Ukraine-Krieg: Die fatalen Folgen eines Verhandlungsfriedens

Seite 2: Würde es zu einer weiteren Offensive kommen?

Bezeichnend ist, dass deren Schreiben an die Nato und die USA vom 17. Dezember 2021 "berücksichtigt" werden sollen, in denen ja die Rückabwicklung der Veränderungen in Mittelosteuropa seit 1991 verlangt wurde.

Und es darf angenommen werden, dass Russland jeglichen Waffenstillstand zur Auffrischung und Neuordnung seiner militärischen Kräfte benutzen, die nächste Offensive vorbereiten und generell so handeln wird wie nach dem Minsk-II-Abkommen, das die Verfasser nur hinsichtlich der die inneren Angelegenheiten der Ukraine betreffenden Aspekte würdigen und nicht hinsichtlich der russischerseits übernommenen Verpflichtungen.

Über 12.000 Tote gab es nach dem damaligen "Waffenstillstand"! "Die Ukraine hat dem russischen Angriffskrieg bisher durch die umfassende Unterstützung des Westens widerstanden" ist nur die halbe Wahrheit.

Ohne den geradezu heldenhaften Widerstand der Streitkräfte und des ganzen Volkes in seiner Entschlossenheit, sich nicht unterwerfen zu lassen, hätten auch westliche Waffen nichts genützt.

In diesem Zusammenhang fällt der Vorwurf gegen "die bisher und immer wieder aufs Neue von Laien geforderte Lieferung von ‚Wunderwaffen‘" auf die Verfasser zurück.

Damit sind wohl Experten wie der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter ("deutsche Politiker, die das strategische Prinzip der Zweck-Mittel-Relation nicht verstehen") oder auch General a.D. Erhard Bühler und der Autor dieser Zeilen gemeint, die schon lange für die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern eintreten.

Der Fall möge hier als Exempel dafür dienen, wer wohl laienhaft argumentiert: Taurus ist eine Luft-Boden-Abstandswaffe mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern. Circa 600 Systeme befinden sich im Bestand der deutschen Luftwaffe.

Die Ukraine fordert seit Langem einen Teil davon mit zunehmender Dringlichkeit, weil damit hinter den russischen Verteidigungslinien und aus sicherer Entfernung Ziele wie Gefechtsstände, Straßen und Eisenbahnlinien, Brücken, logistische Einrichtungen wie Depots und dergleichen getroffen werden können – zur Reduzierung der russischen Kampfkraft und zur Beeinträchtigung des Nachschubs.

Entscheidungen werden hinausgezögert

Wie wirksam solche Systeme sind, erweist sich an den von Großbritannien und Frankreich bereits gelieferten Marschflugkörpern Storm Shadow und Scalp.

Insofern gibt es hier nicht die Gefahr eines deutschen "Alleingangs". Trotz der Appelle auch aus den Koalitionsparteien zögert Bundeskanzler Scholz mit einer Entscheidung.

Es wiederholt sich offenbar das Drama um die Kampf- und Schützenpanzer, wo die positive Entscheidung erst ein Dreivierteljahr nach dem Bundestagsbeschluss vom 28. April 2022 für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine fiel.

Dass diese im vergangenen Herbst nicht die Mittel hatte, das Angriffsmomentum bei Charkiw und Cherson auszuweiten, hat es den russischen Kräften erst ermöglicht, sich während eines halben Jahrs ungestört zu tief gestaffelter, befestigter Verteidigung einzurichten und das Gelände in nie gesehenem Ausmaß zu verminen.

Warum die Appelle auch von Koalitionspolitikern an ihm abprallen, begründet der Bundeskanzler nicht und verweist lediglich auf die Unterstützung seines "besonnenen" Kurses durch die Bevölkerung. Die wäre jedoch sicher zu größerer Zustimmung bereit, würde eindringlich erklärt, dass bei einem Sieg Putins die Kosten auch für uns viel höher wären, als was wir jetzt "auszuhalten" haben in puncto Flüchtlinge, Inflation, Energiekosten.

Setzte er seine Ziele durch, werden vielleicht sogar eines Tages deutsche Soldaten bei der Verteidigung Litauens ums Leben kommen.

Natürlich sind Scholz’ eigentliche Beweggründe leicht zu vermuten: Verstecken hinter dem auch zögerlichen US-Präsidenten; Eskalationsfurcht (die sich aber bei keinem Übergang zu einem potenteren Waffensystem als berechtigt erwies); Misstrauen gegenüber ukrainischen Zusagen, westliche Systeme nicht auf russischem Territorium einzusetzen; Rücksichtnahme auf Kräfte in der SPD.

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