Ukraine: Lange Warteschleifen für F-16-Lieferung
Niederlande und Dänemark versprechen bis zu 61 Kampfjets. Nötig sind gut ausgebildete Piloten und eine aufwendige Wartung. Letzteres könnte sich wegen russischer Angriffe zu einem politischen Problem entwickeln.
Die ukrainische Führung knüpft einige Hoffnungen an die Lieferung von F-16-Kampfflugzeugen. US-Präsident Biden hat Ende vergangener Woche den Niederlanden und Dänemark die Erlaubnis zur Lieferung erteilt.
Von beiden Ländern wurden dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj bis zu 61 F-16-Kampfjets als Gabe in Aussicht gestellt – "sobald die Pilotenausbildung zufriedenstellend abgeschlossen ist" (Guardian).
Dass dies die Schlagkraft der ukrainischen Verteidiger mit den Kampfjets erhöhen kann, wurde in Kiew und von der ukrainischen Luftwaffe mit Freude begrüßt.
Es gibt allerdings ein paar Probleme, die nicht leicht zu lösen sind. Dazu gehört vorneweg der Zeitpunkt der Lieferung. Exakte Angaben werden nicht gemacht. Man spricht davon, dass es lange Zeit dauern könnte.
"Kein Zeitplan"
Laut Lars Løkke Rasmussen, dem dänischen Außenminister, gibt es noch "keinen Zeitplan" dafür, wann die Ukraine die Flugzeuge erhalten könnte. Vorrang habe die Ausbildung der Piloten.
Die ersten Übungen dazu, so wird der Minister von der Financial Times zitiert, beginnen voraussichtlich Ende dieses Monats auf dem Luftwaffenstützpunkt Skrydstrup in Dänemark – und dauern mehrere Monate.
In den nächsten Wochen müssen ein paar schwierige Fragen beantwortet werden. Für die Pilotenausbildung sind gute Englischkenntnisse erforderlich. Das müssen sich manche ukrainische Piloten erst in Sprachkursen aneignen.
Davon abgesehen sind die militärtechnischen und strategischen Anforderungen an F-16-Piloten, um effektiv zu operieren, angesichts der russischen Luftverteidigungssysteme zeitraubend hoch.
Der Prozess wird sechs Monate dauern, um die Pilotenfähigkeiten zu erlernen, plus weitere vier Monate, damit die Pilotencrews technisches Englisch auf dem erforderlichen Niveau lernen.
The Guardian
Dazu kommen weitere, besondere Probleme: Die F-16-Kampfjets benötigen, zumal wenn sie aus älteren Beständen kommen, eine aufwendige Wartung. Auch das kostet Manpower, spezielle technische Kenntnisse und ebenfalls ausreichend gutes Englisch. Und viel Zeit.
Aufwendige Wartung
Geht es nach Hintergrundinformationen von Justin Bronk, einem ausgewiesenen Spezialisten für Luftwaffe und Militärtechnik, so sieht es nicht so aus, als ob die notwenigen Wartungsteams schnell genug aus Ukrainern rekrutiert werden können. Wobei den ukrainischen Fachkräften ein großes technisches Know-how und Improvisationsfähigkeit nachgesagt wird. Ob das für Überraschungen sorgen kann, die Spezialisten nicht auf der Rechnung haben?
Bronk, der Professor an der Königlichen Norwegischen Luftwaffenakademie ist und im Redaktionsausschuss der wissenschaftlich-technischen Zeitschrift "Waffen und Ausrüstung" des zentralen wissenschaftlichen Forschungsinstituts für Waffen und militärische Ausrüstung der Streitkräfte der Ukrainesitzt, müsste es eigentlich wissen. Dennoch ist er skeptisch:
Selbst bei Zeitplänen, die mit viel Risiko arbeiten, wird es Jahre dauern, um Wartungspersonal auf Gesellen- oder Meisterebene auszubilden, das in der Lage ist, die Wartung zu überwachen und zu gewährleisten.
Justin Bronk
Eine Lösung wären zivile Vertragspartner, die die Wartung, wie es bei anderen Empfängern von F-16 üblich ist, übernehmen. Aber damit entstehen weitere Probleme.
Das politische Risiko
Da die F-16-Stützpunkte Ziele für russische Angriffe abgeben, müsste man, um Risiken zu vermindern, mehrere, verstreute Basen einrichten, wozu noch mehr Personal und Material benötigt werde. Ohne dass damit das Risiko von Angriffen tatsächlich erheblich herabgesenkt würde. Auch verstreute Wartungsstätten werden angegriffen.
Dies erhöhe, so Bronk, ein politisches Risiko. Es könnten westliche Vertragspartner durch russische Angriffe getötet werden. Das ist der US-Regierung klar, weswegen davon auszugehen sei, dass ohne einen "grundlegenden Politikwechsel" in Washington keine Unterstützung durch US-amerikanische Auftragnehmer zu erwarten sei.
Die Niederlande und Dänemark würden ihre Wartungsteams selbst benötigen. So bleibe die Frage offen, wer die Wartung der F-16 in der Ukraine übernehmen könne.
Offen sei auch die Frage, ob der Aufwand für die F-16 nicht Mittel beschränke, die für andere, effektive Waffen benötigt werden. Dazu komme die Unsicherheit darüber, mit welchen Waffen die F-16 bestückt werden können.
Schlüsselelemente wie die AMRAAM-Variante AIM-120D mit großer Reichweite und die JASSM-Abstandsrakete müssen erst noch genehmigt werden. Möglicherweise werden als zu wertvoll im Sinne der Geheimhaltung ("sensitiv") angesehen, um es zu riskieren, dass sie in russische (und chinesische) Hände geraten.
Justin Bronk
"Erst spät 2024"
Schon Ende Mai rechnete der US-amerikanische Autor Daniel L. Davis, ein ehemaliger Oberstleutnant der US-Armee, damit, dass es "wahrscheinlich bis ins Jahr 2024 dauern (werde), die F-16 aus den Partnerländern zu bestimmen, ihre Flugtauglichkeit sicherzustellen und die anschließende Auslieferung mit dem gesamten Kontingent an Wartungsmaterial, Ersatzteilen und Munition zu bewerkstelligen".
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Im genannten Guardian-Artikel, der über den Besuch von Selenskyj am gestrigen Sonntag, den 20. August in den Niederlanden berichtet, ist davon die Rede, dass Kampfflugzeuge "erst spät im Jahr 2024" für Kampfeinsätze in der Ukraine bereit sein werden.
Aber es gebe immerhin jetzt einen "konkreteren Zeitplan und Verpflichtungen" für die Verlegung der F-16 als zuvor.