US-Unternehmen heuern ehemalige CIA- und FBI-Agenten an, um gemeinnützige Organisationen auszuspionieren
Nicht nur der Staat spioniert oft durch Outsourcing die Menschen aus, auch die Unternehmen mischen im eigenen Interesse mit
Wäre Ashton Kutcher nicht gut bezahlter Hollywoodschauspieler sondern Regaleinräumer bei Walmart geworden, das Unternehmen wäre ihm wohl schneller auf die Schliche gekommen. Vor einigen Tagen lieferte sich Kutcher über den Kurznachrichtendienst Twitter ein 140-Zeichen-Gefecht mit der PR-Abteilung des Einzelhandelsriesen über die schlechte Bezahlung der Mitarbeiter. Das Unternehmen hatte um Lebensmittelspenden für seine Mitarbeiter für den nahenden Thanksgiving-Feiertag gebeten.
Kutchers brachte mit der Aktion erneut die viel kritisierten Arbeitsbedingungen des milliardenschweren Unternehmens in negative Schlagzeilen. Hätte Walmart gekonnt, hätte man Kutcher wohl verwanzt, um die Image-schädigende Aktion im Keim zu ersticken. Um ähnliche Aktionen geht es jetzt in einem Bericht der Firmen-Überwachungsorganisation Essential Information. Er hat die tatsächlichen Spionageaktionen einiger der größten Unternehmen der USA beleuchtet.
Spooky Business, frei übersetzt "Geisterhaftes Treiben", heißt der Bericht mit dem Untertitel "Corporate Espionage Against Nonprofit Organizations". Auf 53 Seiten beschreibt er, wie die Unternehmen Sicherheitsfirmen anheuern, die ihrerseits ehemalige Mitarbeiter von der CIA, der NSA und dem FBI einstellen, um gegen NGOs zu spionieren. Unter den Firmen findet sich alles was Rang und Namen hat: Shell, der Saatgut-Konzern Monsanto, Wal-Mart, Kraft, Coca-Cola, McDonald’s, das private Sicherheitsunternehmen Blackwater, selbst die US-Handelskammer ist vertreten. Ihre Aktionen richten sich gegen Organisationen, die sich für Umweltschutz, Pestizid-Reform, Verbraucherrechte, Lebensmittelsicherheit, Waffenkontrolle oder soziale Gerechtigkeit einsetzen.
Laut Bericht gehört zum Vorgehen, dass die ehemaligen Geheimdienstler getarnt als ehrenamtliche Mitglieder Organisationen infiltrieren, diese elektronisch überwachen, sich in Computersysteme einhacken und auch unter vollem praktischen Einsatz "Dumpster Diving" betreiben, also in Müllcontainern nach kompromittierendem, zumindest aber aufschlussreichem Abfall wühlen. Walmart beispielsweise habe die Störung der jährlichen Aktionärshauptversammlung durch eine lokale Anti-Walmart-Organisation befürchtet. Die hauseigene "Threat Research and Analysis Group" schickte einen Mitarbeiter mit verstecktem Aufnahmegerät zu dem Treffen der Gruppe und stationierte in einiger Entfernung einen Überwachungsbus.
Auch Wikileaks war ein Ziel von Ausspähktionen. Nach der Ankündigung, Informationen über Korruption in einer führenden US-Bank zu veröffentlichen, beschloss die Bank of America in Zusammenarbeit mit einer Sicherheitsfirma falsche Wikileaks-Dokumente zu lancieren, um die Whistleblower-Gruppe zu "töten", so die Wortwahl eines Beteiligten. Weiterhin beauftragte die US-Ölfirma Chevron ein privates Sicherheitsunternehmen, um das Gerichtsverfahren gegen den Konzern, das in Ecuador abgehalten wird, zu untergraben. Es droht eine Strafe von 18 Milliarden US-Dollar (Sind Erdölopfer Mitglieder einer kriminellen Vereinigung?
Der Bericht zeigt auch, dass die Spionagetätigkeiten großer Unternehmen nicht nur auf die USA begrenzt sind. Die Büros der Umweltorganisation Greenpeace wurden sowohl in Washington D.C. als auch in London und Frankreich ausspioniert. Der weltgrößte Atomkraftanbieter, der französische Energiekonzern Électricité de France (EDF), musste vor zwei Jahren eine Millionenstrafe an Greenpeace zahlen, weil es über eine private Sicherheitsfirma die Computer der Umweltorganisation anzapfen ließ. Anfang dieses Jahres sprach ein Berufungsgericht das Unternehmen von den Vorwürfen frei - ein EDF-Mitarbeiter soll demnach eigenmächtig gehandelt haben, so die Begründung.
Zwar sind einige der Analysen in "Spooky Business" teilweise bekannt, wie der Fall Greenpeace/EDF. Gary Ruskin, der Autor des Berichts, geht allerdings davon aus, dass sich von Unternehmen betriebene Spionage in den USA und auch in anderen Teilen der Welt ausbreiten wird, weil solche Aktivitäten generell sehr schwer zu dokumentieren seien. Er habe 30 verschiedene Fälle von Unternehmensspionage gesammelt, tatsächlich aber gäbe es über jeden der Fälle nur bruchstückhafte Informationen.:"Es ist daher schwer zu sagen, ob wir ein Stück des Eisberges oder die Spitze oder gar nur ein Stück der Spitze gefunden haben", erklärte Ruskin dem Rundfunksender Democray Now.
Zweifellos können sich NGO-Kampagnen für die betroffenen Unternehmen mitunter zu großen wirtschaftlichen Schäden führen. Protestbanner wie "Bankrolling Climate Change" sind schlecht für das Geschäft. Wohl nicht ohne Grund hatten FBI-Agenten die der Hochfinanz kritisch gegenüberstehenden Organisation Occupy Wall Street infiltriert. Der Bericht von "Essential Information" vermittelt den Eindruck, als hätten einige Großunternehmen eine Richtlinie aus "Die Kunst des Krieges" zur Arbeitsrichtlinie Nummer Eins erhoben: "Den Feind ohne Gefecht unterwerfen." Nur wer frühzeitig über Protestaktionen indformiert ist, kann rechtzeitig darauf reagieren. Alle anderen müssen die PR-Maschine anwerfen, so wie Wal-Marts Twitter-"Newsroom" gegen Ashton Kutcher.