US-Budget: Obamas Brief an den Osterhasen

Obamas Budgetplan für 2016 sieht höhere Steuern und ein nur kurzfristig niedrigeres Budgetdefizit vor. Der Präsident muss auf den Osterhasen hoffen, denn im Parlament lacht man über seinen Plan

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Vier Billionen US-Dollar. So viel werden die Vereinigten Staaten von Amerika auf Bundesebene im Finanzjahr 2016 ausgeben, wenn es nach Präsident Barack Hussein Obama geht. Bloß tut es das nicht. Sein Budgetentwurf hat zwar mediale Aufmerksamkeit erhalten, wird im US-Parlament aber nicht ernst genommen. Es muss nicht einmal darüber abgestimmt werden.

Bild: Weißes Haus

Mick Mulvaney, ein der republikanischen Partei angehörender Repräsentant, macht sich jährlich den Spaß, einen Antrag einzubringen, der im Wesentlichen auf dem Vorschlag des Weißen Hauses beruht. So erzwingt Mulvaney eine Abstimmung. Und Obamas Budgetvoranschlag für 2015 erhielt auch tatsächlich zwei Fürstimmen. Bei 413 Nein-Stimmen.

Prozentuell gesehen war das eine unendliche Verbesserung gegenüber der Abstimmung über Obamas Budgetvorschlag für 2012. Der wurde nämlich mit Null zu 414 Stimmen abgelehnt. 2013 gab es keine Abstimmung. Das Weiße Haus hatte die rechtlich vorgesehene Frist für die Vorlage seines Budgetvorschlags nicht eingehalten. Also wollte Mulvaney ein leeres Blatt Papier zur Abstimmung bringen lassen; mit diesem Ansinnen kam er aber nicht durch.

Wahlkampf

Natürlich ist Obama die Aussichtslosigkeit seines "Budgets" bewusst. Aber er ist rechtlich zur Vorlage verpflichtet. Und ein Großteil des Budgets schreibt sich von selbst. Die Sachzwänge, eh schon alle wissen. Im Vergleich zum Gesamtvolumen ist der politische Spielraum bescheiden. Gerade dieser Teil erregt aber Aufmerksamkeit und eignet sich daher für den Wahlkampf der Partei des Präsidenten. Der Wahlkampf läuft längst, obwohl erst im Herbst 2016 gewählt wird.

"Die Ideen, die ich in diesem Budget anbiete, sind dazu entworfen, die Mittelschicht wirtschaftlich in das 21. Jahrhundert zu bringen", schreibt Obama im Begleitbrief zu seinem Budgetentwurf 2016, "Die Vorschläge sind praktikabel, nicht parteiisch." Papier ist geduldig. Denn in Wahrheit sind seine "Ideen" eher dazu geeignet, die frisch angetretene republikanische Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments zu provozieren.

Während die Republikaner seit Langem "weniger Staat" und "weniger Steuern" predigen, wünscht Obama ein noch größeres Budget und deutliche Steuererhöhungen. Im Vergleich zu 2014 (3,5 Billionen) wäre sein 2016er-Haushalt mit vier Billionen Dollar um ein Siebtel oder knapp eine halbe Billion Dollar größer. Der Vergleich mit dem laufenden Finanzjahr 2015 ist schwierig, weil dieses Budget nach wie vor nicht vollständig ist.

Steuererhöhungen

Zwar geht das geplante Defizit leicht von 485 Milliarden (2014) auf 474 Milliarden (2016) zurück. Das geht aber nur dank großzügiger Steuererhöhungen: Das Volumen der föderalen Einkommensteuer soll um knapp ein Fünftel steigen, von 1,4 auf 1,65 Billionen Dollar, was zum Teil auch der kalten Progression geschuldet ist.

Das vergleichsweise moderate föderale Verbrauchssteueraufkommen soll um gut ein Fünftel anschwellen (von 93 auf 112 Milliarden). Unter Obamas Ägide stieg die föderale Steuer pro Zigarettenpackung von 39 auf 101 Cent, nun möchte er sie auf 194 Cent weiter erhöhen.

Das Volumen der föderalen Körperschaftssteuer schießt in dem Vorschlag sogar fast um die Hälfte nach oben, von 321 auf 473 Milliarden. Das ist ein rotes Tuch für viele Abgeordnete, nicht nur der republikanischen Partei. Denn die USA haben mit rund 40 Prozent bereits jetzt die höchste Körperschaftssteuerrate aller Industrienationen.

Zunächst greifen die Kommunen und Staaten mit unterschiedlichen Steuersätzen zu, dann die Föderation mit 35 Prozent. In Summe macht das etwa 40 Prozent. Bei der Ausschüttung an die Aktionäre werden die Gewinne übrigens noch einmal besteuert: Die Aktionäre müssen darauf Einkommensteuern zahlen.

