Unheimlicher Wolkenbruch
Silent Hill Downpour von Konami
Konamis "Silent Hill"-Spiele sind neben Capcoms "Resident Evil"-Serie die bekanntesten Vertreter des Survival-Horror-Genres. Die Stärke liegt vor allem in den komplexen Geschichten, den Puzzles und der dichten Atmosphäre. "Downpour" ist der achte Teil und erscheint für die PS3 und die XBox 360.
Ein Gefangenentransport verunglückt, Murphy Pendelton, der Protagonist von Silent Hill Downpour entsteigt dem Wrack des Busses und macht sich auf den Weg in die vermeintliche Freiheit. Das weckt Erinnerungen an Szenen wie die Flucht Dr. Richard Kimbles. Allerdings ist Murphy bald weniger auf der Flucht vor der Polizei als vor Monstern und seinen eigenen Erinnerungen.
Sein Weg führt ihn durch die verlassene Touristenattraktion "Devil’s Pit" hinein in die Stadt Silent Hill, die bereits den anderen Teilen der Serie neben dem Namen auch das Setting gab. Silent Hill ist eine Geisterstadt, verlassen von fast allen Menschen, bevölkert von aggressiven Kreaturen. Nebel beeinträchtigt die Sicht und schafft eine dauerhaft bedrohliche Atmosphäre.
Obwohl Murphy noch nie dort war, findet er zahlreiche Gegenstände, die mit ihm verknüpft sind. Er stolpert über seinen Bewährungsantrag, Berichte über seine Gefängniswächter und diverse Zeitungsartikel. All diese Informationen fügen sich für den Spieler wie Puzzle-Teile zu Murphys Geschichte zusammen. Wer ist dieser Häftling? Was hat er getan? Ist er Täter oder Opfer?
Viele Gegenstände lösen Erinnerungen in Murphy aus, die als Flashback gezeigt werden. Über das reine Erkunden hinaus darf der Spieler an einigen Stellen den Charakter des Protagonisten mit moralischen Entscheidungen beeinflussen, wenn der Flüchtling auf Menschen trifft. Leider haben diese kaum Einfluss auf das weitere Spielgeschehen.
Weitaus öfter als Menschen begegnet Murphy Monstern, die ihm nach dem Leben trachten. Die Gegner sind deutlich seltener als in Capcoms "Resident-Evil"-Games und den unzähligen Zombie-Shootern. Dafür stellen sie eine größere Gefahr dar. Anders als bei "Silent Hill: Homecoming" hat der Protagonist kein großes Waffenarsenal. Stattdessen trägt er wie in den älteren Titeln immer nur einen mehr oder weniger alltäglichen Gegenstand wie eine Schaufel oder eine Spitzhacke zur Selbstverteidigung. Relativ bald findet er auch eine effektive Schusswaffe, aber nur so wenig Munition, dass sich der Spieler gut überlegen muss, in welchen Situationen er sie benutzt. Die gute Nachricht für den Verfolgten ist, dass die Feinde zwar bedrohlich, aber zumindest fast ausnahmslos sterblich sind. Dennoch ist Flucht gelegentlich die gesündere Alternative.
Freilich fühlt sich der Spieler nie wirklich sicher. Das gehört zum Konzept des Horror-Szenarios. Selbst die Areale, die sich im Nachhinein als ungefährlich entpuppen, wirken stets bedrohlich. Hierbei setzen die Entwickler auf die typischen Effekte, die auch in Horror-Filmen zum Einsatz kommen: Scharrende und unmenschliche Geräusche, plötzlich umfallende Gegenstände oder Vögel, die kreischend auffliegen. Zudem hört der Protagonist und damit der Spieler immer wieder Stimmen.
Eine besondere Rolle spielt das Wasser. Das "Downpour" im Titel bedeutet Wolkenbruch. Innerhalb der Straßen von Silent Hill löst ein Gewitterregen regelmäßig den typischen Nebel ab. Das Game warnt den Spieler davor, dass im Regen mehr und aggressivere Kreaturen erscheinen. Sobald das Wetter ungemütlich wird, bietet sich die Flucht in eines der Häuser oder die U-Bahn-Stationen an, die dem Spieler im späteren Verlauf als Abkürzungen dienen. An einigen Stellen bekommt das Wasser zudem eine ähnliche Bedeutung wie das Eis in Silent Hill: Shattered Memories, indem es den Übergang von der (relativ) normalen Welt in die Albtraumwelt einleitet.
Diese Parallelwelt, die in nahezu jedem "Silent Hill" vorkommt, ist auch spielerisch der von "Shattered Memories" ähnlich, da Murphy dort wie im Wii-Spiel weitgehend hilflos auf der Flucht ist - vor allem vor einem roten Energiestrudel, der alles in sich aufzusaugen scheint. Der Häftling rennt durch ein Labyrinth aus Gängen, die an Gefängniszellen erinnern und mit Fallen gespickt sind. Murphys einzige Waffe gegen den Strudel sind Gegenstände, die er umwerfen und damit den Verfolger verlangsamen kann. Unterbrochen werden die Fluchtsequenzen von gelegentlichen Puzzles. Die Rückkehr in die reale Welt erfolgt typischerweise unsanft mit einer Rutschpartie durch tödliche Gefahren.
