Ukrainische Landwirte in Not: Wie Russland und EU die Ernten bedrohen

Ohne Getreideabkommen bleiben ukrainische Landwirte wohl auf ihrer Ernte sitzen.

(Bild: Joe, Pixabay)

Schwere Zeiten für ukrainische Landwirtschaft. Seeweg für Export blockiert, Landweg nicht ausgebaut. Warum Osteuropäer die Getreide-Importe weiterhin blockieren.

Im Juli beginnt normalerweise die Weizenernte – hier in Deutschland ebenso wie in der Ukraine. Doch das Auslaufen des Getreideabkommens bringt die ukrainischen Landwirte in Bedrängnis: Auf dem Seeweg können sie ihre Produkte nicht mehr exportieren, auf dem Landweg sind die erwarteten Mengen kaum zu transportieren.

Agrarexporte sind für die ukrainische Wirtschaft von zentraler Bedeutung. Vor dem Krieg machten sie etwa zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts und rund 60 Prozent aller Exporte aus. Und mit den Steuereinnahmen konnte der hoch verschuldete ukrainische Staat einen Teil seiner Kredite bedienen.

Im Rahmen des Abkommens konnten bislang 33 Millionen Tonnen landwirtschaftlicher Erzeugnisse exportiert werden. Nach ukrainischen Angaben konnten bis 90 Prozent der ukrainischen Agrarexporte aus der Vorkriegszeit abgewickelt werden, berichtete Reuters.

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Das weiß auch die russische Regierung. Für sie dürfte das Auslaufen des Getreideabkommens ein weiteres Druckmittel gegenüber dem Westen sein: Entweder die Sanktionen werden gelockert oder die ukrainische Ernte geht weitgehend verloren.

Offiziell hält der Kreml die Tür für eine Rückkehr zum Abkommen offen

Am Mittwoch hatte der russische Präsident Wladimir Putin betont, dass Russland zu dem Abkommen zurückkehren werde, sobald der Westen die fünf Hauptforderungen erfülle.

Dazu gehören die Wiederzulassung der russischen Landwirtschaftsbank zum Swift-Zahlungssystem, die Wiederaufnahme des Exports von Landmaschinen und Ersatzteilen nach Russland. Dazu gehören die Aufhebung der Versicherungs- und Hafenzugangsbeschränkungen für russische Schiffe und Fracht, die Wiederinbetriebnahme einer beschädigten Exportpipeline für Ammoniak und die Freigabe der Konten und Finanzaktivitäten russischer Düngemittelfirmen.

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"Wenn all diese Bedingungen erfüllt sind, auf die wir uns zuvor geeinigt haben – sie sind nicht etwas, das ich jetzt erfunden habe -, sondern sobald sie erfüllt sind, werden wir sofort zu dem Abkommen zurückkehren", sagte Putin laut Reuters.

Moskau hat den Vereinten Nationen, die das Abkommen gemeinsam mit der Türkei vermittelt haben, drei Monate Zeit gegeben, um die im Abkommen festgelegten Schritte umzusetzen. Ansonsten dürfte das Getreideabkommen Geschichte gewesen sein. Die Crux an der Geschichte ist, dass die Umsetzung an den Sanktionen und dem Unwillen der Europäischen Union zu scheitern droht.

Osteuropäische Länder fordern Importverbot für ukrainische Agrarprodukte

Unterdessen haben fünf mitteleuropäische Länder – Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien und die Slowakei – gefordert, das von der EU verhängte Importverbot für ukrainisches Getreide mindestens bis Ende des Jahres zu verlängern. Diese Länder sind treue Verbündete der Ukraine im Konflikt mit Russland, sehen aber den Zustrom von ukrainischem Getreide als schädlich für ihre eigenen Agrarsektoren an.

Solidarität mit der Ukraine sei wichtig, aber die nationalen Getreidemärkte müssten geschützt werden, sagte der slowakische Landwirtschaftsminister nach einem Treffen der zentraleuropäischen Agrarminister in Warschau.

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Der polnische Landwirtschaftsminister Robert Telus sagte laut Reuters, die fünf Länder hätten eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie eine Verlängerung des Importverbots bis mindestens Ende des Jahres fordern.

Telus wies aber auch darauf hin, dass die Frage der ukrainischen Lebensmittelexporte die Europäer noch Jahre beschäftigen werde. Deshalb sollte die Europäische Union auch langfristige und infrastrukturelle Lösungen in Betracht ziehen.

Gleichzeitig nimmt Polen eine harte Haltung gegenüber der EU-Kommission ein. Premierminister Mateusz Morawiecki sagte: Polen wird das Verbot am 15. September nicht aufheben, auch wenn die EU sich nicht auf eine Verlängerung einigt.

Wichtigste verbleibende Route ist die Donau

Ähnlich äußerte sich der ungarische Landwirtschaftsminister Istvan Nagy. Budapest werde "alle Maßnahmen ergreifen, um weiteres Leiden der ungarischen Landwirte zu verhindern", wenn es keine Einigung gebe.

Der wichtigste verbleibende Transportweg für Agrarprodukte aus der Ukraine ist die Donau, die entlang der südwestlichen Grenze der Ukraine zu Rumänien verläuft.

Denys Marchuk, Vizepräsident des ukrainischen Agrarrates, der größten landwirtschaftlichen Organisation des Landes, schätzt laut Reuters, dass die ukrainischen Donauhäfen bis zu 3 Millionen Tonnen pro Monat transportieren können, was bei Weitem nicht ausreicht, um das Exportpotenzial des Landes zu decken.

Die Ukraine rechnet in diesem Jahr mit einer Getreideernte von 44 Millionen Tonnen, ein Rückgang gegenüber der Rekordernte von 86 Millionen Tonnen im Jahr 2021.

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