USA wollen auch die Grenze im Norden abdichten
Neue Grenzbestimmungen und der Handelskrieg um Holzimporte stehen im Mittelpunkt der Beziehungen zwischen Kanada und den USA
Nach dem Konflikt um die Nordwestpassage (Streit um die Nordwestpassage) sollen einige der andauernden Auseinandersetzungen zwischen Kanada und den USA noch in diesem Jahr beigelegt werden. Doch insbesondere beim Streit um die Einfuhr billigen kanadischen Holzes in die USA bleibt die kanadische Regierung hartnäckig.
Schon in den nächsten Wochen soll es soweit sein. Der kanadische Sicherheitsminister Stockwell Day (Konservative) will sich mit seinem US-Amtskollegen, Heimatschutzminister Michael Chertoff, in Washington treffen. Beide wollen sich über die Details der neuen Einreisebestimmungen einigen, die Washington zum nächsten Jahr an der Grenze zu Kanada einführen will.
Einreisewillige aus Kanada müssen sich dann mit einem Dokument ausweisen, auf dem biometrische Daten wie Fingerabdrücke, möglicherweise aber auch Netzhautmerkmale vermerkt sind. Bisher galt der Verkehr über die längste unbewachte Grenze der Welt als relativ komplikationslos, die kanadischen Grenzbeamten sind häufig nicht einmal bewaffnet. Kanada befürchtet nun Exporteinbußen, denn im letzten Jahr gingen 87 Prozent aller Ausfuhren an den südlichen Nachbarn, viele davon in Lastkraftwagen.
Ebenfalls in diesem Jahr soll der seit 30 Jahren schwelende und in letzter Zeit verschärfte Konflikt um kanadische Holzimporte in die USA beigelegt werden. „Freunde können so was klären“, erklärte David Wilkins, US-Botschafter in Kanada, optimistisch. Diese Zuversicht sei etwas verfrüht, heißt es dagegen aus der kanadischen Hauptstadt Ottawa. Bis zuletzt gab sich der kanadische Premierminister Stephan Harper (Konservative) in Sachen Holzhandel unversöhnlich. Eigentlich dürfte das für US-Präsident George W. Bush kein Problem sein: Gut gelaunt verkündete er vergangene Woche auf dem Nordamerikagipfel im mexikanischen Cancun, dass Harper ein „geradliniger“ Typ sei, der klar und unmissverständlich auszudrücken pflegt was ihn ärgere. „Das ist die Art die ich mag“, erklärte Bush kumpelhaft.
Doch auch die US-Regierung bleibt hartnäckig und wirft Kanada weiterhin vor, die heimische Holzbranche zu subventionieren. Tatsächlich können kanadische Holzlieferanten zu günstigen Bedingungen in zahlreichen staatseigenen Wäldern abholzen. Dadurch kann kanadisches Nadelholz mit niedrigen Preisen die US-Konkurrenz unterbieten. In den letzten fünf Jahren haben die USA deshalb 5,2 Milliarden US-Dollar an Zöllen erhoben. Dieses Geld verlangt Kanada zurück. „Unsere Position in dieser Frage ist klar, wir sehen noch keine Lösung und werden weiter alle legalen Möglichkeiten ausschöpfen“, sagte Harper. Er beruft sich auf das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, dessen Ausschüsse bisher vornehmlich Kanada Recht gaben. NAFTA-Experten bestätigten zwar den Preisvorteil durch die geringen Abholzgebühren in Kanada, fanden jedoch keine Rechtfertigung für derart hohe Strafzölle durch die US-Behörden.
Inzwischen hat allerdings die Welthandelsorganisation WTO zugunsten Washingtons entschieden und die Zölle für das ihrer Meinung nach subventionierte Holz gerechtfertigt. Urteile der WTO seien nur Empfehlungen, NAFTA-Beschlüsse hingegen verbindlich, hieß es aus Ottawa umgehend. NAFTA ist ein Wirtschaftsverbund zwischen den USA, Kanada und Mexiko. Das Abkommen trat 1994 in Kraft und schaffte im Rahmen der nordamerikanischen Freihandelszone zahlreiche Zölle ab. Es ging aus dem Kanadisch-Amerikanischen Freihandelsabkommen von 1989 hervor, gegen das damals die kanadische Linke, Gewerkschaften und Umweltschutzgruppen mobilisierten. Wirtschaftswissenschaftler gehen davon aus, dass NAFTA weniger zu einem größeren Handelsvolumen geführt hat, als vielmehr zu einer Verlagerung des Handels, bei dem Kanada, die USA und Mexiko jetzt vor allem unter sich Waren austauschen. Das tun sie übrigens sehr zum Ärger kanadischer Bauern, die seit Tagen vor kanadischen Regierungsgebäuden gegen den Import konkurrenzstarker, subventionierter US-Agrargüter protestieren.
Insbesondere die bei der Wahl im vergangenen Januar erstarkte linkssozialdemokratische NDP fordert die konservative Regierung nun auf, den Interessen der USA nicht mehr nachzugeben. Die NDP macht auf die zahlreichen Entlassungen in der Forstwirtschaft aufmerksam. „Stephen Harper hält sich selbst für einen Mann von Einfluss auf Washington, jetzt ist die Zeit für Resultate“, sagte NDP-Chef Jack Layton. Immerhin versprach Harper am Dienstag im für diese Amtsperiode neu eröffneten Parlament wiederholt, das Verhältnis zur Regierung Bush zu verbessern. Kommentatoren verglichen seinen Parlamentsauftritt stilistisch schon mit den State of the Union-Reden der US-Präsidenten. Seit sich Kanadas damalige liberale Regierung gegen einen Angriff auf den Irak ausgesprochen hatte, waren die Beziehungen zu Washington gespannt.
Umso erfreulicher für die Konservativen, dass Bush kürzlich in Cancun betonte, er erkenne Harpers Bemühungen in Afghanistan an. Kanada hat dort seine Truppenpräsenz auf 2.200 Soldaten erhöht. Erst vor wenigen Tagen starb ein kanadischer Soldat - möglicherweise durch friendly fire, das heißt den Beschuss durch Verbündete - bei einer gemeinsamen Maßnahme US-amerikanischer und kanadischer Einheiten. Noch wird in der kanadischen Öffentlichkeit nicht über einen Rückzug aus Afghanistan nachgedacht. Gleichwohl soll es demnächst auf Wunsch der Opposition eine Parlamentsdebatte über die Stationierung kanadischer Truppen geben. Nach Angaben aus Regierungskreisen wollen die Konservativen damit möglicher Kritik vorbeugen, sollte der Einsatz in Afghanistan das nächste Wahlkampfthema werden.