UN-Sanktionen gegen Drahtzieher des Schleppergeschäfts
Auch der Chef der libyschen Küstenwache in al-Sawija ist dabei. Damit stellen sich auch politisch unangenehme Fragen nach den Verbindungen Italiens und der EU zu dubiosen Figuren und Netzwerken
Der UN-Sicherheitsrat hat am Donnerstag Sanktionen gegen sechs wichtige Figuren im Schleuser- und Schlepperbusiness in Libyen und Eritrea verhängt. Mit den Sanktionen sollen ihre Guthaben auf Bankkonten eingefroren und internationale Reisen unterbunden werden. Jedenfalls werden Bankgeschäfte und Grenzübergänge für die vier Libyer und zwei Eritreer sehr viel schwieriger, wenn nicht gar teilweise unmöglich.
Der politisch schmerzempfindliche Punkt liegt in der Rolle Italiens und der EU, die mit zwei der sechs Drahtzieher in Verbindung gebracht werden können. Dass Italien auf der Liste der Organisationen und Länder fehlt, die von den Niederlanden als Unterstützer genannt werden, die Materialien, Hintergründe und Nachweise beigebracht haben, ist ebenfalls ein stiller, aber beredter Hinweis darauf, dass hier politisch Unangenehmes im Spiel ist.
Die Niederlande haben die Entscheidung des UN-Sicherheitsrates - "das erste Mal, dass die UN Sanktionen gegen Menschenhändler verhängt" - vorangetrieben. Dabei habe man eng mit Frankreich, Deutschland, Großbritannien und den USA zusammengearbeitet. Die niederländische Staatsanwaltschaft habe sich der Berichte von wichtigen NGOs, krimineller Ermittlungen und der UN bedient, informiert die niederländische Regierung zum Hintergrund der Sanktionen.
Abd al-Rahman al-Milad und Ahmad al-Dabbashi
Die problematischen Fälle für die EU und Italien heißen Abd al-Rahman al-Milad und, in einem geringeren Maß, Ahmad al-Dabbashi. Beide sind, wie die Informationen auf den Sanktions-Dokumenten für al-Milad und al-Dabbashi ausweisen, nicht nur mit dem Schleppergeschäft, sondern auch eng mit brutalen Gewalttätigkeiten verknüpft; Dabbashi werden auch Kontakte zum IS vorgeworfen.
Inwieweit beide in Kontakt mit Italien stehen und mit der EU ist die Schlüsselfrage. Abd al-Rahman al-Milad gehört zur libyschen Küstenwache und al-Dabbashi ist Chef einer Miliz, von der es im vergangenen Jahr hieß, dass sie aufgrund von Geldzahlungen aus italienischen Quellen die Seiten gewechselt habe und sich nun dafür einsetze, das Ablegen von Booten aus Sabratha zu verhindern (Libyen: Warlords sollen Europas Grenzen schützen?). Dem folgten Kämpfe zwischen rivalisierenden Milizen.
Die italienische Regierung, der unter Führung des seinerzeitigen Innenminsters Marco Minniti der Vorwurf gemacht wurde, Hinterzimmerdeals mit der al-Dabbashi-Miliz getätigt zu haben, bestritt dies vehement.
Wie auch Abd al-Rahman al-Milad, alias al-Bija, die Vorwürfe gegen ihn abstreitet. Davon berichtete die Washington Post schon im Sommer letzten Jahres. Schon damals war davon die Rede, dass al-Milad "direkt in den Gebrauch von Feuerwaffen involviert sei, um Boote von Migranten zu versenken". Dieser Vorwurf taucht auch wörtlich im UN-Sanktions-Dokument auf.
Verbindungen zu brutalen Lagern
Der Hauptvorwurf gegen al-Milad besteht darin, dass er als Chef der libyschen Küstenwache in az-Zawiya (auch al-Sawija) brutal gegen Migranten "und andere Schlepper vorgeht", interpretiert wird letzteres als Kampf gegen Konkurrenten. Dazu kommt, dass die Miliz al-Nasr Brigade, die al-Milad verbunden ist, für die Aufsicht des berüchtigten al-Nasr-Haftlagers zuständig ist. Das ist dafür berüchtigt, dass Migranten dort brutal behandelt werden. Die libysche Küstenwache ist dafür bekannt, dass sie Migranten wieder nach Libyen zurück bringt, was häufig dazu führt, dass diese in grauenhaften Lagern landen.
Al-Milad meinte gegenüber der Washington Post, dass bei den Vorwürfen "Verwechslungen" vorliegen würden, da sich andere Gruppen der Uniformen seiner Leute bedienen.
Italien und die EU kommen bei al-Milad ins Spiel, weil sie - im Fall Italiens sehr eng - mit der italienischen Küstenwache zusammenarbeiten. Laut Financial Times sagte die EU, dass al-Milad nicht an ihrem Ausbildungsprogramm teilgenommen hat. Ob Leute seiner Einheit von der EU ausgebildet wurden, darüber gibt es keine Informationen.
Italien will damit nichts zu tun haben
Die anderen vier Personen Ermias Ghermay, Fitiwi Abdelrazak, Mus’ab Abu-Qarin und Mohammed Kachlaf werden als Akteure geschildert, die im Geschäft mit der Migration in Afrika und Nordafrika eine zentrale Rolle spielen.
Der neue italienische Innenminister Matteo Salvini erklärte, dass Italien mit dubiosen Händlern nichts zu tun haben wolle.