Ukraine-Krieg: Die Gegenoffensive hat begonnen

Ukrainische Militärfahrzeuge vor wenigen Tagen am Stadtrand von Shebekino. Foto: Невідомо / CC-Zero

Meldungen verdichten sich: Kiews Offensive startet mit westlichen Waffen, aber zunächst ohne entscheidende Erfolge. Welche riskanten Manöver der Ablenkung dienen.

Die ukrainische Gegenoffensive läuft unter Verwendung der vom Westen gelieferten Waffen. Das berichtete bereits am Donnerstag die Washington Post unter Berufung auf vier Quellen im ukrainischen Militär. Schon einige Tage zuvor war der Beginn des ukrainischen Angriffs vom russischen Verteidigungsministerium gemeldet worden.

Auch laut dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ist die lang erwartete ukrainische Gegenoffensive im Gange. "Wir können mit Sicherheit sagen, dass diese Offensive begonnen hat", sagte Putin am Freitag laut einem Bericht der Agentur Interfax vor Journalisten. Von entscheidenden Durchbrüchen ist aktuell aber noch nirgends die Rede.

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Kiew dementiert zunächst, greift aber an

Ukrainische Offizielle machen zu diesem Thema sich widersprechende Angaben und scheinen bei der Taktik zu bleiben, sich bei ihren Planungen nicht in die Karten schauen lassen zu wollen. Auch die Quellen der Washington Post machten ihre Aussagen nur unter dem Siegel der Anonymität. Noch vorgestern hatte Oleksiy Danilo vom Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine gegenüber Reuters jeden Offensivbeginn dementiert.

"Wenn wir Gegenoffensiven starten, werden alle davon erfahren, man wird es sehen", diktierte der Spitzenbeamte den Journalisten ins Mikrofron.

Der Umfang der Angriffe der Kiewer Truppen, die es nun dennoch unzweifelhaft gibt, bleibt generell umstritten. Russland spricht von einer "Großoffensive", die exilrussische Online-Zeitung Meduza berichtet unter Berufung auf Drohnenaufnahmen und prorussische Militärkorrespondenten nur von örtlichen Vorstößen im Grenzbereich der Regionen Donezk und Saporischschja. Damit könnte die russische Verteidigungsbereitschaft getestet werden.

Auch erste ukrainische Verluste seien dort laut Meduza dokumentiert, gleiches berichtet der US-Nachrichtensender CNN. Diese Stelle an der Front sei für den Hauptvorstoß laut Meduza eher riskant und würde auf eine Rückeroberung der Hafenstadt Mariupol zielen. So sei es auch möglich, dass man hier nur vom wirklichen Hauptangriff ablenken wolle, der woanders stattfinde.

Mit diesem wird weiter südwestlich gerechnet, wo die Ukrainer mit einem Vorstoß zum Meer wichtige russische Versorgungsrouten abschneiden könnten und am Eingang der Halbinsel Krim stehen würden. Dennoch spricht CNN bei Bachmut von einem letztlich gescheiterten Versuch, die russischen Verteidigungsstelle zu durchbrechen, wobei auch US-Militärausrüstung zerstört worden sei.

Attacken auf russisches "Mutterland" als Ablenkung

Ein weiteres Ablenkungsmanöver dürften fortgesetzte Angriffe der Ukrainer auf das russische Grenzgebiet bei Belgorod sein, also international anerkanntes russisches Gebiet. Aus der Grenzstadt Schebekino berichtet eine Reporterin der oppositionsnahen Zeitung The Insider von umfangreichen Zerstörungen und Unmut der örtlichen Bevölkerung, während nicht nur Beschuss erfolge, sondern auch immer wieder aus der Ukraine Kämpfer in die Grenzregion einsickerten.

Diesen Job überlässt man nach einem ersten spektakulären Vorstoß exilrussischen Kämpfern der ukrainischen Armee, die von deutschen Zeitungen immer wieder unzutreffend als eine Art unabhängige Partisanen geschildert werden, jedoch reguläre Einheiten der Kiewer Truppen sind. Sie wollen die Verlegung von Fronttruppen zur Abwehr dieser Angriffe auf das russische Mutterland erreichen.

Beiderseitiger Drohnenkrieg wird fortgesetzt

Begleitet werden Meldungen über Kämpfe immer wieder von solchen über Drohnenangriffe auf das Hinterland beider Seiten. Dabei ist in Russland weiter nicht nur die unmittelbare Grenzregion betroffen, in der Region Belgorod wurden heute vier Drohnenangriffe gemeldet. Aber auch im weiter von der Grenze entfernten Woronesch wurde der Einschlag einer Kamikaze-Drohne mit Sprengstoff in ein Wohnhaus mit drei Verletzten von Gouverneur Alexander Gusew bestätigt.

Offizielle ukrainische Stellen meldeten einen Angriff Russlands mit bis zu 16 Angriffsdrohnen in der Region Schytomyr, die einen Toten und drei Verletzte forderte. Da die Kämpfe sich zu intensivieren scheinen, ist in den nächsten Tagen mit mehr Opfern zu rechnen.