Ukraine-Krieg: Warum wir den Aufstand für den Frieden brauchen

Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs: Unterstützung für "Manifest für den Frieden" und Atomwaffenverbotsvertrag, Kritik an "nuklearer Teilhabe". Neuer Bericht schätzt Folgen eines begrenzten atomaren Schlagabtauschs ein.

Meine Vorbemerkungen möchte ich mit den Worten der Schriftstellerin Christa Wolf aus ihrer 1983 erschienenen Erzählung Kassandra über den Trojanischen Krieg beginnen:

Wann der Krieg beginnt, das kann man wissen, aber wann beginnt der Vorkrieg? Falls es da Regeln gäbe, müsste man sie weitersagen. In Ton, in Stein eingegraben, überliefern. Was stünde da? Da stünde, unter anderen Sätzen: Lasst euch nicht von den Eigenen täuschen.

Ich gehöre zur älteren Generation und bin seit Anfang der 1980er-Jahre Mitglied der IPPNW, der Internationalen Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung, die 1985 den Friedensnobelpreis erhalten hat. Die IPPNW ist die größte berufsbezogene Friedensorganisation in Deutschland.

Damals- während der Auseinandersetzungen um die Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen in Deutschland- haben wir IPPNW-Mitglieder, wie viele hunderttausend Andere, auf den Straßen demonstriert, in weißen Kitteln und mit Plakaten, auf denen zu lesen war: "Wir werden Euch nicht helfen können." Diese Plakate bezogen sich auf den damals immer bedrohlicher werdenden Atomkrieg zwischen der Sowjetunion und der Nato in Europa.

Nach der Beendigung des Kalten Krieges 1991 habe ich mir nicht mehr vorstellen können, dass während meiner Lebenszeit noch einmal eine so bedrohliche politische Situation entstehen könnte, wie ich sie in den 1980er-Jahren und davor schon in der Kuba-Krise 1962 persönlich erlebt habe.

Aber jetzt hat sich mit der Ukraine-Krise, die seit dem gewaltsamen Maidan-Umsturz in Kiew 2014 weiter eskaliert ist, und dem Beginn des Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022 wieder eine höchst gefährliche Situation für uns alle entwickelt, die wahrscheinlich noch bedrohlicher ist als die Krisen vor 40 oder 60 Jahren.

Da ich mich im bewegten Ruhestand befinde, und noch publizistisch tätig bin und mich diese bedrohliche Situation mit großer Sorge erfüllt, habe ich in der letzten Zeit mehrere Artikel in sogenannten alternativen Medien wie den Online-Magazinen Telepolis und Overton zum Ukraine-Krieg veröffentlicht.1

Hier habe ich mich kritisch mit dem herrschenden Narrativ über diesen Krieg auseinandergesetzt, dem wir Tag für Tag über unsere Leitmedien ausgesetzt sind. Das lautet etwa so:

Im Februar letzten Jahres hat der böse Putin hinterhältig und unprovoziert die friedliche Ukraine überfallen, weil er sie erobern und wieder das alte sowjetische Imperium errichten will. Dem treten wir, die Guten, die USA und die Nato-Staaten, entschieden entgegen, indem wir die Ukraine mit immer mehr schweren Waffen unterstützen und gegen Russland weitere einschneidende Sanktionen verhängen.

In meinen Artikeln zeige ich dagegen, gestützt auf Informationen und Argumenten aus Beiträgen von herausragenden US-Politikwissenschaftlern wie John Mearsheimer, die z. B. seit 2015 in zum Teil millionenfach geteilten Video-Vorträgen bei Youtube aufzurufen sind, dass es sich bei dieser herrschenden Erzählung über den Ukraine-Konflikt in unseren Leitmedien meist nicht um seriösen Journalismus, sondern um eine grob verzerrte Darstellung und damit um Propaganda handelt.

In Wirklichkeit sei – so Mearsheimer – der jetzt ausgebrochene Ukraine-Krieg vor allem ein seit Langem vorbereiteter Stellvertreter-Krieg zwischen den USA und Russland um geopolitische Interessen, mit den Ukrainern auf dem Schlachtfeld. Denn die USA und der Westen verfolgen spätestens seit dem Nato-Gipfel 2008 das erklärte Ziel, die Ukraine in die Nato aufzunehmen.

