Über 300.000 minderjährige Flüchtlinge in Deutschland

Grüne und Unicef kritisieren Umgang mit asylsuchenden Kindern und Jugendlichen

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Mehr als 300.000 minderjährige Flüchtlinge halten sich derzeit in Deutschland auf. Etwa 100.000 von ihnen sind unter sechs Jahre alt. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervor. Laut Medienberichten umfassen diese Zahlen aber nicht die minderjährigen Flüchtlingen, die alleine bis nach Deutschland gereist sind.

Die Grünen üben derweil Kritik am Umgang der Bundesregierung mit den jungen Flüchtlingen. Franziska Brantner, kinder- und familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundesparlament, sagte: "Die Antworten sind in sich widersprüchlich: An einer Stelle betont die Bundesregierung ausdrücklich die große Bedeutung von Schutz- und Spielräumen für geflüchtete Kinder." Dann aber müsste festgestellt werden, dass die Bundesregierung sich nicht für ein Betreuungsangebot der Kindern während einer Anhörung der Eltern beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einsetze. "Diese Haltung ist", so Brantner weiter, "unfassbar unsensibel; sie nimmt in Kauf, dass ohnehin schon traumatisierte Kinder die oftmals schrecklichen Schilderungen ihrer Eltern mitanhören müssen - oder, dass die Eltern aus Rücksicht auf ihre Kinder bei Befragungen zu Gräueltaten schweigen."

Ein Lagebericht von Unicef zur Flüchtlingskrise verweist auf den hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen unter den Flüchtlingen. "Bei den Flüchtlingen, die bis März 2016 auf dem Seeweg in Europa eintrafen, lag [der Anteil] bei 35 Prozent." Alleine zwischen September 2015 und Anfang seien 330 Kinder "bei der gefährlichen Überfahrt zwischen der Türkei und Griechenland. Wie viele Kinder unter den Opfern der jüngsten Tragödien im Mittelmeer vor der griechischen und der italienischen Küste ihr Leben verloren haben, ist noch unbekannt."

Unicef hebt in seinem Bericht hervor, dass sich trotz des Rückgangs an Zuzugszahlen die Aufenthaltsdauer von "vielen Kindern und ihren Familien" in Unterkünften, die nicht kindgerecht seien, verlängert habe. In diesen Unterkünften sei der Schutz der Kinder nicht gewährleistet, außerdem mangele es an "Hygiene, ausreichenden Spiel- und Lernmöglichkeiten sowie psychosozialen Hilfen". Die zu lange Bearbeitungsdauer der entsprechenden Asylanträge führe dazu, dass Familien sehr lange in Unsicherheit lebten und "zum Nichtstun verdammt sind".

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen macht außérdem in seinem Bericht darauf aufmerksam, dass Flüchtlingskinder auch "verdeckt" eingereist seien. Diese lebten unerkannt in Notünterkünften und Erstaufnahmeeinrichtungen. Bei "verdeckt" eingereisten minderjährigen Flüchtlingen handele es sich laut Unicef um "Minderjährige, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen (entfernten) Verwandten eingereist sind oder um Jugendliche, deren Alter falsch dokumentiert oder festgelegt wurde".

"Verdeckte unbegleitete Flüchtlingskinder", so heißt es in dem Unicef-Bericht weiter, "werden nicht systematisch identifiziert." Ein einheitliches Vorgehen im Fall, wenn Flüchtlingskinder mit nichterziehungsberechtigten Verwandten einreisten, existiere nicht. Die Jugendämter urteilten laut Unicef "nicht einheitlich, ob ein Kind, das mit Verwandten eingereist ist, als begleitet oder unbegleitet gelte.

Wie die Braunschweiger Zeitung berichtet, leben in Nordrhein-Westfalen 76.056 minderjährige Flüchtlinge, in Baden-Württemberg sind es 38.818, in Bayern 35.438 und in Niedersachen 32.995. Viele der minderjährigen Flüchtlingen kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.