Ukrainekrieg: China gewinnt durch Ablenkung

Seite 2: China und Russland wollen kein festes Militärbündnis

Ein Haupthindernis in Bezug auf ein festes Militärbündnis zwischen Russland und China ist, dass beide Länder Angst haben, in Konflikte des anderen hinein gezogen zu werden. Ist diese Angst auf chinesischer Seite jetzt gewachsen?

Temur Umarow: Im Allgemeinen wollen weder Russland noch China ein Militärbündnis gründen. Ein solcher Wunsch wird den beiden Ländern immer wieder von Experten und Politikern aus anderen Ländern zugeschrieben, aber in den beiden Staaten selbst existiert dieser Wunsch nicht.

Und wie Sie richtig sagen: Es gibt in der Tat eine Reihe von Fragen, wo weder Russland noch China bereit sind, füreinander einzustehen. Wir sehen, wie China auf die Ukraine reagiert. Es ist neutral, wenn es zum einen sagt, dass Russland seine Sicherheitsinteressen in Europa schützen darf, zum anderen aber ausdrückt, für die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine zu stehen. Für China ist es die Ukraine, die Krim, Abchasien, Südossetien, für die es nicht einstehen will. Bei Russland sind es Chinas Streitigkeiten mit Indien oder im Südchinesischen Meer.

Vermindert das nicht den Wert der chinesisch-russischen Partnerschaft?

Temur Umarow: Nein. Sie kämpfen zwar nicht in den Kriegen des anderen, aber kritisieren sich auch nicht gegenseitig für Handlungen, mit denen sie eigentlich nicht einverstanden sind. Sie hören jetzt kein kritisches Wort aus China in Richtung Russland.

Und umgekehrt hatte China letztes Jahr einen bewaffneten Konflikt mit Indien und dort starben Dutzende Soldaten. Russland hat ebenfalls weder China noch Indien kritisiert, sondern war streng neutral.

Ein Bündnis wäre dagegen aber eine Verpflichtung, sich an allen militärischen Abenteuern des anderen zu beteiligen. Russland hat solche Verbündete, etwa Belarus, Kasachstan oder Tadschikistan, die Mitglieder des Vertrags über die kollektive Sicherheit.

China hat ja eigene Probleme mit den USA, vor allem in Bezug auf Taiwan. Denken Sie, dass die USA ihren Kurs hier ändern, um mehr Ressourcen für die Auseinandersetzung mit Russland zu haben?

Temur Umarow: Ja, das glaube ich. Wir hörten und lasen viel von Experten in den letzten Jahren, dass im 21. Jahrhundert die Hauptkonfrontation, die zwischen den USA und China sein wird. Weil beide die größten Volkswirtschaften seien, die größten Technologieproduzenten und die einflussreichsten Länder der Welt.

Gleichzeitig nahm man Russland nicht ernst. Russland wurde als schwindende Macht wahrgenommen, die bei dem, was heute in der Weltwirtschaft zählt, keine so wichtige Rolle spielt. Selbst im Weltall baut Russland auf die Basis, die in der Sowjetzeit begründet wurde und hat keine bahnbrechenden Neuentwicklungen gemacht. Aber Russland ist nicht bereit, eine solche Position zu akzeptieren, wie sie ihm von der Welt zugeschrieben wird. Was jetzt in der Ukraine passiert, ist auch ein Versuch Russlands, der Welt zu demonstrieren, dass es immer noch Dinge ändern kann.

Während sich die USA in den Kampf mit Russland verbeißen, hat China zusätzliche Zeit, um sich darauf vorzubereiten. Um es anders auszudrücken: Den Krieg gewinnt derjenige, der sich daran nicht beteiligt. Aktuell ist das China.

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