US-Strategie für das Nato-Bündnis ist gescheitert

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Die Kriegsressourcen der Ukraine sind erschöpft. Der Westen kann sie nicht schnell genug wieder auffüllen. Was folgt daraus?

Bei all dem Gerede auf dem letzten Nato-Gipfel über die Einheit des Bündnisses und die Unterstützung für die Ukraine wurde ein größeres Problem ignoriert: Die Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika für das Bündnis ist gescheitert.

George Beebe ist Direktor für Grand Strategy beim Quincy Institute.

Die seit Langem erwartete Gegenoffensive der Ukraine – ihr Versuch, den Kreml zur Kapitulation zu zwingen, indem sie die russischen Streitkräfte aus dem Donbass und der Krim vertreibt – scheitert an den massiven Verteidigungsanlagen Russlands, der großen Zahl aufgestockter Truppen und der zunehmenden Beherrschung des Luftraums in der Nähe der Frontlinien des Krieges.

Der Ukraine gehen Soldaten, Artilleriegeschosse und Luftabwehrraketen schnell aus, und der Westen kann nicht genügend Truppen ausbilden oder Waffen herstellen, um dieses düstere Bild in absehbarer Zeit zu ändern.

Auch die USA können ihre militärischen Bestände nicht weiter abbauen, ohne ihre Fähigkeit zur Bewältigung einer möglichen Krise mit China zu gefährden. Infolgedessen erscheint die Strategie der Nato zur Beendigung des Krieges, die vom Erfolg der Gegenoffensive abhängt, zunehmend weltfremd.

Auch umfassendere Strategie der Vereinigten Staaten in Europa ist zum Scheitern verurteilt. Der ursprüngliche Zweck der Nato bestand darin, den Aufstieg eines europäischen Hegemons zu verhindern, der die Sicherheit und den wirtschaftlichen Wohlstand Amerikas gefährden könnte.

Sie sollte den US-Partnern die Gewissheit geben, dass Washington sie angesichts der sowjetischen Aggression nicht im Stich lassen und Deutschland nicht die Freiheit lassen würde, ein unabhängiges Militär aufzubauen und alte Bestrebungen zur Beherrschung des Kontinents wieder aufleben zu lassen.

Im Gegenzug für den Schutz unter militärischem Schirm der USA konnte sich Westeuropa auf ein Wirtschaftswachstum konzentrieren, das es immer weniger anfällig für kommunistische Umstürze machte, während es dem sowjetischen System Zeit verschaffte, zu verwelken und zu verrotten. Diese alte Strategie war ein durchschlagender Erfolg.

Mit dem Fall der Berliner Mauer verlagerte sich jedoch der Schwerpunkt der amerikanischen Außenpolitik: Anstatt den Aufstieg eines rivalisierenden Hegemons, der Europa beherrschen könnte, zu verhindern, streben die Vereinigten Staaten nun danach, die Supermacht des Kontinents zu werden.

Sie wollen ganz Osteuropa in ein amerikanisches Protektorat verwandeln. Die doppelte Erweiterung der Nato und der Europäischen Union hat den Wohlstand auf dem gesamten Kontinent verbreitet, aber sie hat Europa so gut wie unfähig gemacht, eine selbstständige militärische Kapazität aufzubauen oder eine von Washington unabhängige Außenpolitik zu verfolgen. Zudem wurde Russland außerhalb der wichtigsten europäischen Institutionen stehen lassen, sodass es zunehmend motiviert wurde, diese zu untergraben, anstatt sie zu unterstützen.

Der verfolgte US-Ansatz könnte nur dann erfolgreich sein, wenn die Russen einwilligen würden. Aber jeder Kremlchef seit Gorbatschow hat die Vorstellung eines auf die Nato ausgerichteten Europas abgelehnt, in dem Moskau bei wichtigen Entscheidungen, die seine Sicherheit betreffen, wenig oder gar kein Mitspracherecht hat.

Die Chance, ein solches Europa Putin oder einem möglichen Nachfolger aufzudrängen, schwinden mit jedem Tag, an dem die Gegenoffensive der Ukraine ins Stocken gerät.

Unterdessen ist Europa selbst zunehmend gespalten über die Prämissen von Washingtons Strategie. Der deutsche Wohlstand – der Motor des europäischen Wachstums – basiert seit Jahren auf niedrigen Verteidigungsausgaben und dem Zugang zu billiger russischer Energie, die die exportorientierte Wirtschaft des Landes antreibt.

Putins Einmarsch in die Ukraine hat diesen Zugang beendet und Deutschlands Abhängigkeit von teurer amerikanischer Energie erhöht.