Und das entgegen vielfach gemachten eindeutigen Versicherungen von maßgeblichen westlichen Politikern gegenüber Gorbatschow bei den Verhandlungen zur deutschen Wiedervereinigung 1990/91, dass sich die Nato keinen "Inch" über die deutschen Grenzen hinaus weiter nach Osten ausdehnen würde, und trotz vieler Warnungen aus Moskau in der Zeit danach, dass damit eine breite rote Linie überschritten werde.

Mearsheimer sagt, das Ziel der USA sei, ein weiteres antirussisches Bollwerk an den russischen Grenzen zu errichten, um Russland als rivalisierende Großmacht zu schwächen oder ganz auszuschalten. In Russland dagegen werde das Umsetzen dieses Ziels als eine existenzielle Bedrohung wahrgenommen, die die russische Führung nicht hinnehmen will.

Deshalb tragen die Vereinigten Staaten nach seiner Auffassung und auch der anderer herausragender US-Wissenschaftler, wie etwa dem US-Star-Ökonomen Jeffrey Sachs, ebenfalls einen ganz wesentlichen Teil der Verantwortung für diesen mörderischen Krieg in der Ukraine, der dort nach dem russischen Angriff im Februar 2022 seit fast 12 Monaten tobt und jeden Tag droht, zu einem noch größeren Krieg bis hin zu einem Atomkrieg zu eskalieren.

Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte an dieser Stelle anmerken: Der im Februar 2022 von Russland begonnene Ukraine-Krieg ist für die Ukraine, aber auch Russland, eine Katastrophe, verstößt gegen den Artikel 2, Absatz 4 der Charta der Vereinten Nationen und ist damit völkerrechtswidrig.

Aber andererseits ist ebenfalls festzustellen: Das Führen von Angriffskriegen unter Bruch des Völkerrechts ist kein Alleinstellungsmerkmal für den jetzigen Krieg in der Ukraine. Dieses Merkmal hat dieser Krieg mit vielen anderen Kriegen seit 1945 gemein, die von den USA und der Nato geführt worden sind. Kein Staat hat so viel Übung im Bruch des Völkerrechts wie die USA, sagt Noam Chomsky, einer der bekanntesten US-Wissenschaftler unserer Zeit.

Und wenn ich nur an die letzten drei Jahrzehnte denke, fallen mir als Beispiele dafür der Krieg gegen den Irak 2003 und die weiteren Kriege im Nahen und Mittleren Osten ein, aber auch der Krieg gegen Serbien 1999, an dem Deutschland leider ebenfalls wieder beteiligt war. Diese Kriege der USA und der Nato waren ebenfalls völkerrechtswidrig, haben Hunderttausende Menschenleben gefordert und viele Staaten zerstört.

Über diese geschichtlichen Tatsachen wird in unseren Leitmedien im Kontext des Ukrainekrieges aber nur unvollständig oder gar nicht berichtet und es wird viel Heuchelei und Doppelmoral betrieben.2

Das sind einige kritische Gedanken zum herrschenden Narrativ und einige Hinweise auf eine ganz andere Erzählung über den Ukraine-Krieg.

Diese Fakten sind für eine realistische Beurteilung des Geschehens in der Ukraine wichtig und dürfen deshalb aus der öffentlichen Debatte nicht ausgeschlossen werden. Denn: Ohne deren Berücksichtigung wird der mörderische Ukraine-Krieg nach Meinung der genannten Experten und auch vieler Mitglieder der IPPNW, zu denen auch ich gehöre, wahrscheinlich nicht durch einen Verhandlungsfrieden zu lösen sein. Und was kommt an dessen Stelle auf uns zu?

Aber jetzt zu einigen Einschätzungen und Aktivitäten der IPPNW in der letzten Zeit.

"Manifest für den Frieden"

Auch wenn es zu einigen Fragen im Kontext des Ukrainekrieges unterschiedliche Meinungen in der IPPNW gibt, so ist mein Eindruck aufgrund meiner Kontakte und der Teilnahme an zwei zentralen Online-Veranstaltungen der, dass eine große Zahl unserer Mitglieder dafür eintritt, dass dieser Krieg so schnell wie möglich durch eine Verhandlungslösung zwischen den Beteiligten, und das sind Russland, die Ukraine und die USA, beendet werden muss, und weitere Waffenlieferungen das Sterben und die Zerstörungen in der Ukraine nur verlängern können.

