USAID wollte Opposition in Kuba stärken

Wie AP enthüllte, schickt die US-Entwicklungsbehörde unter dem Deckmantel ziviler Programme junge Menschen nach Kuba, um dort Kubaner zu rekrutieren

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Es ist kein gutes Jahr für die US-Entwicklungshilfebehörde USAID. Wie nun bekannt wurde soll sie junge Lateinamerikaner nach Kuba geschickt haben, um Dissens gegen die kubanische Regierung zu schüren. Erst vor wenigen Monaten war ein heimlich betriebener Kurznachrichtendienst bekannt geworden, mit dem ein "revolutionärer Wandel" auf der Insel angestoßen werden sollte. Aber auch in anderen Ländern regt sich Unmut über die Methoden von USAID.

Rund ein Dutzend junge Lateinamerikaner in geheimer Mission hat die staatliche Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID (United States Agency for International Development) in den vergangenen Jahren nach Kuba geschickt. Dort sollten sie "soziale Akteure bestimmen, die einen sozialen Wandel auf der Insel fördern könnten". Das berichtet die US-amerikanische Nachrichtenagentur Associated Press (AP) in einer breit angelegten investigativen Reportage, die am Wochenende veröffentlicht wurde (Dokumente). Demnach sind junge Leute aus Venezuela, Costa Rica sowie Peru undercover, oft als Touristen getarnt, nach Kuba gereist, um junge Kubaner für gegen die Regierung Raúl Castro gerichtete Aktivitäten zu rekrutieren. Als Deckmantel dienten zivile Programme, darunter ein Workshop zur HIV-Prävention.

Die jungen Menschen, die in ihren Heimatländern zum Teil für Menschenrechtsorganisationen aktiv waren, wurden für die Mission in Kuba von Creative Associates International angeheuert, einem in Washington D.C. ansässigen Unternehmen, das wiederum von USAID engagiert worden war. Für die mit der Mission beauftragten junge Leute kein ungefährliches Unterfangen: Die kaum in Spionagetechniken geschulten "Amateur-Agenten" sollten sich alle 48 Stunden melden, kommuniziert wurde über verschlüsselte Codes wie "Ich habe Kopfschmerzen", womit gemeint war, dass die kubanischen Behörden aufmerksam geworden sein könnten und die Mission abgebrochen werden sollte.

Vorher war ihnen eingebläut worden: "Obwohl es nie vollkommene Gewissheit gibt, vertraut darauf, dass die Behörden nicht versuchen werden, Euch körperlich zu schaden, sondern nur zu erschrecken", zitiert AP aus den schriftlichen Handlungsanweisungen. "Denkt daran, dass die kubanische Regierung es vorzieht, negative Medienberichte im Ausland zu vermeiden, ein verprügelter Ausländer passt ihnen also nicht." Im Fall einer Festnahme sollten sie Creative Associates nicht erwähnen und sich an die jeweilige Botschaft ihres Heimatlandes wenden. Rückendeckung sieht anders aus. Viel zu verdienen gab es trotz des beträchtlichen Risikos auch nicht. In dem AP-Bericht ist von 5,41 pro Stunde die Rede.

Auch unter Universitätsstudenten sollten Akteure für mögliche regierungskritische Aktionen gesucht werden. Rekrutierungslisten mit möglichen Führungsqualitäten wurden erstellt. "Es gibt keine Beweise, dass die politischen Ziele jemals realisiert wurden", heißt es in dem AP-Bericht. Vielmehr seien die kubanischen Interviewpartner erstaunt gewesen, als sie herausfanden, dass die Ausländer im Auftrag der US-Regierung tätig waren. "Sie waren unsere Freunde", sagte der Kubaner Hector Baranda, auf einer potentiellen Rekrutierungsliste ganz oben geführt. Er glaubt, dass die Besucher das typische kubanische Meckern als Tendenz zum Dissidententum missverstanden haben.

