Unionsfraktion mit "linksextremen Vorschlägen" zur Geburtshilfe

Vom Traumberuf zu Frust und Überlastung: Viele Hebammen werfen das Handtuch. Symbilbild: Pixabay Licence

Unionsfraktion überrascht mit Vorschlägen zur Geburtshilfe. Linke spricht von "linksextremen" Ideen. Was steckt hinter diesem ungewöhnlichen Schulterschluss?

"Die Zeit der Schwangerschaft, des Mutterwerdens und dann des Mutterseins ist für jede Frau eine ganz besondere Zeit", leitete die CSU-Politikerin Emmi Zeulner am Donnerstagabend im Bundestag die Vorstellung eines Antrags ihrer Fraktion ein. "In dieser Zeit haben Frauen vor allem ein großes Bedürfnis nach Sicherheit. Die Geburt – wenn etwas schiefgeht, aber natürlich auch wenn alles gut geht – prägt sich ein Leben lang ein."

Was dann folgte, war aus der Sicht einer anderen Oppositionspartei bemerkenswert: "Wie schlimm muss es um die Gesundheitsversorgung im Land stehen, wie schlecht läuft es bei der Geburtshilfe, wenn selbst die Union sich genötigt sieht, linksextreme Vorschläge zu machen?" – So sarkastisch begann der krankenhauspolitische Sprecher der Bundestagsgruppe Die Linke, Ates Gürpinar, seine Rede zu diesem Tagesordnungspunkt.

Leistungsunabhängige Finanzierung und Personalschlüssel

Im Antrag der Unionsfraktion sei die Rede von leistungsunabhängiger Finanzierung, Einforderung und Förderung eines Personalschlüssels sowie Sicherheit und Planbarkeit für die Beschäftigten. Nachzulesen in der Bundestags-Drucksache 20/12979 unter der Überschrift "Geburtshilfe und medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zukunftsfest machen".

"Donnerwetter", meinte Gürpinar. "In meinen Ohren klingt das wie Musik, aber wenn Sie diese Begriffe in einem Antrag der Linken lesen würden, würden Sie das als sozialistische Fantasterei bezeichnen. Wenn ich 'leistungsunabhängige Finanzierung' nur in den Mund nehme, glauben Sie, der Rote-Armee-Chor tritt auf."

Zahl der Kliniken mit Geburtshilfe in 30 Jahren halbiert

Die Anzahl der Kliniken, in denen Geburten möglich waren, hat sich in den letzten 30 Jahren nahezu halbiert. Als Grund für die Schließungen werde an erster Stelle Personalmangel bei den Hebammen genannt – dabei sei es für viele "ein Wunschberuf, am Beginn des Lebens zu helfen, das Leben erst mal zu ermöglichen".

Wegen der Arbeitsbedingungen würden jedoch immer mehr Hebammen aufhören. Der zweite Grund sei "noch krasser": Die Kliniken gäben wirtschaftliche Gründe an, "weil sich Geburten nicht lohnen".

Kaiserschnittrate aus Kostengründen doppelt so hoch wie nötig

Eine natürliche Geburt brauche Zeit, die im Abrechnungssystem nicht abgebildet werde, beschrieb die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, Ulrike Geppert-Orthofer, das Problem im Frühjahr gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Sie höre oft von Kolleginnen aus Kliniken, dass die bei der Dokumentation darauf achten, "dass es sich für die Klinik lohnt".

Derzeit liege die Kaiserschnittrate in Deutschland bei rund 30 Prozent, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hält nur zehn bis 15 Prozent für medizinisch nötig.

Gesundheitsminister von Union und Ampel verantwortlich

Sowohl die Union als auch die Ampel-Parteien seien verantwortlich für die Situation, sagte Ates Gürpinar mit Blick auf die Parteibücher der Gesundheitsminister der letzten Jahrzehnte. Dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion sei "anzumerken, dass sie Vertrauen zurückholen wollen". Klar sei: "Es sind gute Ideen dabei", unter anderem die Aufwertung des Hebammenberufs. "Klar ist aber auch: Es bleibt zahnlos, weil Sie die Finanzierung niemals angehen werden."

Ob sich die Unionsparteien an diese Ideen erinnern, wenn sie nicht in der Opposition sind, bezweifelt Gürpinar. Um dergleichen tatsächlich umzusetzen, brauche es wohl doch eine starke Linke.

Über den Antrag wurde im Bundestag noch nicht entschieden – er wurde am Donnerstag zur weiteren Beratung an den federführenden Gesundheitsausschuss überwiesen.