Das kommt auch darin zum Ausdruck, dass bei dem kürzlich veröffentlichten "Manifest für den Frieden" von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht neben vielen prominenten VertreterInnen aus Kultur und Wissenschaft wie der evangelischen Theologin Margot Käßmann auch Angelika Claußen, IPPNW-Vizepräsidentin Europa, zum Kreis der Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner gehört.3

Mit diesem Aufruf hat die bisher schweigende Hälfte der Bevölkerung eine Stimme erhalten, denn 59 Prozent fürchten laut einer neuen Umfrage von Infratest dimap eine Eskalation des Ukraine-Krieges zu einem dritten Weltkrieg, ja sogar zum Atomkrieg.

Dieses Manifest, das mittlerweile über 700.000 Unterschriften erhalten hat, ist ein Hoffnungsschimmer für alle Friedenswilligen in unserem Land und dürfte auch bei IPPNW-Kolleginnen und Kollegen eine breite Zustimmung und Unterstützung finden.

Aufgerufen wurde mit dem Manifest zu einer Großkundgebung unter dem Motto "Aufstand für den Frieden" am 25. Februar 2023 am Brandenburger Tor in Berlin, an dem laut Veranstalter circa 50.000 Menschen teilgenommen haben.

In einer aktuellen Erklärung des IPPNW-Vorstands vom 21.02.2023 zum "Manifest für den Frieden" und zur Kundgebung am 25.02.2023 am Brandenburger Tor heißt es, dass die IPPNW alle demokratischen Bürgerinnen und Bürger dazu aufruft, sich lokal und bundesweit für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen und für eine diplomatische Lösung zur Beendigung des Krieges.

Auch mehrere Mitglieder unserer Kieler IPPNW-Gruppe haben sich von der breiten und massiven Verunglimpfung dieser Veranstaltung in unseren Hauptmedien als rechts oder "rechtsoffen" und den gleichzeitigen widrigen Witterungsbedingungen (Temperaturen null bis drei Grad Celsius, Starkwind und teilweise Schneetreiben) nicht davon abhalten lassen, nach Berlin zu fahren.

Und sie wurden entschädigt durch ermutigende Reden von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht und sehr informative und klare Ansprachen von Brigadegeneral a. D. Erich Vad, ehemaliger Sekretär des Bundessicherheitsrates und militärpolitischer Berater von Angela Merkel, und dem langjährigen Friedensaktivisten Hans-Peter Waldrich. Am Beginn wurde eine eindringliche fünfminütige Video-Botschaft von Jeffrey Sachs abgespielt, die extra für diese Veranstaltung aufgenommen worden war.

Die Stimmung war trotz aller Widrigkeiten sehr gut und von Nazis habe ich weit und breit nichts gesehen oder gehört, so dass auch ich die Hoffnung habe, am Beginn einer jetzt endlich unbedingt notwendigen neuen Friedensbewegung teilgenommen zu haben.4

Atomwaffenverbotsvertrag

2017 haben die atomwaffenfreien Länder den Aufstand gegen die Atommächte gewagt. 122 Mitgliedstaaten der Uno haben damals den Vertrag über das Verbot aller Atomwaffen beschlossen.5

Für den Atomwaffenverbotsvertrag erhielt ICAN, ein internationales Bündnis von Nichtregierungsorganisationen, das sich viele Jahre für die Abschaffung aller Atomwaffen durch einen bindenden völkerrechtlichen Vertrag eingesetzt hat, 2017 den Friedensnobelpreis. Auch die IPPNW ist Teil dieses Bündnisses.

Inzwischen haben über 50 Staaten diesen Vertrag ratifiziert, sodass er 2021 in Kraft getreten ist. Kürzlich fand in Wien die erste weltweite Staaten-Konferenz zum UN-Atomwaffenverbot statt, an der Deutschland mit einem Beobachterstatus vertreten war. An dieser Konferenz hat auch eine Vertreterin unserer IPPNW-Gruppe in Kiel teilgenommen.

Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet den Vertragsstaaten, Kernwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu erwerben und zu besitzen, Kernwaffen einzusetzen oder ihren Einsatz anzudrohen, Kernwaffen zu lagern oder die Verfügungsgewalt darüber unmittelbar oder mittelbar anzunehmen und Kernwaffen über ihr Staatsgebiet zu transportieren. Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung, zwar mit wohlfeilen Lippenbekenntnissen, eine Welt ohne Atomwaffen zu befürworten, in der Uno gemeinsam mit den anderen Nato-Staaten gegen die Aufnahme der Verbotsverhandlungen gestimmt, und, gemeinsam mit den Atommächten, die Verhandlungen in der Uno boykottiert hat.

Der Atomwaffenverbotsvertrag war ein Ziel des jahrzehntelangen Kampfes der weltweiten Bewegung gegen die atomare Aufrüstung und auch des jahrzehntelangen Kampfes gegen die in Deutschland stationierten Atombomben.

Die Friedensbewegung in Deutschland, - von der leider bisher auf den Straßen noch nicht viel zu sehen ist, aber hoffentlich ändert sich das ja demnächst, hat deshalb allen Grund, den Widerstand gegen die Beteiligung unseres Landes an der Atomkriegsstrategie der USA, gegen die in Büchel stationierten US-Atomwaffen, gegen die damit verbundene Gefahr eines Atomkriegs in Europa und für die Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags auch unseres Landes verstärkt fortzusetzen.

"Nukleare Teilhabe" Deutschlands

Deutschland verfügt über keine "eigenen" Atomwaffen. Vielen Menschen in Deutschland ist aber nicht klar, dass und wie wir über die "Nukleare Teilhabe" an der Atomkriegsstrategie der Nato beteiligt sind.6

Im Rahmen der nuklearen Teilhabe haben die USA in vier europäischen Nato-Staaten ca. 150 taktische Atomwaffen, das sind frei fallende Atombomben vom Typ B61, stationiert. Neben Deutschland sind das Belgien, Italien, die Niederlande und die Türkei.

Bei der nuklearen Teilhabe liefern die USA die Atomwaffen, während die Stationierungsländer die Stützpunkte, die Trägerflugzeuge und die Piloten zur Verfügung stellen, die im Kriegsfall die Atomwaffen ins Ziel fliegen und abwerfen sollen. In Deutschland sind schätzungsweise circa 20 US-Atombomben auf dem Fliegerhorst Büchel in der Eifel stationiert.

Die IPPNW macht seit Jahren darauf aufmerksam, dass die nukleare Teilhabe eindeutig gegen den Atomwaffensperrvertrag von 1970 verstößt, den auch Deutschland unterzeichnet hat. Darin haben sich alle Nicht-Atomwaffenstaaten verpflichtet, "Kernwaffen oder sonstige Kernsprengkörper oder die Verfügungsgewalt darüber von niemandem unmittelbar oder mittelbar anzunehmen."

Trotz eines parteiübergreifenden Beschlusses des Bundestages im Jahr 2010 hält auch die jetzige Bundesregierung weiterhin an der Stationierung der US-Atombomben in Deutschland fest und lässt Piloten der Bundeswehr regelmäßig den Atomwaffeneinsatz für den Ernstfall trainieren.

Außerdem wurde in der letzten Zeit die "Modernisierung" der in Büchel stationierten US-Atombomben angekündigt, die bis Ende 2022 abgeschlossen sein sollte. Die neue B61-12 ist eine "Allround"-Atombombe, eine zielgenaue, elektronisch gesteuerte und gelenkte Atomwaffe mit variabler Sprengkraft, vergrößerter Reichweite und der Fähigkeit, tief verbunkerte Ziele zu zerstören.

Die B61-12 ist die erste Nuklearbombe, die mit einem derartigen Steuerungssystem ausgestattet ist. Durch die variable Sprengkraft, in der Größenordnung von sog. Mini-Nukes bis zur mehrfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe, ergeben sich für die Kriegsplaner erweiterte operative Möglichkeiten für den Einsatz dieser Nuklearwaffen.