US-Außenministerium: "Stärkung der Zivilgesellschaft"

USAID erklärte nach Bekanntwerden des AP-Berichts, der Plan sei "weder geheim, noch verborgen, noch klandestin", sondern vielmehr Teil der durch den Kongress der Vereinigten Staaten geförderten Programme, um die kubanische Zivilgesellschaft zu stärken. Auch die US-Regierung verteidigte das Programm, gab jedoch zu, dass der HIV-Workshop einem doppelten Zweck diente. Er "ermöglichte Unterstützung für die kubanische Zivilgesellschaft, während ein zweiter Vorteil darin lag, den von Kubanern geäußerten Wunsch zu erfüllen, Information und Schulung über HIV-Prävention zu erhalten", sagte Jennifer Rene Psaki, Sprecherin des US-Außenministeriums am Montag.

"Within repressive environments such as Cuba, civil society and development practitioners alike are often subject to abuse, harassment, threats, verbal defamation, and unjustifiable prosecution and imprisonment. In these environments, USAID works with our implementing partners to ensure they are able to perform their work safely.

Congress funds democracy programming in Cuba to empower Cubans to access more information and strengthen civil society. USAID makes information about its Cuba programs available publicly at foreignassistance.gov. This work is not secret, it is not covert, nor is it undercover. Instead, it is important to our mission to support universal values, end extreme poverty and promote resilient, democratic societies. Chief among those universal values are the right to speak freely, assemble and associate without fear, and freely elect political leaders. Sadly, the Cuban people and many others in the global community continue to be denied these basic rights.

Statement von USAID.

Aber gerade die Verwendung eines Workshops zur HIV-Prävention für andere Zwecke - in internen Mitteilungen als "die perfekte Ausrede" für die politischen Ziele des Programms bezeichnet - könnte künftige Bemühungen der USA, die Gesundheit weltweit zu verbessern, untergraben und stieß auf scharfe Kritik. Der demokratische Senator Patrick Leahy, Vorsitzender eines für die Kontrolle der USAID-Mittel zuständigen Senats-Unterausschusses, erklärte als Reaktion auf die Enthüllungen: "Es mag für den USAID-Auftragnehmer ein gutes Geschäft gewesen sein; aber es trübt die lange Erfolgsgeschichte von USAID als Spitzenreiter bei der globalen Gesundheit."

Noch drastischer äußert sich Geoff Thale, Programmdirektor der Menschenrechtsorganisation Washington Office on Latin America: "Ich denke, sie schießen sich in den eigenen Fuß. USAID betreibe solide Programme zu Gesundheit, Demokratieförderung und Bildung. "Aber all das in Kuba macht die gute Arbeit zunichte."

Gestartet worden war das nun bekannt gewordene Programm im Oktober 2009 - zu einer Zeit also, als der gerade ins Amt gekommene Präsident Barack Obama von einem "Neubeginn" der Beziehungen zu Kuba sprach. Die AP-Untersuchung zeigt aber auch, dass die Operation oft am Rande der Katastrophe schwankte. Ende 2010 gab erste Anzeichen, dass die kubanischen Behörden aufmerksam wurden. Sie wollten wissen, wer die Reisen bezahlte. Die jungen Agenten waren auch nah dran, "potentielle Akteure eines sozialen Wandels zu identifizieren". Das Programm wurde schließlich abgeblasen.

Einmischung in innere Angelegenheiten

Von der US-Regierung mit Millionensummen unterstützt, ist USAID immer wieder in Aktivitäten gegen die kubanische Regierung verwickelt. Im April dieses Jahres hatte ebenfalls AP enthüllt, dass USAID einen Kurznachrichtendienst - "ZunZuneo" - für Kuba entwickelt hatte, um die dortige Regierung zu destabilisieren (USAID: Mit Sportnachrichten Kuba unterwandern). Schon beim Aufbau dieses an Twitter angelehnten Dienstes hatte die Behörde mit Creative Associates International zusammengearbeitet.

