UN-Generalsekretär spricht von Klimanotstand

Bild: Gerd Altmann/Pixabay

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Wissenslücken und anhaltenden Klimaprotesten

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Den Bundesbürgern ist der Klimawandel offensichtlich auch in Corona-Zeiten ziemlich wichtig. Das legt zumindest eine Meinungsumfrage der Open Society Foundation nahe, einer US-amerikanischen Stiftung, die unter anderem für ihre Unterstützung von NGOs in Osteuropa bekannt ist.

Über diese Aktivitäten kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein, aber die Befragung scheint repräsentativ durchgeführt zu sein, wie ein Bericht der Wochenzeitung Zeit vermuten lässt. 2.100 Deutsche zwischen 16 und 74 wurden für sie im August 2020 befragt.

Die Ergebnisse: 64 Prozent stimmten der Aussage zu "Wir sollten alles tun, was wir können, um den Klimawandel zu stoppen". Sechs Prozent rechnet damit, dass der Klimawandel ihr Leben "sehr schwierig" und "sehr mühsam" machen wird. 26 Prozent waren der Ansicht, dass er sich "tiefgreifend" auf ihr Leben auswirken und weitere 46 Prozent gehen davon aus, dass ihre sich "etwas verändern" wird.

Wenig überraschend machen sich jüngere Menschen etwas mehr Sorgen, doch die Unterschiede zwischen den Generationen sind auffallend klein. Die Abweichungen bei den Antworten bleiben im einstelligen Bereich der Prozentpunkte. Das mag daran liegen, dass die Jugendlichen mit den jungen Erwachsenen bis 34 in einer Gruppe zusammengefasst wurden.

Große Wissenslücken in der Bevölkerung

Zugleich offenbart die Umfrage noch immer große Wissenslücken in der Bevölkerung. Nur 61 Prozent hatten zum Beispiel erkannt, dass die Behauptung falsch ist, unter den Klimawissenschaftler gebe es zwei gleich große Lager in der Frage, ob der Klimawandel von Menschen verursacht ist. Tatsächlich gibt es unter den Forschern in dieser Frage einen sehr großen Konsens.

Auch ist nur einer Minderheit bewusst, dass es vor allem darauf ankommt, die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Kohle, Erdöl und Gas zu reduzieren. Gefragt nach den individuellen Verhaltensänderungen mit dem größten Potenzial zur Emissionsvermeidung, rangiert Mülltrennung und -vermeidung mit 28 Prozent ganz oben. Diese ist zwar wichtig, aber überwiegend aus anderen Gründen.

Danach kommt mit 27 Prozent das Fliegen, was allerdings nur eine Minderheit der Bevölkerung in größerem Umfang macht. Der Luftverkehr ist ungefähr für acht Prozent des deutschen Beitrags zum Klimawandel verantwortlich. Der Straßenverkehr hingegen für 17 Prozent.

Dennoch ist nur einer kleinen Minderheit von 13 Prozent der Befragten klar, dass sie mit weniger Autofahren einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Andererseits gibt aber 63 Prozent der Befragten an, weniger Auto fahren zu wollen und weitere 16 Prozent haben es vor.

Mehr Engagement und Bewegung?

Interessant ist derweil, der politische Stellenwert, den der Klimaschutz für die Wähler hat. Je rund ein Viertel der Befragten gibt an, eine Partei aufgrund ihrer Aussagen zum Klimawandel zu wählen oder es künftig vorzuhaben.

Laut Umfrage vertritt des Weiteren mehr als die Hälfte der Bundesbürger (56 Prozent) die Ansicht, dass Klimaschutz eines der drei wichtigsten Anliegen der Bundesregierung sein sollte. Selbst unter den Unionsanhängern sind dies noch 51 Prozent, bei den SPD-Wählern 61, bei denen der Linken 68 und bei denen der Grünen gar 85 Prozent.

Auch das direkte Engagement ist bemerkenswert. Immerhin elf Prozent der Befragten gab an, bereits einmal an einem Umweltprotest teilgenommen zu haben und weitere 18 Prozent planen es für die Zukunft.

Dann könnten nach der Pandemie die Fridays-for-Future-Proteste wieder stärkeren Zulauf bekommen? Vor etwa zwei Jahren hatte es den ersten Schulstreik in Deutschland gegeben und im Sommer 2019 dann eine der größten Demonstrationen in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik.

