US-Drohnenbranche veröffentlicht Verhaltenskodex
Mit windelweichen und vagen Absichtserklärungen soll die Öffentlichkeit beruhigt werden, um die geplante Öffnung des zivilen Luftraums nicht zu gefährden
Wie in Deutschland und Europa wird auch in den USA die Öffnung des zivilen Luftraums für Drohnen von interessierter Seite ebenso ungeduldig erwartet, wie Kritiker nicht nur vor neuen Verletzungen der Privatsphäre warnen, sondern auch vor den vielfältigen Risiken, die durch legale und illegale Bewaffnung von Drohnen entstehen können. Die Drohnenhersteller haben nun einen Verhaltenskodex veröffentlicht, um die Menschen zu beruhigen.
Im Februar wurde in den USA von US-Präsident Barack Obama der Modernization and Reform Act of 2012 unterzeichnet, um ähnlich wie in Deutschland (Bundestag genehmigt den Einsatz von Drohnen) den nationalen Luftraum grundsätzlich für Drohnen zu öffnen. Das Gesetz gibt Eile zu erkennen. Innerhalb von 270 Tagen sollen Transportministerium und Industrie einen Plan für die sichere Einführung von Drohnen in den zivilen Luftraum und zur Integration der bemannten und der unbemannten Luftfahrt vorlegen - eine Anforderung, die durch Drohnen gefährdete Privatsphäre zu schützen, fehlt auffällig.
Das rief Kritiker auf den Plan. Dringend müsse geregelt werden, wer mit welchen Kameras und Sensoren (Infrarot, Wärmebild, Gesichtserkennung, WiFi-Sniffer) über welchen Gebieten Daten sammeln kann bzw. wann eine richterliche Genehmigung erforderlich ist. Das Center for Democracy and Technology kritisiert zudem zahlreiche offene Punkte, wozu etwa auch eine Regelung gehöre, ob Drohnen von Sicherheitsbehörden im Inland bewaffnet werden können.
Auffällig ist, dass die Luftfahrtbehörde FAA keine Regulierung für Modellflugzeuge bis zu einem Gewicht von 27 kg erlassen soll. Diese Drohnen dürfen, entsprechend der deutschen Regelung, wenn sie dem Hobby oder Freizeitanwendungen dienen, von jedermann im Rahmen einer kommunalen Genehmigung verwendet werden, wenn sie in Sichtweite geflogen werden. Kritiker sehen dies als eine Freikarte für Experimente mit Drohnen, die sich schließlich auch wie Waffen einsetzen lassen. Und sie monieren eine kaum nachvollziehbare Inkonsistenz mit anderen Vorsichtsmaßnahmen: "Mit welcher Logik hindern wir beispielsweise Flugpassagiere daran, 200-ml-Plastikwasserflaschen durch Sicherheitschecks mitzunehmen, während jedermann, der dies will, eine 25 kg schwere, Video-gesteuerte Drohne fliegen lassen kann, ohne dass Fragen gestellt werden?"
In den USA werden bereits Drohnen zur Grenzüberwachung eingesetzt, auch zahlreiche Polizeien verfügen über Drohnen unterschiedlicher Größe, die teils auch mit Waffen ausstattbar sind. So hat sich das Montgomery County Sheriff's Office in Houston letztes Jahr für 300.000 US-Dollar eine ShadowHawk-Drohne gekauft, einen 16 kg schweren, 2,4 Meter langen Hubschrauber, der mit einer optischen Kamera und einer Infrarotkamera ausgestattet ist, aber auch mit Granatwerfern oder automatischen Gewehren ausgerüstet werden kann. Der Hersteller preist an, dass für die Polizei statt der militärischen Waffen vielleicht eher Taser-Schockwaffen oder Gewehre in Betracht kämen, die "bean bags", also mit Schrot gefüllte Beutel abfeuern. Mit Elektroschockwaffen könne man jemanden von einem Flugzeug aus angreifen und handlungsunfähig machen.
Um solchen Diskussionen zuvorzukommen und sich das erwartete Geschäft nicht vermiesen zu lassen, hat nun der Drohnenverband (Association for Unmanned Vehicle Systems International - AUVSI) einen Verhaltenskodex zusammengezimmert. Er soll eine Anleitung für diejenigen bieten, die Drohnen für den zivilen und staatlichen Gebrauch herstellen, entwerfen, testen und betreiben, damit sie sicher und "non-intrusive" eingesetzt werden und so das Gedeihen der Branche nicht gefährdet ist. Das Motto ist: "Sicherheit, Professionalismus und Respekt", wozu irgendwie auch Verantwortung zählt. Schließlich sei der Heraufkunft von unbemannten Flugsystemen "eine der wichtigsten Fortschritte der Luftfahrt, der Wissenschaft und der öffentlichen Dienste seit Beginn der Luftfahrt", so preist Michael Toscano, Präsident von AUVSI, seine Branche an.
Mit dem Verhaltenskodex soll sich die Drohnenbranche etwa verpflichten, dass die unbemannten Flugzeuge nur von ausgebildeten Piloten und nach Risikobewertungen eingesetzt werden sollen. Unter Professionalismus wird verstanden, was schon zu denken gibt, dass die Gesetze eingehalten werden. Beim Respekt heißt, man werde die Rechte der Menschen auf Privatsphäre achten, aber auch die "Rechte anderer Nutzer des Luftraums". Zudem werde man die Sorgen der Gesellschaft achten. Näheres liest man nicht.
Die Frage ist, wen man mit dieser heißen Luft eigentlich beeindrucken will. Toscano meint, man würde so der Öffentlichkeit versichern können, dass "die Rechte der Menschen und die Sicherheit aller Benutzer des zivilen Luftraums unsere höchste Priorität" seien. Auf die problematischen Seiten geht der Verband schon gar nicht ein. Drohnen, so feiert er die Technik, würden die Kräfte der Menschen erweitern und ihnen ermöglichen, gefährliche Aufgaben sicher zu bewältigen. Drohnen, so wird das Bild gemalt, helfen und retten, fliegen in einen Luftraum, der für bemannte Flugzeuge zu gefährlich ist, fördern die Wissenschaft und sparen der USA, wer immer das ist, Zeit, Geld und Menschenleben.
Natürlich wird von dem Verband nicht erwähnt, dass erst letzte Woche Todd Humphreys mit seinem Team von der University of Texas im Auftrag des Heimatschutzministeriums vorführen konnte, wie sich mit geringen Mitteln ein GPS-System einer zivilen Drohne der Firma Adaptive Flight hacken ließ. Die Wissenschaftler waren in der Lage gefälschte GPS-Signale zu senden, um den Flug der Drohne zu verändern. Während militärische Drohnen verschlüsselte GPS-Systeme haben, seien die der zivilen Drohnen "vollständig offen". Das würde allerdings auch für die GPS-Systeme in der kommerziellen Luftfahrt, bei den Handys und in Googles unbemannten Autos gelten.