Ukraine-Krieg: Die fatalen Folgen eines Verhandlungsfriedens
Seite 3: Taurus ist keine Wunderwaffe
Auch wenn das Zeitfenster für Taurus eigentlich schon fast verpasst ist (gut, dass wenigstens London und Paris geliefert haben!), hätte man gehofft, dass am Rande der UN-Generalversammlung oder bei der letzten Ramstein-Konferenz endlich eine positive deutsche Entscheidung verkündet worden wäre.
Natürlich ist das System Taurus keine "Wunderwaffe", solche gibt es nicht, und eine derartige Unterstellung gegenüber den "laienhaften" Politikern ist albern. Aber es kann im oben beschriebenen Sinn zur Verkürzung des Krieges beitragen.
Der wird wohl nicht dadurch enden, dass der letzte Quadratkilometer eroberten ukrainischen Territoriums physisch befreit wird. Aber realistische Szenarien, wie die russischen Streitkräfte zum Abzug gezwungen werden, lassen sich durchaus vorstellen und sollten verfolgt werden.
Der Beitrag ist auch durchzogen von dem Unterton, Russland verfolge mit dem Krieg vertretbare Ziele, "eine weitere Eskalation durch absehbare Offensiven der russischen Streitkräfte" wird als Reaktion auf ukrainisches Handeln dargestellt, und von der "Verteidigung" durch die russischen Streitkräfte wird mit einer Konnotation des Legitimen gesprochen.
Ja, die Initiative liegt mittlerweile bei den ukrainischen Streitkräften, und taktisch ist Russland in der Gefechtsart Verteidigung. Aber diese "Verteidigung" spielt sich auf ukrainischem Territorium ab, sie ist das fanatische Festkrallen an geraubten Gebieten, ohne Rücksicht auf Verluste.
Diese sind auf russischer Seite wesentlich höher als auf ukrainischer, was der Beitrag nicht erwähnt.
Zum Schluss noch Folgendes: Wenn diese Reaktion im ersten Satz das Wort "empathielos" benutzt, so bezieht sich das auf die herzlose Art, in welcher der Verhandlungsvorschlag die Abtretung der von Russland annektierten Oblaste voraussetzt.
Man hört ja oft, wie von oben herab gesagt wird, ohne Gebietsabtretungen werde es für die Ukraine nicht abgehen. Dabei wird übersehen, dass "abzutretende Gebiete" nicht abstrakte Landstriche sind, sondern Regionen, Städte, Dörfer mit Millionen von Einwohnern, denen unter russischer Herrschaft das passiert, was andernorts schon vorkam und hier teilweise bereits im Gange ist: Mord, Folter, Vergewaltigung, Vernichtung von Lebensgrundlagen und Kulturgut, Liquidation von Kommunalpolitikern, gewaltsame Russifizierung – und, besonders verwerflich, die Verschleppung Zehntausender Kinder, deren Personalpapiere vernichtet werden und die man in russischen Familien oder Heimen einer "Umerziehung" unterzieht.
Können die Verfasser sich in die Lage der Eltern versetzen, die nach Kriegsende verzweifelt nach ihren Kindern forschen müssen? Diese Vorschläge zur Kriegsbeendigung gehen einseitig von der russischen Sicht aus, verschweigen den Charakter dieses verbrecherischen Angriffskrieges, implizieren eine Kapitulation der Ukraine und gehen in den Einzelheiten an den Realitäten vorbei. Ein "gerechter" Frieden kann nicht auf Anerkennung der russischen Kriegsziele aufgebaut werden.
Brigadegeneral a.D. Dr. Klaus Wittmann lebt in Berlin und lehrt Zeitgeschichte an der Universität Potsdam.
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