung auf "konstruktive Themen" zu pflegen.
Dazu gehörte es auch, beim Honorar Abstriche zu machen, denn erbauliche und nette Sachen, die sind ja wie eine zweite Währung und auch gut für die Nerven. In den Redaktionen kratzten sich die seltsam verstimmten Kollegen bei so was wie politischen Themen am Köpfchen und schwärmten hingegen für "weiche" Sujets, wie etwa alles rund um Freizeit, Kuchenbacken, Yoga, Rumreisen auf Agenturkosten, so irgendwie Menschelndes halt, etwa über Klinsis Sommermärchen, wir hauen die Polen weg oder was in Richtung Landlustgartenlaubenmuff, so die Art Imkerglück.
Dankbar und rotbäckig griffen die von der Not verführten Kollegen zum vergifteten Honig - denn mit jedem Tag mehr wurde einem die alternativlose Situation deutlich.
Once upon a time lieferten Freie mehr als die Hälfte der Inhalte. Wir waren naturgemäß ein wenig frischer, flexibler und weisungsungebundener als festangestellte Kollegen. Doch nun waren wir plötzlich frei zum Abschuss, hurra Stahlgewitter, leider nie gelesen, aber Nazimist, und suchten die Fehler bei uns selbst. Dass die unsichtbare Trennung von Festen und Freien einem clever eingefädelten und übergeordneten System gehorchte, wurde nur ganz wenigen Betroffenen bewusst und die allermeisten kapieren es auch heute noch nicht.
Zwischen 1985 und 2001 hatte die große Säuberungswelle eingesetzt und die smarten Tortentänzer setzten die alljährlichen Bilderberg-Vorgaben subtil und perfide um. Sie zerstörten die Kommunikation zwischen Innen und Außen, sie verteilten das Wissen und schufen Misstrauen und Neid. Die Ideen von Freien wurden ignoriert, heruntergeputzt oder gleich gestohlen. Wer fragte oder gar drohte, hatte sich selbst erledigt. Selbst bei Redaktionen mit einem einst guten Ruf, bei der SZ, Zeit oder FAZ, wurde jedweder weiterführende Dialog abgewürgt. Im Zentrum der Kommunikationsbranche herrschte das bleierne Schweigen.
Parallel dazu wurden die Honorare halbiert und mit dem Aufkommen des Online-Journalismus noch weiter geschreddert. Heute kann ein freier Journalist kein menschenwürdiges Leben führen, wenn jenes allein von seiner Arbeit abhängt. Bei den geschätzt 30.000 Kollegen machten sich Frust, Wut, Resignation und Selbstzweifel breit und vor allem war da diese Angst, diese allumfassende Angst, die aktuell dazu führt, dass sich bei der SZ nach der eben erfolgten Kündigung des Karikaturisten Dieter Hanitzsch keine Solidaritätsbekundung erfolgt. Angst essen Seele auf.
Selbst Fritz Raddatz musste kurz vor seinem Tod feststellen, dass Menschen wie er plötzlich überflüssig waren, nervender Sondermüll, ein Greis von gestern. Er schrieb:
Alles Leben hat seine Grenze. Alles Erleben auch. Wem die Töne seiner Gegenwart nur mehr Geräusche sind, die Farben Kleckse, die Wörter klingende Schelle: Wo wäre dessen Legitimation zu lautem Klagelied (oder, sehr selten, leisem Lobpreis)? Ich spreche sie mir ab, fürderhin. Zu viele Gedichte sind mir nur mehr halbgebildetes Geplinker, zu viele gepriesene Romane nur mehr preiswerter Schotter. Der nicht mehr liebt, der räsoniere nicht. Liebeleere ist keine Qualität. Schon gar nicht für einen Kunstrichter. Also beende ich hiermit meine Zeitungsarbeit, die ich mit 21 Jahren begann: (…) Ich bin vor drei Wochen 83 geworden. Time to say goodbye. Goodbye.
Fritz Raddatz
Es geht mir mit diesen Bemerkungen lediglich darum, aus meinem Erleben heraus, Außenstehenden zu erläutern, wie sich die wuchernde Verwahrlosung des Journalismus in Schritten vollzog und wie aus Fitzgeralds Knacks ein Scherbenhaufen werden konnte.
