Überlebensstrategien der Korallen

Die Korallenriffe sind durch Umweltverschmutzung und die globale Klimaerwärmung bedroht, doch die Blumentiere sind widerstandsfähiger als geahnt

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Korallen besiedeln vor allem die tropischen Meere. Die sesshaften Tiere bilden Kolonien, aus denen Bänke und letztlich Riffe entstehen. Die Korallenriffe sind der artenreichste Lebensraum unter Wasser. In jedem einzelnen leben bis zu 3.000 Tierarten. Doch die zunehmende Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre und im Meerwasser macht ihnen zu schaffen. Wenn sich die Umweltbedingungen nicht ändern, könnten sie bald ausgestorben sein. Allerdings gibt es einen Hoffnungsschimmer, denn israelischen Forschern ist es nun gelungen zu beweisen, dass Korallen sich nach Schädigungen erstaunlich gut regenerieren können.

Das massive Sterben der Korallenriffe beunruhigt seit Jahren nicht nur Tauch-Touristen und Umweltschützer. Der Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) kam bereits 2001 zu dem Schluss:

Eine zukünftige Erwärmung der Oberflächentemperatur der Ozeane wird zu mehr Stress für Korallenriffe führen und (...) häufiger marine Krankheiten zur Folge haben.

Fast ein Drittel ist bereits zerstört, Experten gehen davon aus, dass in dreißig bis fünfzig Jahren die restlichen Korallenriffe verschwunden sein könnten, wenn die Freisetzung von Treibhausgasen nicht gebremst wird. Der neueste Bericht des IPCC stellt klar, dass niemals zuvor in den letzten 650.000 Jahren so viel CO2 in der Luft war wie heute. Wenn wir so weitermachen, wird die durchschnittliche Temperatur auf der Welt bis zum Ende des Jahrhunderts um vier Grad Celsius angestiegen sein (vgl. Kein Weckruf, sondern eine gellende Sirene. Ein lebensbedrohliches Szenario für die Korallen.

Eine Steinkoralle, nachdem sie den Bedingungen im Aquarium mit niedrigem PH-Wert des Experiments ausgesetzt war. Foto: A. Briestien

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagzins Science stellen Maoz Fine und Dan Tchernov vom Interuniversity Institute for Marine Science im israelischen Eilat die Ergebnisse ihrer Forschungen über die Widerstandsfähigkeit von Korallen vor.

Bei relativ hohen Temperaturen verlieren die Korallen die Algen, mit denen sie sonst in Symbiose zusammenleben und sie verblassen, bzw. werden transparent – das Phänomen wird Korallenbleiche genannt. Durch den Anstieg des Kohlendioxidgehalts im Meerwasser verändert sich zudem der PH-Wert, ein Effekt, der bereits nachgewiesen wurde und sich künftig wahrscheinlich noch verstärken wird. Spezialisten gehen davon aus, dass die Ozeane an ihrer Oberfläche immer saurer werden – innerhalb der nächsten 300 Jahre um bis zu 1,4 PH-Einheiten.

Dazu kommen durch Flüsse ins Meer geschwemmte Giftstoffe (v.a. Abwässer und Düngemittel) sowie Zerstörungen durch die Fischerei oder Taucher. Die veränderten Bedingungen machen es für die Korallen immer schwieriger, ihre Skelette (größten Teils aus Aragonit) aufzubauen, um Riffe zu bilden. Längst wurde der Notstand in den versteinerten Unterwassergärten ausgerufen. Die geschädigten Blumentiere werden verstärkt krank und sterben letztlich ab. Das Phänomen wird weltweit beobachtet (vgl. Global Coral Disease Database) und überall wurden Organisationen gegründet, die sich dem Schutz der Korallenriffe verschrieben haben (vgl. The Coral reef Alliance , U.S. Coral Reef Task Force, Australian Coral Reef Society).

Eine verweichlichte Steinkoralle während des Experiments, Foto: A. Shoob

Korallenriffe entstehen, weil die Polypen der Korallen Mineralien einlagern und so Skelette bilden, die durch die Vielzahl nebeneinander siedelnder Tiere und in der Abfolge von Generationen die verzweigten Baumstrukturen entstehen lassen, die nicht nur den Korallen selbst Schutz bieten, sondern den Lebensraum für eine Vielzahl von Schwämmen, Krebsen und Fischen darstellen. Ein sensibles Ökosystem, das bis heute nicht völlig verstanden ist. Maoz Fine und Dan Tchernov testeten nun, wie regenerationsfähig Korallen sind.

Sie setzten Proben aus fünf verschiedenen Korallenriffen in Aquarien im Labor mit saurerem Salzwasser, als es die Exemplare der Arten Oculina patagonica, einer Steinkoralle aus dem Mittelmeer und Madracis pharencis gewöhnt sind. Ansonsten wurden ihre üblichen Lebensbedingungen simuliert. Nach einem Monat im sauren Wasser zeigten sich morphologische Veränderungen. Zuerst dehnten sich die Polypen in die Länge, danach löste sich die Kolonieform auf und letztlich zerfiel das gesamte Skelett. Aber erstaunlicherweise blieben die Polypen dem steinigen Untergrund verhaftet, auf dem sie ursprünglich ihre Kolonie angelegt hatten. Es gelang ihnen, ihre Biomasse stark zu vergrößern und mehrheitlich die Symbiose mit ihren Algen aufrecht zu erhalten, das heißt es erfolgte keine Ausbleichung.

Wie Anemomen sehen die Polypen aus, die in der sauren Umgebung ihr kalkhaltiges Skelett verloren haben. Foto: A. Briestien

Alle Korallen im Experiment überlebten die 12 Monate lange Übersäuerung in verweichlichter Form und reproduzierten sich sogar. Als die Probeexemplare in ihre natürliche Umgebung zurückgesetzt wurden, begannen sie sofort wieder Skelette zu bilden und gründeten eine neue Kolonie.

Die Wissenschaftler legen Wert auf die Feststellung, dass ihre Forschungsergebnisse zwar verdeutlichen, wie Korallen Stresszeiten überstehen können, dass aber der Schutz der Riffe dennoch alles andere als überflüssig ist. Die Korallenriffe sind wichtige Unterwasser-Biotope und darüber hinaus haben sie auch andere wesentliche Funktionen, von denen der Mensch profitiert, wie unter anderem der Schutz vor Erosion von Küstengebieten.