Ukrainischer Angriff auf russische Gasanlagen löst Preisschock aus
Die Ukraine erobert laut Berichten einen russischen Gaseinspeisepunkt. Die Gaspreise in Europa steigen auf ein Jahreshoch. Ist die Versorgungssicherheit in Gefahr?
Die Ukraine hat vor wenigen Tagen einen Angriff auf das Territorium der Russischen Föderation gestartet und damit für Nervosität an den europäischen Börsen gesorgt. Am Mittwoch stiegen die Gaspreise auf den höchsten Stand in diesem Jahr. Die Benchmark-Futures kletterten um 4,8 Prozent auf 38,65 Euro pro Megawattstunde, den höchsten Stand seit Dezember.
Gerüchte um Einnahme wichtiger Gasanlage treiben Preise in die Höhe
Auslöser war ein Bericht des russischen Militärblogs Rybar. Dieser hatte erklärt, die ukrainischen Truppen hätten bei ihrem Vormarsch einen wichtigen Einspeisepunkt für Erdgas nahe der Stadt Sudzha eingenommen. Diese Anlage ist die letzte verbliebene, über die Gaslieferungen nach Europa abgewickelt werden.
Obwohl die Behauptung nicht von unabhängiger Seite überprüft werden konnte, reagierten die Märkte nervös. Auch der russische Energiekonzern Gazprom äußerte sich laut Bloomberg nicht zu dem Fall. Ebenso hüllten sich das ukrainische Verteidigungsministerium und der Generalstab der Streitkräfte in Schweigen.
Experten sehen stabile Gasversorgung trotz Spannungen
Der ehemalige Geschäftsführer des ukrainischen Gasnetzbetreibers, Sergiy Makogon, erklärte gegenüber Bloomberg: "Der Gasfluss ist stabil, es gibt keine Veränderungen. Wenn die Ukraine den Fluss stoppen wollte, könnte sie das tun, ohne Sudzha zu erobern".
Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar 2022 möchten sich die Länder der Europäischen Union von Russland abkoppeln. Beim Erdgas stoßen sie jedoch auf erhebliche Probleme.
Russland versorgt Europa über die TurkStream-Pipeline mit Energie und spielt auch bei den LNG-Lieferungen eine wichtige Rolle. Gleichzeitig haben sich die USA zuletzt den LNG-Märkten in Asien zugewandt, was die Abhängigkeit Europas von russischem Erdgas weiter verstärken dürfte.
Gasfluss durch Ukraine bleibt vorerst konstant
Trotz des Krieges blieben die Gasflüsse über Sudzha in den vergangenen Jahren weitgehend konstant bei rund 42 Millionen Kubikmetern pro Tag. Der ukrainische Gasnetzbetreiber teilte jetzt mit, dass der Durchfluss auch am Donnerstag im normalen Bereich liegen werde.
Offen ist allerdings, ob Gazprom weiterhin Gas durch Sudzha leiten wird, sollte das Gebiet tatsächlich von der Ukraine eingenommen worden sein. In der Vergangenheit hatte der ukrainische Gasnetzbetreiber den Gastransit auch verweigert, nachdem russische Truppen den Übergabepunkt Sokhranovka eingenommen hatten.
Analysten bewerten Preisanstieg als übertrieben
Analysten von Bloomberg Intelligence sehen den Preisanstieg vom Mittwoch daher skeptisch. Schließlich decke Sudzha nur drei bis fünf Prozent der Nachfrage in Europa. Zudem verfügten die EU-Länder über Rekordlagerbestände.
Von einem Lieferstopp wären hauptsächlich Österreich und die Slowakei betroffen. Sie gehören nach wie vor zu den wichtigsten Importeuren von russischem Pipelinegas. Beide Länder beschwichtigen jedoch: Man habe sich für den Fall eines Lieferstopps Alternativen gesichert, hieß es laut Bloomberg.