Der Spielverlauf von "Silent Hill: Downpour" ist linear. Vor dem Betreten der Stadt ist der Weg klar vorgegeben und auch in Silent Hill zeigt Murphys Notizbuch stets das nächste Ziel an. Dennoch gibt es im Hauptteil zahlreiche optionale Nebenaufgaben. Üblicherweise betritt Murphy dazu ein Gebäude, in dem er auf ein Rätsel trifft. So muss er beispielsweise die von einem Dieb gestohlenen Gegenstände an ihre rechtmäßigen Besitzer verteilen. Lediglich der Langfinger existiert dabei tatsächlich in Form der erhängten Leiche, die Bestohlenen werden durch mehr oder weniger unheimliche Geräusche wie Schluchzen oder Kinderweinen repräsentiert.
Da Silent Hill kein Rollenspiel ist, das Erfolge mit verbesserten Kampfwerten belohnt, liegt der größte Nutzen der Nebenaufgaben im Spielspaß und den PS3-Trophäen beziehungsweise XBox-Achievements. Zusätzlich winkt meist Munition, eine stabile Waffe oder ein Verbandskasten als Bonus.
Die Puzzles und Adventure-Elemente sind weitgehend gut gelungen und die größte Stärke des Spiels. Dort kann "Downpour" immer wieder glänzen und durchaus mit früheren Titeln mithalten. Auch bleibt es atmosphärisch stets konsistent. Selbst wenn der Spieler alle Zeit der Welt hat, ein Puzzle zu lösen, schafft die Soundkulisse das Gefühl der permanenten Bedrohung und damit oft mehr Druck als eine tatsächliche Zeitbegrenzung.
Die Kämpfe spielten meist eine untergeordnete Rolle innerhalb der "Silent Hill"-Serie. Der Versuch von "Homecoming" stärker auf ein echtes Kampfsystem zu setzen und die Hauptfigur Alex Shepherd mit einem breiten Waffenarsenal auszurüsten, fand bei den Spielern wenig Anklang. "Downpour" geht einen Kompromiss ein und verbindet die limitierte Waffenwahl mit ein wenig Taktik. Üblicherweise muss der Spieler zunächst Angriffe blocken und dann im passenden, oft gut erkennbaren, Moment zurückschlagen. In einigen Fällen muss er sich aus der Umklammerung eines Gegners oder der von den Schreien der Screamer ausgelösten Starre befreien. Auch muss er bei Auseinandersetzungen mit mehreren Gegnern aufpassen, dass er nicht eingekesselt wird.
Insgesamt sind die Kämpfe eher lästig als bereichernd. Solange die Konfrontationen die Ausnahme sind und die Spannung vor allem durch deren Gefahr aufrecht gehalten wird, stört das nicht. Die Gegner sollen schließlich nicht zu Kanonenfutter verkommen, sondern eine Bedrohung darstellen. In den unvermeidlichen längeren Kampfsequenzen offenbart das System seine Schwächen. Entweder hätten die Entwickler auf diese Passagen verzichten oder die Kämpfe interessanter gestalten sollen.
Der schlimmste Schwachpunkt von "Silent Hill: Downpour" ist die technische Umsetzung. Dass es grafisch nicht mit anderen aktuellen PS3- und XBox-360-Titeln mithalten kann, ist dabei weniger das Problem, als dass es trotz der mittelmäßigen Optik dauerhaft Performance-Probleme hat. Fast wirkt es so, als sei das tschechische Entwicklerstudio Vatra Games nicht wirklich fertig geworden. Für das Horror-Genre kommt erschwerend hinzu, dass das Ruckeln die dichte Atmosphäre immer wieder zerstört und dem Gamer vor Augen führt: "Keine Angst, ich bin nur ein Spiel!"
Der langjährige "Silent Hill"-Komponisten Akira Yamaoka ist aus Konami ausgeschieden und wurde für "Downpour" durch Daniel Licht ersetzt, der bereits für zahlreiche Kinofilme und die "Dexter"-Serie komponierte. Er hat eigentlich einen guten Soundtrack geschrieben, der stilistisch zum Setting passt. Die Stücke werden aber nicht genügend genutzt. Während in älteren Spielen die Musik wie in John-Carpenter-Filmen die permanente Bedrohung untermalt, verzichtet "Downpour" weitgehend auf die durchgängige Hintergrundmusik.
So bleibt zum Schluss ein sehr gemischter Eindruck. "Silent Hill: Downpour" hat eine packende Story und eine sehr gelungene, düstere Atmosphäre. In seinen besten Szenen wird es zum interaktiven Psycho-Horror-Thriller, auch wenn es vielleicht etwas zu viele Genre-Klischees bedient. Die Puzzles sind durchweg gelungen und einige Szenen geradezu brillant. Die technische Umsetzung verdirbt leider den positiven Eindruck und die längeren Kampfsequenzen sind mehr lästig als unterhaltsam.
Nett sind die Anspielungen auf die älteren Teile der Serie an, wenn Murphy beispielsweise in das Zimmer aus dem vierten Teil "The Room" klettern darf. Das zeigt leider auch, dass es nicht mehr die Größe der alten Spiele erreicht.
Für diejenigen, die zu den Anfängen zurückkehren möchten, hat Konami parallel zu "Silent Hill: Downpour" einen Remake des zweiten und dritten Teils in Form einer HD-Collection für PS3 und XBox 360 herausgebracht. Der erste Teil ist bereits seit einiger Zeit als PS-One-Classic als Download erhältlich. "The Room" ist ebensowenig Bestandteil der "HD Collection" wie das ursprünglich für die PSP erschienene und später auf die PS2 portierte "Origins".
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