Überall Blasen
Dick Cheneys Finanzberater ortet die "erste wirklich globale Blase" und ruft die nächste "Bubble-Time" aus
Zehn Jahre nach dem Ausbruch der Asienkrise und sieben Jahre nach dem Platzen der New-Economy-Blase ortet Jeremy Grantham Blasen überall: die "First Truly Global Bubble" reicht "von indischen Antiquitäten zu chinesischer moderner Kunst; von Immobilien in Panama bis Mayfair, von Wald bis Infrastruktur und von den letztklassigsten Anleihen bis zu den banalsten 'Blue Chip'-Aktien – it’s bubble-time!" Der 68jährige Grantham ist Chairman der in Boston beheimateten Investmentfirma Grantham, Mayo, Van Otterloo & Co. (GMO) die nach eigenen Angaben 2005 für den US-Vizepräsidenten Dick Cheney 6,1 Millionen Dollar aus dessen Privatvermögen verwaltete.
Seinen Quartalsbrief, der sich an Mitglieder von Investmentkomitees richtet, beginnt Grantham mit den zwei notwendigen Voraussetzungen für solche Investment-Bubbles: erstens müsste der fundamentale ökonomische Zustand exzellent oder - besser noch - nahezu perfekt aussehen. Zweitens muss üppige Liquidität zur Verfügung stehen und ‚Leveraging’ billig und einfach möglich sein. Dass Beides derzeit in hohem Ausmaß gegeben ist, gilt an den Finanzmärken als weithin akzeptierte Tatsache. Und da dem so ist, sind längst die üblichen selbst verstärkenden "animal spirits" (Lebensgeister) in Gang gekommen, die sich in niedrigen Risikoprämien ausdrücken: Je mehr Leverage man nimmt, umso besser läuft’s, je besser es läuft, um so mehr Leverage wird genommen. Wichtig sei zudem, dass die Investoren sich gegenseitig in ihrer Kauflaune bestätigen, wofür nicht zuletzt die Investmentbanken sorgen, die in "Bubble times" besonders gut verdienen.
Insofern sei der aktuelle Zustand der Finanzmärkte nicht ungewöhnlich, schreibt Grantham und verweist auf die New Economy-Blase gegen Ende der 90er und die japanische Immobilienblase am Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Einzigartig sei nur, dass die Blasen derzeit weltweit und überall Auftreten, was Bloomberg-Analyst William Pesek zwar für eine der mutigsten Prognosen der jüngeren Geschichte, angesichts des aktuellen Rekordhochs des Wall Street Aktienindex DOW aber offenbar auch nicht für ganz unrealistisch hält.
Für Grantham ist der globale Gleichklang ein Anzeichen dafür, wie globalisiert und korreliert die wirtschaftlichen "Fundamentals" und die davon abhängigen Finanzmärkte geworden sind. Grantham, der gerade von einer Weltreise zurückgekommen ist, hörte von extrem optimistischen Anlegern überall dieselben Begründungen, warum die Preise eigentlich nicht besonders hoch wären und weiter steigen müssten: "Land lässt sich nicht vermehren", "Bei diesen Wachstumsraten und den niedrigen Zinsen müssen Aktien einfach steigen" und "Private Equity wird die Märkte weiter vorantreiben".
Das alles manifestiere sich darin, dass die drei wesentlichen Investmentklassen Immobilen, Aktien und Anleihen allesamt deutlich teurer sind als im historischen Vergleich. Die Risikoprämien, die Investoren als Kompensation für höhere Risiken bekommen sollten, wären nach Grahams Berechnung daher erstmals negativ geworden. So hätten riskante Portfolios (siehe Grafik) gemessen an den jährlichen Kursschwankungen im September 2002 mit 7,8 Prozent rentiert, während die am wenigsten riskanten Portfolios real 3,8 Prozent abwarfen (wobei GMA eigene 7-Jahresprognosen auf Fair-value-Basis und ein über alle Anlagekategorien neutrales globales Portfolio zugrunde legt). Im Mai 2006 hätten zu den gegebenen Preisen riskante Anlagen mit 2,1 Prozent demnach niedrigere Erträge erwarten lassen als die sichersten Investitionen, die 2,3 Prozent an Realerträgen bringen sollten.
Glaubt man diesen Daten, dann wäre die logische Konsequenz, alle Investitionen in "Cash" bzw. erstklassige Staatsanleihen umzuschichten. Wie Grantham anmerkt, wäre eine solche Entscheidung für Finanzmarktteilnehmer – "selbst wenn sie mit jeder Faser ihres Körpers an dieses Szenario glauben" - freilich unmöglich, da sie dadurch Geschäft und Kariere riskieren würden.
Es sei zudem vermutlich auch noch nicht an der Zeit auszusteigen. Denn die meisten Blasen würden, bevor sie zwangsläufig platzen müssten, erst noch eine Phase mit exponentiellen Preissteigerungen durchleben, die bislang noch ausstehe. Grantham meint, eine Flut an "Private equity"-Investitionen (Kapitalbeteiligungen an Unternehmen) könnte für diesen ultimativen Aufschwung sorgen, weswegen er auch vermutet, diese globale Blase könnte einmal als "Private equity"-Blase in die Geschichtsbücher eingehen. Einen eigentlichen Auslöser für das Platzen der Blasen bedürfe es Grantham zufolge zwar nicht, was die nahezu perfekten ökonomischen Verhältnisse aber am stärksten gefährden könnte, wären eine steigende Inflation, die die Notenbank von Zinssenkungen abhalten könnte, und rückgängige Unternehmensgewinne, die sich derzeit global noch weit über ihren historischen Durchschnittswerten bewegen. Da sich solche Blasen bisher aber immer in relativ begrenzten Investmentkategorien abgespielt haben und diesmal schlechterdings alles betroffen ist, könnte der Stress, dem sich Weltwirtschaft und Finanzsystem dann ausgesetzt sehen könnten, für böse Überraschungen sorgen.