US-Präsident Bush bestätigt und rechtfertigt die geheimen CIA-Gefängnisse und die Verhörmethoden

Mit einem geschickten Schachzug versucht die US-Regierung im Wahlkampf, sich als gesetzestreu darzustellen und den Kongress unter Druck zu setzen

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In seiner Rede am Mittwoch hat US-Präsident erstmals die Existenz von Geheimgefängnissen außerhalb der USA bestätigt. 14 Gefangene, die seit Jahren dort festgehalten und mit Anwendung von Folter verhört wurden, wurden nun nach Guantanamo gebracht und sollen dort nach den Regeln der Genfer Konventionen behandelt und schließlich vor ein Gericht gestellt werden, wenn der Kongress dazu den rechtlichen Rahmen setzt. Überdies trat für das Militär das neue Feldhandbuch in Kraft, das Folter verbietet. Trotz des Anscheins, die vielfach kritisierte Praxis der außerrechtlichen Behandlung von „feindlichen Kämpfern“ damit beenden zu wollen, versucht die Bush-Regierung nur, vor den anstehenden Wahlen das nach Gerichtsurteilen unbedingt Notwendige zu machen oder die Verantwortung auf den Kongress abzuwälzen, um nach der weltweiten Kritik zu demonstrieren, dass die USA unter der Bush-Regierung eine „nation of law“ gebliebn ist. Die Rede ist Teil einer Kampagne, in der Vorwahlzeit den Krieg gegen den Terrorismus wieder in den Mittelpunkt der Politik zu stellen (Al-Qaida und Iran, Bin Laden und Hitler/Lenin).

Foto: Weißes Haus

Zu den 14 Gefangenen, die nun nach Guantanamo gebracht wurden, gehören Abu Subaida, sogenannter Militärchef von al-Qaida, Chalid Scheich Mohammed (KSM), mutmaßlicher Planer der Anschläge vom 11.9., und Ramsi Bin al-Schibb, der als Mitverschwörer der sogenannten Hamburger Zelle gilt. Die restlichen Namen nannte Bush nicht. Zwar räumte er ein, dass die CIA Geheimgefängnisse unterhält, um dort Verdächtige festzuhalten und zu verhören, sagte aber nicht, wo sich diese befinden bzw. befanden. Vermutlich wurden nun nur einige der bekannten Gefangenen, die zumindest eine Zeitlang in einem Gefängnis in einem EU-Staat festgehalten und die man dann nach Bekanntwerden schnell verlegt hatte, nach Guantanamo gebracht.

Dass die Gefangenen nicht nur verhört, sondern auch gefoltert wurden, ist bekannt (Die genehmigten harten Verhörtechniken der CIA). Aus ihnen ist, wie Bush selbst sagte, nichts mehr herauszuholen, zumal sich das al-Qaida-Netzwerk seit ihrer Gefangennahme weitgehend verändert hat. Die Aussagen von Bin al-Schibb und Chaild Scheich Mohammed spielten auch eine Rolle bei den Hamburger Terrorprozessen, wurden dort aber nicht akzeptiert und sollen keine wichtigen Informationen enthalten haben. Welche Anschläge angeblich durch die erzwungenen Aussagen etwa von Subaida verhindert worden sein sollen, sagte Bush auch nicht. Stets betont Bush, der Grund für die weitere Geheimhaltung sei die Gewährleistung der nationalen Sicherheit, da man den Terroristen keine für sie nützlichen Informationen geben dürfe. Mysteriös bleibt etwa, dass man aufgrund der Aussagen von KSM angeblich ein „al-Qaida-Programm zur Entwicklung von biologischen Waffen“ gestoppt haben will. Auch andere Anschlagsverhinderungen mögen stattgefunden haben oder auch nicht.

Bush sagte weder, wo sich das Geheimgefängnis befand, noch ob und wo es weitere gibt. Er sagte auch kein Wort darüber, ob in den Gefängnissen weitere Personen verschwunden sind. Nach der Rechtfertigung der Praxis, Verdächtige festzunehmen und sie in geheimen Gefängnissen zu Verhören festzuhalten, bis man sie vielleicht vor Gericht stellt, wenn die Regierung dies für richtig erachtet, kann man davon ausgehen, dass die US-Regierung auch weiterhin so verfahren wird. Ausdrücklich billigte Bush auch die angewandten Verhörmethoden, von Bush „alternative set of procedures“ genannt. Sie seien nicht nur notwendig gewesen, um wichtige Informationen aus den Gefangenen herauszuholen, die sich zu sprechen weigerten, sondern auch „sicher“ und konform mit den Gesetzen der USA und der Verfassung sowie mit den internationalen Abkommen. Derartige gesetzeskonforme Verhör- oder Foltermethoden – bekannt ist, dass Chalid Scheich Mohammed zumindest der Prozedur unterzogen wurde, wiederholt an ein Brett gefesselt in Wasser getaucht zu werden – sollen nur zwar für das Militär nicht mehr möglich sein, die CIA und andere Geheimdienstmitarbeiter werden sie aber weiterhin anwenden dürfen. Das Justizministerium hätte die Methoden, die Bush ebenfalls nicht nennen wollte, als rechtmäßig charakterisiert. Tatsächlich ist nach den auch unter dem jetzigen Justizminister Gonzales erfolgten Rechtsgutachten bei „feindlichen Kämpfern“, die als Outlaws gelten, fast alles möglich (Die US-Regierung und die Folter). Daher kann Bush auch weiterhin versichern, dass er niemals Folter gebilligt habe.

