Unbeschränkt verschränkt

Forscher haben erstmals bewiesen, dass sich Quantencomputer und Elektronik verheiraten lassen

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Ob sich eine neue Technologie durchsetzt, hängt auch davon ab, wie kompatibel sie zu bestehender Technik ist. Das gilt selbstverständlich ebenso für Quantencomputer, den Heiligen Gral der modernen Physik. Weil sie so unglaublich parallel arbeiten, könnten sie Probleme lösen, für die es heute noch keine Ansätze gibt.

Ideen, wie man Quantencomputer konstruieren könnte, hat die Forschergemeinde schon reichlich entwickelt. Und für die meisten dieser Vorschläge konnte man bereits deren prinzipielle Machbarkeit nachweisen. Allerdings mit einer kleinen Einschränkung: die neuartigen Funktionsprinzipien mit herkömmlicher Elektronik zu verbinden ist deutlich komplizierter, als etwa einen Abakus reibungslos an einen Silizium-Prozessor anzuschließen.

Einen Ausweg könnten über supraleitende Schaltkreise realisierte Qubits bieten. Qubits sind die kleinsten Einheiten eines Quantenrechners, physikalisch gesehen handelt es sich um quantenmechanische Systeme, die (wie ein Bit in der Informatik) zwei eindeutig unterscheidbare Zustände einnehmen können. Allerdings sind das nicht alle Zustände, die so ein Qubit einnehmen kann – und genau das ist der Vorteil des Quantencomputers.

In Elektronik lässt sich so ein Qubit über einen supraleitenden Ring realisieren, der durch einen schmalen Bereich normal leitenden Materials unterbrochen wird. Diese so genannten Josephson-Kontakte sind so schmal, dass die Cooper-Paare des Supraleiters noch hindurch tunneln können. Allerdings nur so lange, wie ein kritischer Stromfluss nicht überschritten wird. Am Josephson-Kontakt stellt sich dann eine quantifizierte Phasendifferenz ein, die sich als Signal des Qubits nutzen lässt.

Derart aufgebaute Qubits haben den Vorteil, dass sie Quanteneigenschaften in den besser handhabbaren Makro-Bereich übertragen – außerdem sind sie relativ billig herzustellen. Im Vergleich zur PC-Elektronik braucht man natürlich noch eine wesentlich bessere Kühlung – mit einem Lüfter allein erreicht man die für die Supraleitung nötigen tiefen Temperaturen nicht.

Andererseits war es bisher nicht gelungen, für auf Josephson-Kontakten basierende Systeme zu zeigen, dass sie für den Aufbau eines Quantencomputers geeignet sind. Dafür hat der IBM-Physiker David DiVincenzo fünf Regeln aufgestellt, die für das betreffende System erfüllt sein müssen.

Bisher ließ sich allerdings nicht eindeutig belegen, dass zwei Josephson-Quibits miteinander verschränkt sind. Bei der Messung eines einzelnen Qubits lässt sich nämlich nicht unterscheiden, ob es sich in einem verschränkten Zustand oder in einem Vielfachen seines Eigenzustands befindet. Genau das ist nun einem Forscherteam um Matthias Steffen von der University of California in Berkeley gelungen, das seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science) vorstellt (doi: 10.1126/science.1130886). Die Wissenschaftler nutzten die so genannte Quantum State Tomography, die, ähnlich wie die Tomografie in der Medizin „Schnittbilder“ des untersuchten Objekts erstellt.

Im Falle der supraleitenden Qubits besteht das Ziel darin, alle quantenmechanischen Zustände des Systems zu ermitteln. Das Forscherteam um Matthias Steffen rekonstruierte den Ursprungszustand, indem es das System verschiedenen, genau vorberechneten Mikrowellen-Impuls-Sequenzen aussetzte und anschließend die Quantenzustände maß. Daraus ließ sich dann der Ursprungs-Zustand berechnen – und die erfolgreiche Verschränkung beweisen. Das lässt die Wissenschaftlergemeinde nun auf echte Fortschritte im Quantum Computing in der „nicht allzu fernen Zukunft“ hoffen.