Und Europas Mithilfe beim CIA-Folterprogramm?
Europäische Staaten wirkten beim Rendition- und Detention-Programm mit. Die Aufklärung darüber steht noch aus
Außer Entsetzen über Einzelheiten und Ausmaß der CIA-Menschenrechtsverletzungen gibt es auch Lob für die Aufklärung über die Geheimdienstverbrechen durch den US-Senat; das sei ein Zeichen dafür, dass eine kritische, demokratische Kultur in den USA tief verankert sei, wird an verschiedenen Stellen geäußert. Wie steht es mit der diesbezüglichen Aufklärungsarbeit in europäischen Ländern?
Auf gut über 300 Millionen US-Dollar beliefen sich laut dem gestern veröffentlichten Senatsbericht über das CIA-Folter-und Gefangenenprogramm (CIA-Folter-Bericht: Wieviel wusste die Regierung?) die Kosten, die nicht für Personal ausgegeben wurden. Mit diesem Geld wurden unter anderem der Bau und Unterhalt von Gefängnissen außerhalb der USA finanziert. Ausländische Regierungen erhielten Millionensummen dafür, dass sie der CIA Einrichtungen zur Verfügung stellen.
Wie hoch die Kosten für den Bau oder den Unterhalt von Gefängnissen oder Behausungen, die für die Folterverhöre geeignet waren, außerhalb der USA genau waren, lässt sich dem Bericht nicht entnehmen. Die Zahlen wurden geschwärzt. An einer Stelle1 heißt es, dass "fast X Milllion" für zwei Internierungsgebäude im Ausland bezahlt wurden, "die aber nie benutzt wurden, was zum Teil daran lag, dass das 'Gastgeberland" politische Bedenken hatte".
Um Regierungen zu ermutigen, beim Detention-Programm mitzumachen, indem sie dafür Orte zur Verfügung stellten oder unterhielten, zahlte die CIA Millionen Dollar in "cash payments" an sie, so der Bericht. Das CIA-Hauptquartier habe CIA-Stützpunkte angewiesen, "Wunschlisten" für finanzielle Unterstützungen "an bestimmte Regierungsbehörden" (der genaue Bestimmungsort ist im Senatsbericht geschwärzt) zu erstellen. Dabei galt die Vorgabe, großzügig zu sein:
'Think Big' in terms of assistance.
Länder, die dafür infrage kamen oder die mitmachten, wurden laut Senatsbericht auf Forderung der Geheimdienstführung in CIA-Berichten unkenntlich gemacht und nur mit einem Buchstaben bezeichnet ("Country J"). Laut CIA-Unterlagen, auf die sich die Zusammenfassung des Senatsberichts stützt, hatte der Geheimdienst US-Politiker nicht darüber informiert, dass es in vier Ländern solche Internierungsgebäude bzw. potentielle Folterkammern gab2. Ob dies auch auf solche Einrichtungen in Guantanamo und im Land X zutraf, sei weniger klar. An einem Beispiel aus einem anderen "Land X" zeigt der Senats-Bericht an einer späteren Stelle3, dass die CIA bei Gesprächen mit Landesvertretern sehr darauf achtete, dass die Angelegenheit gegenüber anderen US-Vertretern, etwa vom Außenministerium, nicht erwähnt werde.
Was die Beteiligung europäischer Länder am CIA-Programm anbelangt, so sei es, wie ein Guardian-Bericht äußert, bislang vor allem der Arbeit von NGOs zu verdanken, dass einiges ans Licht kam. Der Guardian-Artikel erwähnt in diesem Zusammenhang die Open Society Foundations, die vom Milliardär George Soros finanziert werden. Nach deren Informationen sind von 54 Staaten, die beim CIA-Detention-Programm kooperierten, 21 europäische Länder, 17 davon entweder EU-Mitgliedsstaaten oder auf dem Sprung dazu.
Was die Rendition-Flüge, die "außerordentlichen Überstellungen" von CIA-Gefangenen zu Folterverhören in andere Länder (Nach dem 11.9. haben sich Geheimgefängnisse und Verschleppungen verbreitet), betrifft, so werden Großbritannien als CIA-Kooperationspartner genannt, Litauen, Deutschland, Spanien, Portugal, Belgien, Dänemark, Finnland, Island, Österreich, die tschechische Republik, Griechenland, Zypern, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Albanien.
Auch wenn einzelne Rendition-Fälle, in Italien und in Deutschland, einigermaßen gut dokumentiert sind, so besteht, was die Bereitsstellung von Räumen an die CIA betrifft, noch viel Aufklärungsbedarf. Polen und Lithauen stehen im Verdacht, der CIA "black sites" zur Verfügung gestellt zu haben; genaue Informationen dazu stehen aus. Die polnische Justiz und Regierung hätten sich nicht besonders darum bemüht, wirft ihnen der Guardian-Autor vor. Dass Großbritannien sehr kooperativ war, zeigte sich anhand von Dokumenten, die in Libyen gefunden wurden (siehe Folter bei Freunden, die zu Feinden wurden). Laut Guardian beschränkte sich das britische Entgegenkommen gegenüber der CIA nicht auf die Renditionflüge.
Generell gilt noch immer, was an dieser Stelle vor 4 Jahren zu lesen war: "Aufgeklärt wurde wenig, auch in Deutschland (vgl. CIA-Geheimgefängnis in Deutschland) hielten sich die rot-grüne und die schwarz-rote Regierung möglichst bedeckt, wenn man es höflich ausdrückt. Man deckt sich weiter gegenseitig."
Interessant wäre nun, ob die Behauptung des erwähnten Guardian-Artikels stimmt, wonach nun mehr über die aktive Unterstützung der CIA durch europäische Ländern ans Licht kommen könnte, weil der Aufklärungsdruck durch den Senatsbericht gestiegen sei..."Es könnte ein guter Moment sein für Europa, um sich Klarheit über seine Mitwirkung zu verschaffen", so Natalie Nougayrède.