Ab dem 12. September 2001waren Fragen nicht mehr gefragt
Nach 9/11 hielten natürlich noch ein paar Freundschaften dem Schisma stand und so trafen sich Freie und Feste privat, bei Bier- und Wurstfeiern oder den trostlosen Verleihungen schäbig dahinmanipulierter Journalistenpreise. In fast allen Fällen, so mein Erinnern, wurde der ökonomisch nahezu ruinierte Freie präventiv zugeschüttet mit dem Elend des Unfreien: Überlastung, Druck von allen Seiten, inhaltliche Verflachung, Mobbing, Intriganz, Angst vor Jobverlust, Outsourcing, Bespitzelung, Renditegier, Blabla.
Die immer seltener werdenden Kurzvisiten in den Verlagshäusern boten eher lächerlich- unerfreuliche Einblicke: Erwachsene Menschen starren auf Monitore und ihre stumpfen Augen suchen das eingerahmte Farbphoto, auf dem der Lebenspartner und Kleinwüchsige stumpf lächeln. Bald ist Freitag. Dann wird gegrillt. Mit Sven Lorig vom Moma. Also Höchststrafe.
Erkundigte ich mich in normaler Lautstärke nach dem Verbleib von diesem oder jenem Kollegen, zuckte der Angesprochene zusammen, legte den Finger auf den Mund oder deutete auf eine imaginäre Figur hin, irgendwo hinter einer Wand. Es war eine Stimmung wie damals in den Transitwirtshäusern der DDR, wo die halbe Ente mit Rotkraut 1.99 Ostmark kostete.
Der Taylorismus der Heuschreckenverlage hat zunächst dafür gesorgt, dass die unberechenbaren UFO-Autoren und dann schrittweise die unbequemen und ergrauenden Sesselhocker weggefegt wurden. In den vollklimatisierten Edelverlagen sichteten grenzwertig parfümierte McKinsey-Schnüffler und BWL-Psychopathen die Arbeitsverträge und empfahlen den CEOs möglichst elegant-kluge Abfindungs-verfahren.
Da stehen wir heute nun und allen, die von links oder recht Lügenpresse rufen, sei dies als Fußnote angefügt. Wer also heute, im heißen September 2018, den halbwegs integren Presseleuten so salopp wie berechtigt vorhält, ihre Seele verkauft zu haben und der Macht aus der Nato, Bundeskanzleramt, Monsanto oder CIA zu dienen, muss wenigstens wissen, dass die Strangulierung des Journalismus mit eben den Vorgängen von 9/11 einsetzte, bzw. beendet wurde. Nebenbei: Wer der offiziellen Verschwörung offen misstraute, war in absehbarer Zeit seinen Job los.
Wer die Nagelprobe der abgespalteten Identität nicht bestand, konnte seine Karriere als fester wie freier Journalist beenden. Wer nicht mit den degeneriert-traumatisierten Leitwölfen mitwimmerte, war erledigt. Ab dem 12. September 2001waren Fragen nicht mehr gefragt. Das Tabu begann seine Zaungäste zu verschlingen. Die Schizophrenie nahm Platz im Garten der Verwirrten.
Schritt für Schritt haben sich seit damals die Brüder und Schwestern der globalen Logen-Fake-News ins Geschehen eingemischt und via Atlantik-Brücke, Aspen-Institute, der Trilateralen Kommission und German Marshall Fund, den Bilderbergern, all diesen unerträglichen Thinktanks und regenbogenbunten NGOs wohltätiger Milliardäre die große Hirnwäsche eingeleitet. Hochbezahlte Edeltrolle tarnen sich als Historiker, Wissenschaftler, "Experten" und Neurowissenschaftler und verordnen der mittlerweile komplett paralysierten Republik je nach Tagesverfassung neue und diffuse Rezepte.
Unsere Gesellschaft ist militanter, intoleranter und unnachgiebiger als je zuvor. Es scheint nur noch eine Stimme zu geben, die, orchestriert von der Regierung und Armeesprechern, getragen von einem Clan loyaler Massenmedien wie den großen TV-Nachrichten-kanälen, den auflagenstarken Zeitungen und Websites, in jedem Winkel des Landes widerhallt. Nur diese eine Stimme wird gehört. Versuche, Widerspruch zu artikulieren, Fragen zu stellen, zu protestieren, eine andere Farbe einzubringen als die des Konsenses, werden bestenfalls lächerlich gemacht oder herablassend behandelt. In anderen Fällen werden Abweichler zum Ziel von Bedrohungen, Verleumdungen und Angriffen. Leute, die nicht ‘unsere Truppen unterstützen’, werden als Verräter betrachtet. Den Zeitungen, welche das Vorgehen der Armee hinterfragen, wird vorgeworfen, die Moral zu untergraben.
Der israelische Musiker und Romancier Assaf Gavron über die Verfassung seiner Heimat
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