US-Regierung sperrt iranische News-Websiten

www.presstv.com

Informationskrieg: Press TV und über 30 andere Webseiten wurden "konfisziert"

Was wäre, wenn China oder Russland solche Schritte unternähme? Die US-Regierung hat mehrere Medien-Webseiten gesperrt, die politisch der iranischen Führung nahestehen. Insgesamt sollen es 36 sein. Am bekanntesten für deutschen Leserinnen und Lesern dürfte das iranische Press TV sein. Klickt man auf presstv.com, so wird die Art des Zugriffs sofort klar.

Statt den üblichen Inhalten erscheint das obige Bild mit der englischen Überschrift "This Website has been seized" (auf Deutsch: "Diese Website wurde beschlagnahmt") und einer Unterzeile auf arabisch. Sofort ins Auge fallen die Embleme des FBI und des US-Handelsministeriums, Abteilung Industrie und Sicherheit. Im Text werden gesetzliche Grundlagen erwähnt: 18 U.S.C. §§ 981 and 982 sowie 50 U.S.C. 1701 bis 1705.

Die Gesetzestexte behandeln große Anschuldigungen. In 18 U.S.C. §§ 981 werden Gründe für eine Beschlagnahme genannt, u.a. der "Handel mit nuklearer, chemischer, biologischer oder radiologischer Waffentechnologie oder Material oder die Herstellung, die Einfuhr, den Verkauf oder den Vertrieb einer kontrollierten Substanz" (18 U.S.C. §§ 981) oder "ungewöhnliche und außerordentliche Bedrohung der nationalen Sicherheit, der Außenpolitik oder der Wirtschaft der Vereinigten Staaten, die ihren Ursprung ganz oder zu einem wesentlichen Teil außerhalb der Vereinigten Staaten hat" (50 U.S.C. § 1701).

Wie dies juristisch zu bewerten ist, welche Paragrafen hier genau zur Anwendung kommen, ist ein noch ungeklärter Aspekt, ganz offensichtlich ist die politische Absicht. Zuerst gab es keine Stellungnahme zur Aktion von offizieller Seite. Nun berichtet die Times of Israel, dass die "Beschlagnahme" von US-Vertretern bestätigt wurde.

Bereits am Dienstag machte die New York Times auf die politischen Motive aufmerksam. Da war die Quelle noch ein anonymer Regierungsvertreter:

Ein US-Beamter für nationale Sicherheit sagte, dass die Websites, etwa drei Dutzend insgesamt, mit Desinformationsbemühungen durch den Iran und andere Gruppen, die von Teheran unterstützt werden, verbunden waren.

New York Times

Am Tag darauf informierte die Times of Israel die Leserschaft darüber, dass das US-Justizministerium einen Schritt bestätigte, "der als weitreichendes Vorgehen gegen iranische Medien inmitten erhöhter Spannungen zwischen den beiden Ländern erscheint".

Das Justizministerium bestätigte demnach, dass 33 der beschlagnahmten Websites mit der iranischen islamischen Radio- und Fernsehunion (IRTVU) verbunden sind und der Desinformation beschuldigt würden - insbesondere sollen sie "Zwietracht unter den amerikanischen Wählern vor der Präsidentschaftswahl 2020" gesät haben. Laut der Times of Israel wurde auch die Website Palestine Today gesperrt, die mit der Hamas und dem Islamischen Dschihad verbunden wird, sowie der Satelliten-Newssender Al-Masirah, der von den Huthis operiert werden soll, der arabisch-sprachige staatliche Sender Irans Al-Alam und sowie irakische Medienseiten, die der Miliz Kata’ib Hizballah verbunden seien.

Die meisten der beschlagnahmten Domains sind offenbar ".net"-, ".com-" und ".tv"-Domains. Die ersten beiden sind generische Top-Level-Domains im Gegensatz zu länderspezifischen Domains, während ".tv" im Besitz des pazifischen Inselstaates Tuvalu ist, aber von der US-Firma Verisign verwaltet wird. Die Beschlagnahmung einer Domain auf einer großen länderspezifischen Top-Level-Domain, wie z.B. Irans ".ir", würde eine breite internationale Verurteilung als Verletzung der Souveränität nach sich ziehen.

Times of Israel

Soweit gingen die US-Behörden dann wohl auch nicht. Press TV informierte seine englisch-sprachige Leserschaft, dass man fortan über www.presstv.ir erreichbar ist, wo die US-Zensur kommentiert wird und die schwindende Glaubwürdigkeit von US-Medien herausgestellt wird sowie die Verurteilungen der Aktion durch die Achse des Widerstands.

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Saeed Khatibzadeh, verurteilte die "Beschlagnahme" der Webseiten durch die US-Regierung als "Beispiel für die systematischen Bemühungen der USA, die Meinungsfreiheit zu stören und die unabhängigen Stimmen im Medienraum zum Schweigen zu bringen", wie die iranische Nachrichtenagentur Irna am gestrigen Mittwoch berichtete.

Wie der belgische Journalist Elijah J. Magnier zu Bedenken gibt, handelte die US-Regierung - nicht ganz untypisch - mit einem Übereifer, der von lückenhaften Kenntnissen geprägt ist: Die irakischen Webseiten, die ebenfalls gesperrt wurden, gehören zu Parteien, die als Vermittler bekannt sind und sogar zu den Verbündeten gerechnet werden.

Von solchen verstörenden großen Mängeln in der Landes- und Sachkenntnis abgesehen, die die USA schon seit Jahrzehnten an den Tag legen, wenn es um Länder im Nahen Osten wie Iran, Irak oder Syrien geht (oder auch um Afghanistan), ist der Weg, den die US-Behörden mit solchen Maßnahmen gehen einer der Verengung von Informationen. Jeder, der die Seite Press.TV aufruft, bemerkt sehr schnell, aus welcher Perspektive dort berichtet wird. Dazu gibt es dort aber Informationen, die in den meisten westlichen Medien nicht gebracht oder aus deren politischen Interessen geschildert werden.

Um sich ein größeres Bild zu machen, gehören solche Informationsquellen und Perspektiven dazu. Die angeordneten Maßnahmen, die einer Lagerbildung frönen und einer Machtpädogogik, die jeden Anspruch, wonach man auf "mündige Bürger" setzt, der Lächerlichkeit aussetzt, verstärken, was man ansonsten als Gefahr für die Demokratie oft genug brandmarkt: Polarisierung und Radikalisierung.

Dazu kommt, dass man, gerade wenn es um Konflikte geht, die militärisch eskalieren können, den westlichen Medien Einseitigkeit vorwerfen kann. Dafür gibt es viele gut dokumentierte Beispiele. Auch in der Berichterstattung der Pulitzer-Preis-Publikation New York Times, die gerade, wenn es um Konflikte im Irak oder in Syrien geht, propagandistische Artikel brachte, etwa zur Vorbereitung des Einmarsches in den Irak, 2003, oder später zur Rechtfertigung dieses Waffengangs.