In seiner wöchentlichen Ansprache am 7. Februar ging es auch um die "Mittelschichtsökonomie" des Haushaltentwurfs. Bild: Weißes Haus

Weltweite Sofortsteuer

Im Unterschied zu den meisten anderen entwickelten Staaten besteuern die USA auch im Ausland erwirtschaftete Gewinne. Bisher erfolgt das aber erst, wenn das Geld in die USA transferiert wird. Also bleibt das Geld oft im Ausland und wird dort reinvestiert.

Die weltweite Besteuerung (die im Übrigen auch US-Staatsbürger bei der Einkommensteuer trifft), ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für US-Unternehmen gegenüber ausländischen Mitbewerbern. Deren Gewinne werden in der Regel nur dort besteuert, wo sie anfallen. Obama will diesen Nachteil noch weiter verstärken: Zwar schlägt er eine Senkung des föderalen Steuersatzes von 35 auf 28 Prozent vor, will aber gleichzeitig alle im Ausland erwirtschafteten Gewinne mit 19 Prozent besteuern. Egal, ob sie in die Vereinigten Staaten transferiert werden oder nicht.

Die bereits von anderen Regierungen eingenommenen Körperschaftssteuern sollen zumindest teilweise anrechenbar sein. Steueroasen würden rapide an Attraktivität verlieren. Doch selbst in der EU gibt es Staaten mit niedrigeren Körperschaftssteuersätzen. Estland besteuert beispielsweise erst bei der Ausschüttung, während Irland 12,5 Prozent verrechnet. Belgien, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Portugal, Spanien, Ungarn und Zypern werben mit speziell niedrigen Sätzen für Gewinne aus der Lizenzierung von Immaterialgüterrechten um ausländische Investoren. In Malta und Zypern winkt dafür sogar Steuerfreiheit.

Rückwirkende Steuer

Der Teufel von Obamas Steuerplan würde in den Details der Umsetzung stecken. Wäre etwa die von deutschen Kommunen eingehobene Gewerbesteuer anrechenbar? Oder der Solidaritätszuschlag? Wie unterscheiden sich die Berechnungsmethoden?

Alle bereits bisher gemachten Auslandsprofite möchte der US-Präsident mit einmalig 14 Prozent besteuern. Größter Zahler wäre hier wohl General Electric. Der Konzern hat über 100 Milliarden Dollar im Ausland liegen.

Obamas Budgetvorschlag sieht vor, die zusätzlichen Einnahmen aus der Körperschaftssteuer in die Transportinfrastruktur zu stecken. Sie ist auch den Republikanern ein Anliegen. Dennoch ist es kaum vorstellbar, dass sie diese Steuersätze beschließen. Sie diskutieren über einstellige Prozentzahlen.

Wie man kein Budget macht

Die Beschlussfassung über ein US-Bundesbudget ist ein mühsamer, historisch gewachsener, Vorgang, der in der Realität nicht funktioniert. Das eigentliche US-Bundesbudget wäre eine übereinstimmende Resolution von Repräsentantenhaus und Senat, den beiden Kammern des Parlaments. Der Präsident hätte dabei kein Vetorecht.

Diese Resolution ist aber nicht bindend. Sie ist vielmehr ein Rahmen, den sich das Parlament selbst gibt. Senat und Repräsentantenhaus haben jeweils einen Zuteilungs-Ausschuss, die jeweils zwölf thematische Unterausschüsse haben. Gibt es übereinstimmende Resolutionen, sollen die Unterausschüsse das ihrem Tätigkeitsbereich zugewiesen Geld auf Regierungsprogramme aufteilen. Dafür muss jeder Unterausschuss einen Gesetzesantrag ausarbeiten.

Diese zwei mal zwölf Anträge müssen dann von beiden Kammern gleichlautend beschlossen und vom Präsidenten unterschrieben werden. Erst hier kann er sein Veto einlegen, was aber zur Folge hätte, dass die jeweiligen Ressorts gar kein neues Budget hätten. Seit 1976 ist es dem US-Parlament nur vier Mal gelungen, alle zwölf Budgetgesetze rechtzeitig vor dem 1. Oktober zu beschließen. An diesem Tag beginnt immer das neue Finanzjahr, das die Jahreszahl des folgenden Kalenderjahres trägt. Das Finanzjahr 2016 beginnt also am 1. Oktober 2015.

Doch schon seit Jahren hat es nicht einmal die Ausgangsbasis gegeben. Der von Demokraten dominierte Senat und das von Republikanern dominierte Repräsentantenhaus konnten sich nie auf eine gleichlautende Resolution einigen. Einige Jahre lang machte sich der Senat nicht einmal mehr die Mühe, überhaupt eine Budgetresolution zu beschließen. Das Parlament hilft sich mit Provisorien, so genannten Continuing Resolutions, über die Runde.

Da die Republikaner seit einigen Wochen beide Kammern dominieren, könnte für das Finanzjahr 2016 tatsächlich eine übereinstimmende Resolution gelingen. Sie wäre dann die Arbeitsgrundlage für die zwei mal zwölf Unterausschüsse. Aber bitte wetten Sie nicht darauf, dass diese Resolution so aussieht wie Obamas Entwurf.