Billig-Getreide aus Ukraine: Polen enttäuscht von Brüssel

Bild: Carlos Barengo auf Pixabay

Warschau hatte auf schnelle und umfangreiche Hilfen aus Brüssel gehofft. Das Land muss Probleme aber weitgehend allein stemmen. Welche Folgen der Streit noch haben könnte.

Die Einfuhr von Lebensmitteln aus der Ukraine sorgt weiterhin für Zündstoff innerhalb der Europäischen Union. Am Freitag machte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bei einer Pressekonferenz seinem Unmut über die EU-Kommission Luft.

Die Hilfen aus Brüssel für die in Schwierigkeiten geratenen Bauern seien zu gering und kämen viel zu spät, erklärte er. "Was die EU uns anbietet, wird mit Verzögerung angeboten; es ist zu wenig, nur ein Tropfen auf den heißen Stein."

Morawiecki kritisierte damit ein Hilfspaket der EU-Kommission für die Landwirte in den Ukraine-Anrainerstaaten, das im Vergleich zu den polnischen Programmen marginal ist. Brüssel hatte 100 Millionen Euro angeboten – allein die polnische Regierung hat nun Hilfen in Höhe von mehr als zwei Milliarden Euro auf den Weg gebracht.

Die Landwirte haben mit niedrigen Preisen zu kämpfen und die maßgebliche Ursache dafür sind die ukrainischen Exporte. Vor dem Krieg in der Ukraine wurden die landwirtschaftlichen Produkte hauptsächlich auf dem Seeweg an ihr Ziel gebracht. Doch durch den Krieg sind einige Schwarzmeerhäfen blockiert und über andere ist nur ein eingeschränkter Handel möglich.

Die verbleibenden Routen verlaufen auf dem Landweg durch die angrenzenden EU-Länder. Um den Export über sie zu ermöglichen, hatte die Europäische Union im vergangenen Sommer die Einfuhrzölle zeitlich begrenzt aufgehoben.

Vor dem Krieg in der Ukraine wurden etwa 5.800 Tonnen Mais aus der Ukraine nach Polen geliefert, berichtete das Handelsblatt. Seit die Einfuhrzölle aufgehoben wurden, steigerte sich die Menge auf 1,84 Millionen Tonnen. Ein ähnlicher Anstieg lässt sich beim Weizen feststellen: Vor dem Krieg beliefen sich die Einfuhren auf 2.800 Tonnen, dann steigerten sie sich auf 500.000 Tonnen.

Seitdem zeigen sich die Probleme: Die Routen sind nicht in dem Maße ausgebaut, um die riesigen Mengen bewältigen zu können. Zudem ist der Transport auf ihnen wesentlich teurer als auf dem Seeweg.

Auf der Europaroute steigen die Kosten auf 40 Prozent des Endpreises, sagte eine hohe Kommissionsbeamtin. Normalerweise seien es nicht mehr als zehn Prozent.

Spanien, das im vergangenen Jahr eine schwache Ernte hatte, schickte sogar staatlich gefördert einen Zug an die ukrainische Grenze, um auszutesten, ob eine Direktverbindung nicht doch lohnend wäre. Das Experiment wurde wegen der exorbitanten Kosten nicht wiederholt.

Handelsblatt, 21.04.2023

Die Folge davon: Die ukrainischen Agrarprodukte stauen sich in den angrenzenden EU-Ländern und drücken die Preise auf ein Niveau, das die hiesigen Landwirte in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht.

Polen, Ungarn und die Slowakei verhängten angesichts dieser Herausforderungen einen Einfuhrstopp für Agrarprodukte aus der Ukraine. Man begründete dies mit den fallenden Marktpreisen, aber auch mit gesundheitlichen Bedenken für Menschen und Tiere.

Letzteres wird mit Pestiziden begründet, die in der EU verboten sind, aber vermutlich in der Ukraine noch eingesetzt werden. Ein Beispiel ist Chlorpyrifos, ein Pestizid, das in der EU seit 2020 verboten ist. Berichten zufolge soll es in 1.500 Tonnen Weizen, die aus der Ukraine in die Slowakei eingeführt wurden, gefunden worden sein, hieß es kürzlich auf euractiv.de.

Auch Polen hat phytosanitäre Bedenken geäußert und darauf hingewiesen, dass es eine Reihe von Warnungen über das Schnellwarnsystem für Lebens- und Futtermittel (RASFF) der EU abgegeben habe.

euractiv.de, 20.04.2023

Der Alleingang von Polen, Ungarn und der Slowakei stellt die EU-Kommission vor ein Dilemma: Handelspolitik fällt in ihre Zuständigkeit, und ihr Ziel ist es, der Ukraine den Export seiner Agrarprodukte zu ermöglichen, um ihr in gewisser Hinsicht das wirtschaftliche Überleben zu sichern.

Allerdings zeigt sich die EU-Kommission weitgehend machtlos angesichts der wirtschaftlichen Probleme, die aus dieser Politik entstehen. Eine nachhaltige Verbesserung der Situation wäre nur mit dem Ausbau der Infrastruktur möglich, doch das dauert.

Diese Zeit haben die Landwirte in den EU-Staaten nicht; sie benötigen schnelle Hilfen. Sollten sie diese nicht bekommen, dann könnte dies die zentrifugalen Kräfte innerhalb der Europäischen Union weiter stärken.

Sollte der Konflikt nicht schnell gelöst werden können, dann wäre das auch nachteilig für einen schnellen EU-Beitritt der Ukraine. Er sei "auch ein Realitätscheck für die Befürworter eines schnellen EU-Beitritts der Ukraine", heißt es im Handelsblatt. Er gebe aber schon einen Vorgeschmack auf die Verteilungskonflikte, die zu erwarten seien, wenn die Ukraine in die EU aufgenommen sei.

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