Ukraine-Krieg und Weltordnung: Die Sicht der anderen
Seite 2: Innere Gefahren in den USA und neue souveräne Subjekte der Weltgeschichte
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Der Ukraine-Krieg habe zwar, anders als es der Kreml erwartet habe, den Westen eher gefestigt, wie die Autoren des Berichts resümieren.
Aber es gebe eine innere Gefahr der Spaltung: "Ein möglicher Sieg von Donald Trump bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2024 könnte die Einheit des Westens stärker bedrohen als alles, was Russland bisher zustande gebracht hat."
Zum anderen sei der Westen trotz der Konsolidierung nicht unbedingt einflussreicher in der Weltpolitik.
Das Paradoxe ist, dass diese neu gefundene Einheit mit der Entstehung einer post-westlichen Welt zusammenfällt. Der Westen hat sich nicht aufgelöst, aber seine Konsolidierung findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem andere Mächte nicht einfach tun werden, was er will.
ECFR
Die dominierende Sicht vieler im Westen, die die kommende internationale Ordnung als Rückkehr einer dem Kalten Krieg ähnlichen Bipolarität zwischen West und Ost, zwischen Demokratie und Autoritarismus sehen, könnte zu fatalen Ergebnissen führen, wird gewarnt.
So könnten Entscheidungsträger in den USA und der EU geneigt sein, Länder wie Indien und die Türkei als Swing States zu betrachten, die man auf die Seite des Westens ziehen kann.
Das entspreche jedoch nicht den Realitäten, da sich die Menschen in diesen Ländern selbst ganz anders verstehen: "als aufstrebende Großmächte, die sich in einigen Fragen auf die Seite des Westens stellen, in anderen jedoch nicht".
Selbst wenn die aufstrebenden Mächte mit dem Westen einer Meinung seien, werden sie oft gute Beziehungen zu Russland und China unterhalten. Als Beispiel wird etwa Brasilien genannt.
Der Westen wäre nach Ansicht der Autoren gut beraten, Indien, die Türkei, Brasilien und andere vergleichbare Mächte "als neue souveräne Subjekte der Weltgeschichte zu behandeln und nicht als Objekte, die auf die richtige Seite der Geschichte gezerrt werden müssen".
Diese Länder stellen keinen neuen dritten Block oder Pol in der internationalen Politik dar. Sie haben untereinander keine gemeinsame Ideologie. Vielmehr haben sie oft divergierende oder konkurrierende Interessen. Sie wissen, dass sie nicht den globalen Einfluss der USA oder Chinas haben. Aber sie sind sicherlich nicht damit zufrieden, sich den Launen und Plänen der Supermächte anzupassen.
Und der Sieg in der Ukraine?
Die Einschätzung der Autoren hierzu lautet, dass er für die Gestaltung der nächsten europäischen Ordnung entscheidend wäre. Aber als "höchst unwahrscheinlich" wird bewertet, dass er eine globale liberale Ordnung unter Führung der USA wiederherstellen werde.
Die Konsolidierung des Westens geschehe in einer zunehmend geteilten post-westlichen Welt. Der Westen werde in einer multipolaren Welt "mit feindlichen Diktaturen wie China und Russland, aber auch mit unabhängigen Großmächten wie Indien und der Türkei leben müssen".