US-Wahlen: Heiler gegen Säufer

Die Band ZZ Top auf der Bühne, Konzert von 2011

ZZ Top in Colorado, 2011. Bild: TDC Photography / shutterstock.com

Der Sound des Wahlkampfes und die Hymnen, die passen und nicht passen. Von Beyoncé bis ZZ Top – Zwischen Heilung der Welt und Zerstörungswut.

In den USA wurde Rock and Roll erfunden, der Soul und der Hip-Hop und noch mindestens hundert andere Genres und Subgenres der Popmusik. Und der Kitsch, das Pathos und die Larmoyanz des Pop umweht selbstverständlich auch den Wahlkampf in einem Land, das in seiner popkulturellen Selbstdarstellung immer glaubwürdiger wirkt als im wirklichen Leben – von außen aus betrachtet, zumindest.

In dem zu erwartenden Wahlkampf haben wir es mit einer scheinbar maximalen Polarisierung zu tun: Gut tritt gegen Böse an, Staatsanwältin gegen Verbrecher, Migrationshintergrund gegen Rassismus, heitere Liberalität gegen stumpfen Konservativismus usw ...

Die heilige Inbrunst

Was sie dennoch eint, sind ihre – allerdings auch hier gegensätzlichen – Annäherungen an Pop. Wer den jüngsten Parteitag der Demokraten gesehen hat, die fulminanten Reden von Michelle und Barack Obama, den "Be nice to your Neigbors"-Auftritt von Vize-Kandidat Tim Walz und natürlich die Performance der Kandidatin selbst, der konnte sich erinnert fühlen an die ganz großen Hymnen eines Michael Jackson.

"Heal the world", sang der einst, "make it a better place, for you and for me and the entire human race" oder "We are the world, we are the children, we are the ones who make a brighter day … " Wer wollte damals – in den 1980ern, als diese Songs erschienen – widersprechen?

Michael Jackson hoffte darauf, die Welt heilen zu können und die Tage strahlender zu machen. Und Millionen von Fans weltweit glaubten an Jacksons selbst aufgelegte Mission. Manche tun es sogar noch heute.

Diese heilige Inbrunst ist in der US-amerikanischen Kultur seitdem nicht mehr verstummt. Nach den Missbrauchsvorwürfen gegen Jacko mussten freilich andere die Fackel der Heilung weitertragen.

Schrei nach Freiheit: Beyoncé

Momentan steht dafür vor allem der Song "Freedom" von Beyoncé, den die Sängerin tatsächlich erst dem republikanischen Kandidaten entreißen musste, um ihn dann feierlich in den Kanon von Kamala Harris einzuspeisen.

Dieser religiös unterfütterte Schrei nach Freiheit ist eher eine Hymne der afro-amerikanischen Community und dürfte es mit seiner Botschaft in der mittelständischen WASP-Society schwerer haben als Jacksons universell gemünzte Nummern.

Die wilden Kerle: Kid Rock und Ted Nugent

Trump und seine wilden Kerle hatten es dagegen schon immer schwerer, Popsongs und -stars für ihre Kampagnen zu gewinnen. Man erinnere sich daran, wie schwer es der orangene Häuptling 2016 hatte, Bands für seine Amtseinführungsparty zu gewinnen.

Am Ende kamen gerade mal "3 Doors Down" und ein paar reaktionäre Country-Sänger zusammen (unter ihnen der inzwischen verstorbene Toby Keith). Der immer noch schwer angesagte weiße Hip-Hop-Star Post Malone hätte teilgenommen, wenn die Bezahlung gestimmt hätte (wie er in einem Radiointerview sagte), aber man hatte wohl versäumt, ihn zu fragen. Immerhin kann Trump weiterhin auf die Unterstützung von reaktionären Alt-Stars wie Kid Rock und Ted Nugent zählen.

Der eigentliche Song

Der eigentliche Song für eine Trump-Kampagne allerdings wäre sicherlich "Beer Drinkers and Hell Raisers" der texanischen Bluesrock-Band ZZ Top. Wer je die Videos vom Sturm auf das Kapitol gesehen hat, wo die inzwischen massive rechte Popkultur zwischen Basecap und Indianerkostüm antrat, der sah Biertrinker und Ärgermacher vor sich, also Leute, denen eigentlich schon alles egal war, vor allem die Hoheitszeichen der Demokratie.

In besagtem Song beschreibt Billy Gibbons zu heftiger Rockmusik eine ausgelassene Party, die so klingt wie Streit im Repräsentantenhaus ("Sounding a lot like a House Congressional") und wo man sich zwar in der Ecke prügelt, das aber in Ordnung geht, weil die Beteiligten beide hackedicht sind ("Try to cover up the corner fight , but everything‘s cool cause they’s just tight").

Auch das ist Amerika, auch damit können sich Millionen identifizieren, selbst wenn Saufen und Stress-Anfangen die Welt nicht zu einem besseren Platz machen werden.

Die falsche Wahl

Zum jüngsten Republikaner-Parteitag aber wählte Trumps Vize-Kandidat JD Vance dann "America first" von Country-Legende Merle Haggard als Hymne aus, wahrscheinlich weil er sich an Trumps Rede bei der Amtseinführung erinnert hatte.

Nun gilt Haggard zwar als klassischer Popstar der amerikanischen Rechten (1969 veröffentlichte er mit "Okie from Muskogee" einen berüchtigten Song gegen die Vietnamkriegsgegner und Hippies jener Zeit), aber "America First" von 2005 war eigentlich gegen George W. Bush und den Irak-Krieg gerichtet, den Haggard für unnötig hielt und das Geld lieber in die Heimat investiert gesehen hätte.

Nun also: Beyoncé gegen Merle (der sich nicht mehr wehren kann, er verstarb 2016). Dabei wäre "Heal the World" gegen "Beer Drinkers and Hell Raisers" doch die ehrlichere Wahl gewesen.