US-Spezialeinheiten testen Neurostimulation zur Optimierung

Headset zur Neurostimulierung von Halo Neuroscience.

Mit für Sportler entwickelten Headsets sollen die körperlichen und kognitiven Kapazitäten verbessert werden, verantwortlich ist die neue Innovationsabteilung des Pentagon

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Im letzten Jahr hatte der damalige US-Verteidigungsminister Ash Carter angekündigt, dass die 2015 neu eingerichtete Innovationsabteilung (Defense Innovation Unit (Experimental), abgekürzt DIUx) einen von Halo Neuroscience ursprünglich für Elitesportler entwickelten neuen Headset für Spezialkräfte testet. Mit "nicht-invasiver elektrischer Stimulation" sollen die Gehirne der Soldaten bearbeitet werden, um sie zu optimieren. Auf dem Weg zu Cyborg-Soldaten will das Pentagon Personal haben, das dem aller anderen Streitkräfte überlegen ist.

Vorsprung durch innovative Technik, die in diesem Fall das Lernen beschleunigen soll. So habe man die Ausbildung von Piloten und Scharfschützen damit um 50 Prozent beschleunigen können. Es geht natürlich auch um die Verbesserung der Leistung im Kampf. Überdies pries Carter die Entwicklung als eine neue Partnerschaft zwischen dem Militär und der Privatwirtschaft an. Mit dem im Silicon Valley angesiedelten DIUx wolle man an die innovativen Unternehmen und Unternehmer der Westküste andocken und diese für die Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten gewinnen.

DIUx 2.0 wurde dann in Boston eröffnet, als eine der Kernaufgaben betrachtete Carter es, Unternehmer für das Militär und deren Interessen für militärische Probleme zu gewinnen. Beim Militär habe man schließlich spannende und folgenreiche technische Probleme zu lösen. Dazu wurden auch ein Warfighter-in-Residence- und ein Entrepreneur-in-Residence-Programm gestartet, um Soldaten und Unternehmer zusammenzubringen. Es geht letztlich darum, den altbekannten Militärisch-industriellen Komplex, an dem schon längst durch Forschungsgelder und -aufträge viele Universitäten hängen, noch einmal auszuweiten und auch damit die früheren Grenzen zwischen militärischen und zivilen Strukturen aufzulösen. Das war auch schon Ziel von Bemühungen, mit hybrider Kriegsführung, die angeblich von Russland praktiziert wird, gleichzukommen, und gilt als Eigenschaft des Cyberspace, in dem militärische und zivile Strukturen über alle Grenzen hinweg verschmelzen.

Der stimulierende Kopfhörer soll übrigens Neuropriming nach der Firma leisten, die ihn für Leistungssportler und überhaupt zur Optimierung vertreibt. Über Elektroden in Schaumspitzen wird im Fall von Sportlern der motorische Cortex im Gehirn mit Transkranieller Magnetstimulation behandelt, um das Lernen von Bewegungsabläufen und den Muskelaufbau zu verbessern. Das soll dadurch geschehen, dass die Neuronen mit schwachem Strom schneller und leichter reagieren und weniger schnell ermüden, das Gehirn werde "hyperplastisch", wird versprochen. Verbessert würden alle Tätigkeiten, die motorische Abläufe implizieren, also beispielsweise auch Schießen.

Konteradmiral Tim Szymanski, der Kommandeur der Spezialeinheiten der Navy, forderte schließlich im Februar auf einer Konferenz die Unternehmen auf, Techniken zur kognitiven Optimierung (cognitive enhancement) zu entwickeln, um die körperliche und geistige Leistung der Menschen zu steigern. Es scheint auf den ersten Blick seltsam, dass just in der Zeit, in der mit allen Kräften versucht wird, autonome Maschinen/Roboter zu entwickeln, auch der Mensch ein Upgrade erfahren soll. Aber die Menschen müssen auch mit den autonomen oder semi-autonomen Systemen über Mensch-Maschine-Schnittstellen interagieren. Dazu müssen auf der einen Seite ihre Wetware-Kapazitäten technisch verbessert werden, was auf der anderen Seite aber Möglichkeiten eröffnet, die Maschinen/Roboter smarter und unabhängiger zu machen. Die Soldatencyborgs wären also eine Übergangs- oder Zwischenstufe, haben aber erst einmal auch den Vorteil, das schrumpfende Personal durch längere Einsätze kompensieren zu können. Das wird in der Arbeitswelt nicht anders sein, wobei die Menschen schon privat sich daran üben, ihre Leistung fortwährend durch Anschluss an Maschinen zu optimieren.

Der Admiral sprach zwar auch von pharmazeutischen Möglichkeiten, die ansonsten ja auch bei Modellen des cognitive enhancement naheliegen, so verwenden etwa Piloten Modafinil oder Amphetamine, er denkt auch an Testosteron zum Doping. Doch er steht wie Carter in guter militärischer Tradition Hardware-Lösungen näher und scheint auch begeistert von Neurostimulation zu sein. So verweist er auf Studien, nach denen Versuchsteilnehmer beim Beobachten von Bildschirmen relativ schnell nach 20 Minuten ermüden und unaufmerksamer würden, während elektrische Stimulation ihre Konzentration 20 Stunden wachhalte. Das klingt schon eher wie eine Wundertechnik, die zudem, sollte sie tatsächlich funktionieren, auch erhebliche Nebenwirkungen haben würde, wenn Soldaten im Kriegsfall dann halt möglichst lange eingesetzt werden.

SEAL- und andere Spezialeinheiten der Navy haben seit letztem Jahr die Elektrostimulation in Kooperation mit DIUx getestet, berichtet Military.com. Nach Captain Jason Salata, einem Sprecher des Kommandos, habe es positive Ergebnisse gegeben, über die er sich aber nicht weiter auslassen wollte. Nach dem Hersteller könne mit dem Stimulator die Ausbildung beschleunigt oder die Leistung verbessert werden. Angeblich hätten sich bislang noch keine schädlichen Nebenwirkungen gezeigt. Dafür ist die Zeit aber auch zu kurz gewesen.