Lauterbachs Krankenhausreform: Großer Wurf oder Bürokratiemonster?

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Foto: Juergen Nowak / Shutterstock.com

Klinik-Reformpläne stoßen auf geteiltes Echo. Werden kranke Kinder nun besser versorgt? Was bringen die neuen Qualitätsstandards ohne ein Ende des Personalmangels?

Nicht weniger als einen "Durchbruch bei der Krankenhausreform" hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag vermeldet. Nach "intensiven Verhandlungen" hätten sich sein Ressort und die Regierungsfraktionen auf die letzte Fassung geeinigt.

"Von den Grundzügen der Reform machen wir keine Abstriche. Wir halten unser Qualitätsversprechen und haben sinnvolle Anregungen, insbesondere zur ambulanten Facharztversorgung in ländlichen Gebieten und der Kinderbehandlung, aufgenommen", teilte Lauterbach mit. Damit sei der Weg für die Verabschiedung im Bundestag Ende Oktober frei.

Ambulante Facharztleistungen bald auch in Kliniken

Konkret sollen Krankenhäuser für ambulante Facharztleistungen geöffnet werden. In Gebieten mit freien Facharztsitzen sollen sogenannte "Level 1i-Krankenhäuser" und "Sicherstellungshäuser" als sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen fungieren. "Die Patienten sparen sich lange Wege in eine Praxis und gehen direkt ins Krankenhaus", wirbt Lauterbachs Ministerium.

Auch die stationäre und ambulante Behandlung von Kindern werde gestärkt. Schwere Erkrankungen sollen demnach direkt in spezialisierten Kinderkliniken ambulant behandelt werden können, ohne Überweisung.

Qualitätskriterien für alle Krankenhäuser: Theorie und Praxis

Zudem soll die Behandlungsqualität bundesweit durch strikte Qualitätsvorgaben für alle Krankenhäuser verbessert werden. Krankenhäuser, die diese Anforderungen nicht erfüllen – etwa aufgrund von fehlendem Fachpersonal oder technischer Ausstattung – dürfen bestimmte Leistungen künftig nicht mehr anbieten.

Nur die "Sicherstellungshäuser" in ländlichen Regionen, die für die Grundversorgung unverzichtbar sind, dürfen von diesen Kriterien abweichen, sind aber laut Ministerium verpflichtet, "kontinuierlich an der Verbesserung der Behandlungsqualität zu arbeiten". Theorie und Praxis der Qualitätskriterien und Versorgungssicherheit wären demnach nicht zwangsläufig deckungsgleich, sobald die Reform in Kraft tritt.

Klinik-Personalprobleme vorerst ungelöst

Personalmangel ist einigen Krankenhäusern ein akutes Problem. So sind beispielsweise Geburten im Krankenhaus Ludwigsfelde in Brandenburg nur noch an vier Tagen pro Woche möglich. Auch könne die Klinik am Wochenende keine gynäkologischen Notfälle mehr aufnehmen, berichtete am Freitag RBB24.

Laut einer Anfang des Jahres veröffentlichten Studie gehen die allermeisten Kliniken von einer Verschärfung des Mangels an Pflegekräften aus. 86 Prozent der befragten Kliniken meinten, dass die Stellensituation auf den Allgemeinstationen sich in den nächsten drei Jahren verschlechtern werde, zeigte die Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO und des Deutschen Krankenhausinstituts (DKI).

Vorwurf: Bürokratiemonster ohne stabilisierende Effekte

Erste Reaktionen auf Lauterbachs Ankündigung fielen diese Woche weit auseinander. Der CSU-Politiker und bayerische Ex-Gesundheitsminister Klaus Holetschek ließ kein gutes Haar an den Plänen: "Lauterbach will seine völlig missratene Klinikreform in den Bundestag einbringen - zum Schaden der Patienten und des ländlichen Raums. Kein einziges Problem wird gelöst", befand er Holetschek auf der Plattform X. Er sprach von einem "Bürokratiemonster ohne stabilisierende Effekte".

Kinder- und Jugendmediziner begrüßen Reformpläne

Deutlich positiver äußerte sich die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ): "Das ist ein guter Fortschritt auf dem Weg zu einer Krankenhausreform, die die Belange von Kindern und Jugendlichen gesetzlich berücksichtigen will", kommentierte deren Präsidentin Prof. Dr. Ursula Felderhoff-Müser die von Lauterbach vorgestellten Einzelheiten.

Diskussionsbedarf besteht aus Sicht der Fachgesellschaft aber in den Festlegungen für die Kinderzuschläge, die nach wie vor nicht an die Fachabteilungen für Kinder- und Jugendmedizin gekoppelt sind, sowie bei einigen weiteren Bestimmungen für die Erlös-/ Leistungsabrechnungen.

Zoff um Änderungsanträge im Gesundheitsausschuss

Derweil gab es Ärger im Gesundheitsausschuss des Bundestags: Die Unionsfraktion verlangte eine Unterrichtung im Gesundheitsausschuss über die vorgelegten Änderungsanträge zu dem Gesetzentwurf.

Diese Erklärung hätte auf Wunsch der Union von Lauterbach persönlich sowie von den drei Ampel-Regierungsfraktionen abgegeben werden sollen. Dazu habe die CDU/CSU-Fraktion einen Antrag auf Änderung der Tagesordnung gestellt sowie die Vorladung des Ministers gefordert.

Doch nach Aussage des gesundheitspolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Tino Sorge (CDU), hatten dies die Ampel-Koalitionäre abgelehnt. Besonders mit Blick auf den engen Zeitplan – das Gesetz soll kommende Woche im Ausschuss final beraten und im Plenum des Bundestags verabschiedet werden – sei dies ärgerlich.

"Wie für uns Abgeordnete in der Kürze der Zeit eine seriöse parlamentarische und inhaltliche Befassung mit über 50 Änderungsanträgen stattfinden soll, die zur Stunde nicht vorliegen, ist völlig offen", erklärte Sorge laut einem Bericht des Ärzteblatts.