The CIA Program Has Been, And Remains, One Of The Most Vital Tools In Our War Against The Terrorists. Questioning of detainees in the program has given us information that has saved innocent lives by helping us to stop new attacks in America and abroad.

Fact Sheet: Bringing Terrorists to Justice

Mit der Überführung einer kleinen Gruppe von Gefangenen, die der Führungsgruppe von al-Qaida zugerechnet werden, nach Guantanamo dürfte Bush vor allem zwei Ziele verfolgen. Zunächst ist damit die Schließung von Guantanamo kein Thema mehr. Bush wiederholt, dass hier gefährliche Terroristen festgehalten werden, keine willkürlich festgenommenen Personen, wie es wohl bei der Mehrzahl der Fall ist. Dass immer noch viele Gefangene festgehalten werden, sei vor allem Schuld der Länder, die sie nicht aufnehmen wollen. Mit der Ankündigung, die 14 auch vor neu zu schaffende Militärgerichte stellen zu wollen, wenn der Kongress einen rechtlichen Rahmen dafür setzt – und zwar in den nächsten Wochen -, kann nun Druck auf den Kongress ausgeübt werden, der einen Ausweg finden soll oder den man beschuldigen kann, sich vor Entscheidungen zu drücken. Vor allem die Demokraten geraten damit in ein Dilemma, zumal man kaum davon ausgehen kann, dass der Kongress vor den Wahlen zu einer Entscheidung kommen wird.

Der Vorschlag des Weißen Hauses für solche Militärgerichte würde den Angeklagten sehr viel mehr Rechte als bisher gewähren, aber es bleibt ein Militärgericht, auch wenn der Prozess weitgehend offen geführt, der Angeklagte einen Anwalt haben und Berufung einlegen kann. Der Druck auf den Kongress ist auch deshalb so hoch, weil damit erstmals Personen der Prozess gemacht würde, die verdächtig werden, an der Planung oder Organisation der Anschläge vom 11.9. beteiligt gewesen zu sein. Gleichzeitig will nämlich Bush dem Kongress damit eine Entscheidung abringen, dass Terrorverdächtige keine Klagen gegen US-Angehörige wegen Misshandlungen einreichen können und dass der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen in dem Punkt, der die „Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung“ verbietet, zum Schutz der Soldaten und Geheimdienstangehörigen präzisiert werden müsse. Was auf den ersten Blick gut klingt, erweist sich, wie die Washington Post kommentiert, als geschickter Schachzug, um die geschaffenen Sonderregelungen im Krieg gegen den Terrorismus nun weitgehend zu legalisieren:

Indeed, the bill he sent to Congress would largely authorize the system the administration created on its own after Sept. 11, 2001. It would allow military commission trials modeled principally on the ad hoc ones the military set up unilaterally. It would define compliance with Common Article 3 of the Geneva Conventions -- which prohibits certain cruel and humiliating treatment of detainees -- so as to allow categories of conduct the article clearly forbids. It would limit war crimes prosecutions for violations of Common Article 3 to certain specified serious violations. And it would eliminate most judicial review of detention policies. The administration seems to want a system in which the military keeps its hands clean while the CIA does the dirty work of violating international law and humanitarian norms.

Nach einem aktuellen Bericht des Transactional Records Access Clearinghouse zeigt die Zahl der Strafverfolgungsfälle der US-Staatsanwaltschaft im Bereich des internationalen Terrorismus, dass die Gefahr nicht mehr so groß sein kann, wie die US-Regierung dies darstellt, wenn sie von der „nation at war“ spricht und gleichzeitig die Strafverfolgung wieder auf den Stand vor den Anschlägen vom 11.9. gesunken ist:

Ganz erstaunlich ist auch, dass der Durchschnitt der Gefängnisstrafen im Rahmen von Terroranklagen von 41 Monaten in der Zeit vom 1.10.1999 bis 10.9.2001 auf gerade einmal 20 Tage zwischen 1.10.2003 und dem 31.5.2006 gesunken ist. Auch zwischen 11.9.2001 und Oktober 2003 betrug die durchschnittliche Haftzeit nur 28 Tage:

Die Daten des Justizministeriums über die „kleine und weiter zurückgehende“ Zahl der Strafverfolgungen und Verurteilungen, so die Autoren des Berichts, lassen einige Fragen entstehen. So könnte es sein, dass trotz einiger Fälle, die in den Medien große Aufmerksamkeit fanden, die Allgemeinheit die tatsächliche Gefahr überschätzt. Fragen ließe sich auch, ob die Regierung trotz der erweiterten Kontroll- und Überwachungsbefugnisse effektiv arbeitet oder ob, so ließe sich hinzufügen, diese Kompetenzen gar nicht erforderlich sind.