USA: Voodoo-Economics-Zombie?

Der damalige US-Präsident Ronald Reagan beim Vorstellen seiner Steuerreform 1981. Foto: Weißes Haus

Donald Trump will heute sein Konzept für eine Steuerreform vorstellen

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Heute will US-Präsident Trump Eckpunkte einer Steuerreform vorstellen, die Bürger finanziell entlasten, Bürokratie verringern und Arbeitsplätze schaffen soll. Dieses Konzept soll später im Repräsentantenhaus und im Senat zu einem fertigen Gesetzentwurf geschmiedet werden.

Als zentralen Punkt der Steuerreform erwarten US-Medien übereinstimmend eine so genannte Border Adjusted Tax - eine "Grenzausgleichssteuer", die Importe bei der Steuerberechnungsgrundlage gegenüber in den USA geförderten oder hergestellten Rohstoffen oder Produkten benachteiligt (vgl. USA: Streit um Steuerreform). Sie soll ein Arbeitsplatzanreiz sein, weil Unternehmen begünstigt werden, wenn sie nicht importieren, sondern im Inland produzieren. Der Freihandel hatte in den letzten Jahrzehnten dafür gesorgt, dass zahlreiche amerikanische Industriearbeitsplätze abgebaut wurden, weil Firmen Teile ihrer Produktion in Länder verlagerten, in denen die Löhne niedriger waren. Dieses Problem trug maßgeblich dazu bei, dass Donald Trump (der hier Abhilfe versprach) gerade in den davon besonders betroffenen Rust-Belt-Bundesstaaten gewählt wurde.

Die Republikaner im Repräsentantenhaus sind für diese Grenzausgleichssteuer. Im Senat, der anderen Parlamentskammer, ist eine Mehrheit dafür jedoch unsicher, was damit zusammenhängt, dass es sich um eine Steuerreform handelt, bei der es nicht nur Gewinner, sondern auch Verlierer gibt:

Die Gewinner wären Pharmaunternehmen wie Eli Lilly und Pfizer, aber auch der Flugzeug- und Rüstungsgüterhersteller Boeing, der Baumaschienhersteller Caterpillar, der Chemiekonzern Dow, der Softwareanbieter Oracle und die Mischkonzerne General Electric (GE) und Honeywell. Sie haben sich mit anderen Unternehmen, die vorwiegend in den USA produzieren und einkaufen, bereits zur American Made Coalition zusammengeschlossen, die für die Grenzausgleichssteuer eintritt und sie als Maßnahme lobt, die den Wettbewerb fairer macht.

Die Verlierer bei der Einführung einer Grenzausgleichssteuer wären vor allem Einzelhandelskonzerne wie Wal-Mart und Target, deren Angebote häufig aus den Fabriken Asiens stammen. Ihr Zusammenschluss Americans for Affordable Products argumentiert, die Grenzausgleichssteuer werde zu Preissteigerungen führen und dadurch im Endeffekt vor allem Verbraucher belasten. Befürworter versuchen dieses Argument mit der Erwartung zu entkräften, dass der Dollar steigt und Importe dadurch billiger macht.

Mehr- oder Mindereinnahmen?

Was tatsächlich geschehen wird, ist ebenso offen wie die Frage, ob eine Grenzausgleichssteuer für den Staat Mehr- oder Mindereinnahmen bedeuten würde. Einige ihrer Befürworter preisen sie mit erwarteten Mehreinnahmen von einer Billion Dollar in zehn Jahren an, andere glauben, man solle lieber den Skeptikern recht geben, die Mindereinnahmen erwarten, weil sich eine "Steuersenkung" besser verkaufen lässt als eine Steuererhöhung.

In Brüssel und Berlin fürchtet man die Grenzausgleichssteuer, nachdem eine Studie der Deutschen Bank zum Ergebnis kam, dass sie "deutliche Nachfrageverschiebungen und Veränderungen grenzüberschreitender Wertschöpfungsketten" zur Folge hätte und wie eine "Einfuhrsteuer in Höhe von 20 Prozent" wirken würde. Deshalb machen sich unter anderem deutsche Autohersteller Sorgen, deren Exporte zu etwa 15 Prozent in die USA gehen. Allerdings handelt es sich dabei vor allem um Prestigeobjekte der Marken Mercedes, Audi und BMW, deren Protznutzen potenziell mit dem Preis steigt, weshalb keinesfalls sicher ist, ob der Absatz durch eine Verteuerung wirklich sinken würde.

Trotzdem bereitet die EU-Kommission schon einmal eine Klage bei einem Schiedsgericht der Welthandelsorganisation WTO vor. Bis so eine Klage entschieden ist, kann allerdings viel Zeit vergehen. So viel Zeit, dass Unternehmen sich nach amerikanischen Lieferanten umsehen und ihre Produktion oder ihr Angebot umstellen können.