Aber auch unter Corona-Bedingungen ging es in den letzten Monaten weiter. Zum Beispiel an der Autobahnstelle im mittelhessischen Dannenröder Forst oder mit Fahrraddemonstrationen in verschiedenen Städten am vergangenen Samstag.

Zum einen sollte Solidarität mit den Protesten in Hessen zum Ausdruck gebracht und zum Teil auch auf örtliche Autobahnpläne hingewiesen werden, zum anderen wollte auf den fünften Jahrestag des UN-Klimavertrags in Paris aufmerksam machen. Mehrere Tausend Menschen hatten sich dafür unter anderem in Potsdam und Berlin, in Kiel, Hamburg, Halle, Lüneburg und einer Reihe anderer Städte aufs Rad geschwungen.

Die Pariser Klimaübereinkunft, an die die radelnden Demonstranten erinnerten, war am 12.12.2015 in Paris unterzeichnet worden. Die französische Regierung hatte seinerzeit versucht - vor dem Hintergrund der terroristischen Anschläge vom 13. November 2015 -, alle Proteste von Klimaschützern zu unterbinden und einige bekannte Organisatoren sogar unter Hausarrest gestellt. (Paris: Aktion gegen das Versammlungsverbot und für das Klima.)

Wenig verbindlich

Dennoch beruft sich insbesondere die neue Generation der Klimaschützer immer wieder auf das Dokument und das mit gutem Grund: Wenn es alles in allem sehr unverbindlich ist, so enthält es doch eine wichtige Zielvorgabe. Und es sicherlich sinnvoll, die Regierungen immer wieder daran zu erinnern.

Der wichtigste Satz des dünnen Textes ist nämlich das in Artikel 2 formulierte Ziel, "den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu beschränken, anerkennend, dass dadurch die Risiken und Auswirkungen des Klimawandels signifikant gemindert würden".

Die Vertreter von 195 Staaten sowie der EU haben diese Vereinbarung seinerzeit unterschrieben. 189 Vertragsparteien haben sie ratifiziert, wobei die USA später wieder ausgetreten sind. Allerdings hat der künftige US-Präsident Joe Biden angekündigt, "am ersten Tag seiner Amtszeit" wieder beitreten zu wollen, was er ohne Unterstützung des Parlaments machen könnte.

Das Abkommen stellt nämlich nur ein sogenanntes agreement da, ein Übereinkommen. In der Nomenklatur der Vereinten Nationen hat es damit die niedrigste Verbindlichkeitsstufe. Für gewöhnlich werden derartige Vereinbarungen nur für zweitrangige technische Details geschlossen. Doch in diesem Falle haben sie den Vorteil, dass der US-Präsident sie per Verordnung und ohne Mitsprache seines Parlaments ratifizieren kann.

UN-Generalsekretär sieht Klimanotstand

Ansonsten sieht der Vertrag für die Mitgliedsstaaten keinerlei konkrete Verpflichtungen zur Verminderung der Treibhausgasemissionen vor. Das genannte Ziel soll allein über Selbstverpflichtungen, sogenannte Nationally Determined Contributions, erreicht werden. In denen werden Versprechen über den Ausbau der erneuerbaren Energieträger und ähnliches gemacht.

Alle fünf Jahre sollen die Fortschritte überprüft und neue Selbstverpflichtungen abgegeben werden. Am vergangenen Wochenende sind tatsächlich auf einem virtuell abgehaltenen UN-Klimagipfel einige Versprechungen gemacht worden. UN-Generalsekretär António Guterres hatte bei der Gelegenheit, auf die steigenden Temperaturen verweisend, die Staaten der Welt aufgefordert, einen Klimanotstand auszurufen. Hier erläutert er seinen Vorschlag auf einer Pressekonferenz.

Sollten die verkündeten Selbstverpflichtungen tatsächlich umgesetzt werden, würde sich die Weltgemeinschaft zumindest dem in Paris gesetzten Ziel etwas annähern. Doch vom 1,5-Grad-Ziel ist man selbst in den gesteckten Zielen noch sehr weit entfernt.

Und auch in der realen Welt außerhalb der Konferenzsäle und Video-Chats. Die Erwärmung ist ungebremst, der November war, wie berichtet, der wärmste November eit Beginn der Aufzeichnungen, und im Augenblick sieht es ganz so aus als werde 2020 mit 2016 gleichziehen, das bisher das wärmste Jahr in den Temperaturaufzeichnungen war. Die nächstwärmsten Jahre waren 2019, 2017, 2015 und 2018.