Angeregt durch den sogenannten Arabischen Frühling sollte wohl auch ein "revolutionärer Wandel" mit Hilfe sozialer Medien in Kuba angestoßen werden. Der Dienst gewann zwischenzeitlich bis zu 40.000 Nutzer, wurde im September 2012 aber eingestellt. USAID-Director Rajiv Shah nannte das Projekt später bei einer Senats-Anhörung "dumb, dumb, dumb".

USAID wurde im September 1961 durch eine Verordnung vom damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy ins Leben gerufen. Dass im selben Jahr - 1961 - die USA die diplomatischen Beziehungen zu Kuba abgebrochen haben, mit verdeckter Unterstützung der CIA Exilkubaner in der Schweinebucht eine Invasion versuchten, die im Debakel endete und im Februar 1962 die USA ihre bis heute andauernde absurde Blockade gegen die sozialistische Karibikinsel begannen, ist wohl eher Zufall. USAID arbeite daran, die extreme weltweite Armut zu beenden und es robusten, demokratischen Gesellschaften zu ermöglichen, ihr Potenzial zu erkennen, heißt es auf der Webseite der Behörde. USAID agiert zwar selbstverantwortlich, unterliegt aber den Weisungen des US-Außenministeriums.

Zuletzt haben die Regierungen verschiedener Staaten USAID die Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Ländern, in denen sie Hilfsprojekte betreibt, vorgeworfen. Kuba ist also nicht der einzige dunkle Fleck auf der Weste der Entwicklungshilfebehörde. Im Jahr 2012 ließ USAID auf Wunsch Moskaus seine milliardenschweren Hilfsprogramme für Russland auslaufen. Die russische Regierung erhob schwere Vorwürfe gegen die Behörde. Sie habe versucht, Einfluss auf die Innenpolitik und den Ausgang von Wahlen zu nehmen und sich in den Krisenregionen im Kaukasus eingemischt.

Im vergangenen Jahr verwies Boliviens Präsident Evo Morales USAID des Landes. Er beschuldigte die US-Amerikaner der Einmischung und sprach von einer "Verschwörung" gegen seine Regierung. Und auch ihre Entwicklungshilfsprogramme in Ecuador hat USAID wegen langanhaltender Streitigkeiten mit der Regierung Rafael Correa eingestellt.

Gerade in Lateinamerika wird das Klima für USAID also frostiger. Und dann ist da ja noch der Fall Alan Gross. Der USAID-Mitarbeiter war im Dezember 2009 in Havanna festgenommen worden. Er soll satellitengestütztes technisches Equipment nach Kuba gebracht haben; wegen Spionage wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt. In einem Ende Mai veröffentlichten Interview bezeichnete US-Vizepräsident Joe Biden die Inhaftierung des US-Bürgers Alan Gross auf Kuba als "wichtiges Hindernis" für eine Verbesserung der Beziehungen. Kuba fordert im Gegenzug die Freilassung der drei noch in den USA einsitzenden sogenannten "Cuban Five", kubanischer Agenten, die im Auftrag der Regierung in Südflorida Informationen über exilkubanische Gruppen gesammelt hatten, um Terroranschläge auf der Insel zu verhindern. Die USA haben einen Gefangenenaustausch zuletzt aber wiederholt abgelehnt.

Nachdem Gross festgenommen worden, teilte USAID seinen Auftragnehmern inoffiziell mit, dass sie darüber nachdenken sollten, Reisen nach Kuba auszusetzen. AP verweist auf entsprechende Emails. "Wir legen Wert auf ihre Sicherheit", schrieb ein leitender USAID-Beamter in einer Email - weniger als eine Woche nach der Inhaftierung von Gross. "Die Anleitung gilt für ALLE auf die Insel Reisenden, nicht nur US-amerikanische Bürger", so ein anderer USAID-Mitarbeiter. Die jungen Lateinamerikaner in geheimer Mission wurden aber weiter nach Havanna geschickt.