Arthur-Laffer-Kurve wiederbelebt

Ein weiterer zentraler Punkt von Trumps Steuerplänen ist den US-Medien nach die Absenkung der Unternehmenssteuer von derzeit 35 Prozent auf einen Wert, der oberhalb der in EU-Steuerparadiesen wie Irland und Zypern geltenden gut 12, aber deutlich unterhalb der deutschen in Höhe von 30 Prozent liegt. Finanzminister Steven Mnuchin nach soll sich diese Steuersenkung durch ein höheres Wirtschaftswachstum langfristig selbst gegenfinanzieren. Damit bezieht er sich auf eine Theorie des Reagan-Ökonomen Arthur Laffer, die von George Bush senior in den Vorwahlen von 1980 als "Voodoo Economics" verspottete wurde und in den 1980er Jahren an der Realität scheiterte:

Anstatt mehr gab es deutlich weniger Steuereinnahmen - und eine Verdoppelung des Haushaltsdefizits innerhalb von drei Jahren, die einen weltweiten Anstieg der Zinsen zur Folge hatte (was europäische Sparer freute). Ökonomen, die mit den damals gemachten Erfahrungen rechnen, prophezeien für jeden Prozentpunkt, um den die Unternehmenssteuern gesenkt werden, auf zehn Jahre gerechnet eine Defizitzunahme in Höhe von jeweils 100 Milliarden Dollar.

Schumer droht mit "Government Shutdown"

Solche Defizite würden Trump vor zusätzliche Probleme mit dem Repräsentantenhaus und dem Senat stellen, wo die Demokraten aktuell über eine Sperrminorität verfügen, die ihr Sprecher Charles Schumer aktuell dazu einsetzt, dem Präsidenten mit einem "Government Shutdown" ab dem 29. April zu drohen. Anlass der Drohung ist die (im Vergleich zum amerikanischen Gesamtbudget) relativ kleine Summe von 1,4 Milliarden US-Dollar, die als Vorfinanzierung für den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko dienen soll. Einen Deal, den Haushalt mit diesem Posten gegen mehr Steuergeld für das zusammenbrechende Obamacare-Krankenversicherungssystem zu genehmigen, lehnte Schumer ab.

Ein "Government Shutdown" ist keineswegs ein Novum oder eine Ausnahme: Seit 1976 gab es insgesamt 19 davon (vgl. Haushaltsstreit: US-Bundesregierung schließt Behörden). Sie führen dazu, dass mehrere Hunderttausend Angestellte der US-Bundesregierung, die in Parks, Museen und Aufsichtsbehörden arbeiten, welche zum Schutz von Leben und Eigentum nicht unbedingt notwendig sind, in den Zwangsurlaub geschickt werden. Soldaten, Spione und andere Staatsangestellte, deren Dienst die Regierung als unentbehrlich erachtet, müssen dagegen weiter an ihren Arbeitsplätzen erscheinen.

Da die Regierung Ausgaben nicht dauerhaft verringert, wird allgemein davon ausgegangen, dass durch Shutdowns ein volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Dazu, wie hoch dieser ist, gibt es unterschiedliche Meinungen. Eine grundsätzlich andere Situation ergäbe sich erst, wenn die US-Regierung in die Gefahr gerät, ihren Schuldendienst nicht mehr begleichen zu können. Ob es dazu kommt, ist jedoch offen.

Umgehungstricks

Donald Trump könnte vor solch einem Fall darauf hoffen, dass ihm der Oberste Gerichtshof im Notfall Tricks erlaubt, mit denen sich der Kongress umgehen ließe. Einer davon wäre der Rückgriff auf Artikel 4 des 14. Verfassungszusatzes, in dem es heißt "The validity of the public debt of the United States, authorized by law, including debts incurred for payment of pensions […] shall not be questioned". Manche Rechtswissenschaftler glauben sogar, dass dieser Satz ein präsidentielles Notfallrecht auf Steuererhöhungen ohne Zustimmung des Kongresses eröffnet, wenn der auf einen Staatsbankrott zusteuert. Bisher machte die Trump-Administration zwar nicht den Eindruck, dass sie auf den 14. Verfassungszusatz zurückgreifen will - aber das könnte sich im Bedarfsfall schnell ändern.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman empfahl dem damaligen US-Präsidenten Barack Obama beim bislang letzten Government Shutdown 2013 zur Umgehung der Schuldenobergrenze das juristische Schlupfloch einer Eine-Billion-Dollar-Münze: Der Kongress übertrug dem Finanzministerium vor 18 Jahren eine Befugnis zur Prägung von Platin-Gedenkmünzen und vergaß dabei, eine Obergrenze für den Nennwert solcher Münzen festzulegen. Finanzminister Steven Mnuchin müsste deshalb theoretisch nur die Münzprägeanstalt US Mint anweisen, solch eine Platinmünze zu prägen und diese bei der Notenbank bar einzahlen, um wieder flüssig zu sein. Wertet der Supreme Court das Ausnutzen der Gesetzeslücke jedoch als Verfassungsbruch, dann könnte der Wert dieser Münze ganz schnell auf einen weit niedrigeren Sammlerwert sinken (vgl. US-Schuldenobergrenze: Kompromiss, Staatsbankrott - oder präsidentielles Notfallrecht?).

George Bush senior stritt 1982 ab, dass er Ronald Reagans Steuervorstellungen 1980 als Voodoo-Ökonomie kritisiert hatte. NBC bewies ihm mit Archivaufnahmen das Gegenteil

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