USA: Gesetzentwurf zur "Online-Freiheit und Standpunkt-Diversität"
Zensiert eine Plattform aus "anderweitig störenden" Gründen, soll sie nicht mehr vor Klagen geschützt sein
Roger Wicker, der republikanische Vorsitzende des Ausschusses für Handel, Wissenschaft und Verkehr, hat gemeinsam mit dem republikanischen Rechtsausschussvorsitzenden Lindsey Graham und seiner Senatskollegin und Parteifreundin Marsha Blackburn einen Gesetzentwurf für einen Online Freedom and Viewpoint Diversity Act eingebracht. Er soll den 1996 verabschiedeten Communications Decency Act (CDA) ändern, dessen Section 230 Unternehmen wie Twitter, Facebook und YouTube bislang davor schützt, für Äußerungen ihrer Nutzer haftbar gemacht zu werden.
"Objektive" und "vernünftige" Standards
Die im Online Freedom and Viewpoint Diversity Act geforderten Änderungen sehen vor, dass so ein Schutz für Plattformen, die Inhalte löschen, sperren oder verstecken, künftig nur dann besteht, wenn dies nach "objektiven" und "vernünftigen" Standards geschieht. Das ist dem Gesetzentwurf nach dann der Fall, wenn ein Online-Dienstleister glaubhaft machen kann, dass ein zensierter Inhalt "objektiv" und "vernünftig" betrachtet gegen Gesetze verstößt, "Terrorismus fördert" oder dazu aufruft, sich selbst zu verletzen oder zu töten.
Das Zensieren nutzergenerierter Inhalte aus aktuell noch im Gesetz genannten "anderweitig störenden" Gründen würde dann dazu führen, dass der Schutz vor Klagen Dritter wegfällt. Außerdem sieht der Entwurf vor, dass künftig auch die Nutzer selbst gegen eine Löschen, Sperren oder Entfernen ihrer Äußerungen aus "anderweitig störenden" Gründen rechtlich vorgehen können.
"Perverse Anreize"
Graham meinte zu dem von ihm mit eingebrachten Vorhaben, dass Social-Media-Firmen derzeit "routinemäßig Inhalte zensieren" würden, die man als "zulässige politische Äußerungen" betrachten müsse, welche nicht "unfair unterdrückt" werden dürften. Blackburn führte aus, "Big Tech" habe den Schutzschirm, den ihm der Gesetzgeber 1996 gab, so stark überdehnt, dass nun die öffentliche Debatte darunter leide. Außerdem setze die Natur Sozialer Medien "perverse Anreize" denen der Gesetzgeber etwas entgegensetzen müsse (vgl. "Das Plattformgeschäft ernährt sich von Opfern wie ein blutrünstiger Gott").
Der Entwurf kommt nicht überraschend: US-Präsident Donald Trump hatte den amerikanischen Handelsminister bereits im Mai dazu aufgefordert, die amerikanische Medienregulierungsbehörde FCC über die National Telecommunications and Information Administration dazu aufzufordern, sich um eine "Klarstellung" der Section 230 des CDA zu kümmern (vgl. "Section 230 war nicht dazu gedacht, eine Handvoll Unternehmen zu Titanen wachsen zu lassen"). Diese Aufforderung hatte der US-Präsident damit begründet, dass diese Unternehmen bislang eine "unkontrollierte Macht, praktisch jede Form von Kommunikation zwischen Privatleuten oder mit der Öffentlichkeit zu zensieren, einzuschränken, zu redigieren, zu formen, zu verstecken und zu ändern" hätten.
Zwei Monate später hörte sich der Kartellrechtsunterauschuss des US-Repräsentantenhauses Stellungnahmen des Google-Chefs Sundar Pichai, des Apple-CEOs Tim Cook, des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg und des Amazon-Milliardärs Jeff Bezos an. Anlass der Anhörung war der Verdacht, dass die mit "GAFA" abgekürzten vier "Titanen unserer Wirtschaft […] ihre Macht auf zerstörerische, schädliche Weise ausgeübt" haben, wie es der demokratische Ausschussvorsitzende David Cicilline formulierte (vgl. "Titanen unserer Wirtschaft" vor Regulierung?).
Auch dabei ging es darum, wie diese großen Vier als Plattformen mit Inhalten umgehen. Mehrere Republikaner warfen ihnen vor, nicht neutral zu sein, sondern eigene Agenden zu verfolgen. Der republikanische Abgeordnete Greg Steube fragte Sundar Pichai in diesem Zusammenhang, warum Gmail seine Wahlkampf-Mails selbst bei seinem eigenen Vater sofort in den Spam-Ordner aussortiert (vgl. Tech-Unternehmen unter Beschuss: US-Abgeordnete prangern Amazon, Google & Co. An). Danach kündigte Donald Trump via Twitter an, dass er selbst mit weiteren Präsidentialdekreten eigreifen werde, "wenn der Kongress die großen Technologiefirmen nicht zu Fairness zwingt".
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