Zusätzlich ist der Kauf einer neuen Generation von Atombombern von den USA als Ersatz für die derzeitigen Tornados in Planung, die im Rahmen der Nuklearen Teilhabe verwendet werden sollen.

Folgen eines begrenzten Atomkriegs

Die IPPNW hat kürzlich einen 27-seitigen Bericht mit vielen eindrucksvollen Abbildungen und instruktiven Tabellen mit dem Titel "Nukleare Hungersnot" veröffentlicht.7

Es handelt sich um die deutsche Übersetzung einer Arbeit, die von einem Team der Physicians for Social Responsibility, der US-amerikanischen Sektion der IPPNW, erstellt worden ist.

Seit Langem ist bekannt, dass ein großer umfassender Atomkrieg zwischen den beiden atomaren Großmächten die moderne Zivilisation zerstören und einen "Nuklearen Winter" auslösen und wahrscheinlich den größten Teil aller Menschen oder die gesamte Menschheit auslöschen könnte.

Aber was ist mit einem "begrenzten" Atomkrieg, der nur in einer Region der Erde wie z. B. in der Ukraine oder Asien stattfindet oder bei dem bloß ein kleiner Teil des weltweiten Arsenals zum Einsatz kommt?

Dieser neue IPPNW-Bericht fasst die jüngsten wissenschaftlichen Studien zusammen, die zeigen, dass sich ein sogenannter "begrenzter" oder "regionaler" Atomkrieg weder begrenzt noch sich nur regional auswirken würde. Ganz im Gegenteil, er hätte Auswirkungen auf den gesamten Planeten.

Die beiden Atom-Großmächte verfügen jeweils über circa 6.000 Atomsprengköpfe. Auch wenn bei einem Krieg nur drei Prozent, d. h., weniger als ein Zwanzigstel der weltweiten Atomwaffen, detonieren würde, kämen das Klima, die globalen Nahrungsmittelketten und wahrscheinlich die öffentliche Ordnung zum Erliegen. Millionen, vielleicht sogar Milliarden von Menschen, kämen in der Folge durch Hungersnöte und Unruhen ums Leben.

Denn in einem Atomkrieg käme es durch auf Städte und Industriegebiete abgeworfene Bomben zu Feuerstürmen, und das würde riesige Mengen an Ruß in die Atmosphäre befördern, die sich dann rasch verbreiten und den Planeten abkühlen würden, heißt es in dem IPPNW-Bericht.

"Hunger könnte ein Drittel der Erdbevölkerung töten", schreiben die Autorinnen und Autoren der genannten Studie, "und das schon als Folge eines Krieges, bei dem weniger als drei Prozent des globalen atomaren Arsenals zum Einsatz kämen".

Schlussbemerkungen

Die Tatsache, dass das oben genannte "Manifest für den Frieden" in so kurzer Zeit über 700.000 Unterstützer zählt, ist ermutigend und könnte bedeuten, dass ein langsames Umdenken in weiten Teilen unserer Bevölkerung tatsächlich begonnen hat.

Auch könnte die Einladung eines Mitglieds der IPPNW zu einer Rede über den Krieg in der Ukraine am diesjährigen Aschermittwoch in das Gemeindehaus in Heikendorf Ausdruck für ein beginnendes zaghaftes Umdenken von verantwortlichen Personen in der Öffentlichkeit sein.

Abschließend sei noch auf einen Artikel des Schweizer Journalisten Guido Biland hingewiesen.9 Das in diesem Beitrag abgedruckte "Gespräch" über die für uns alle entscheidende Frage, wie der Ukraine-Krieg zu lösen ist, hat mich zunächst in großes Staunen versetzt, aber zuletzt auch ein Schmunzeln bei mir ausgelöst. Deshalb hätte ein Bericht darüber gut zu meiner Aschermittwoch-Rede gepasst, wenn ich die Zeit dafür gehabt hätte.

Autor: Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin – Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit.

E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der vorliegende Artikel beruht auf einem Vortrag, den der Autor am Aschermittwoch, dem 22. Februar 2023, bei einer Veranstaltung der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Heikendorf im Landkreis Plön in Schleswig-Holstein im dortigen Gemeindehaus gehalten hat und der von ihm überarbeitet und aktualisiert worden ist.