Lauterbachs Klinikreform: Sind deutsche Krankenhäuser kriegstüchtig?

Bild zeigt Soldaten im Lazarett während des 1. Weltkrieges, etwa 1915.

Sanitätssoldaten im Lazarett während des Ersten Weltkrieges, etwa 1915. Foto: Archiv Kamran Salimi, Urheber unbekannt / CC BY-SA 3.0

"Zeitenwende" konkret: Bundeswehr-Sanitäter rechnen im Ernstfall mit 1.000 Verletzten pro Tag. Wo sie versorgt werden könnten, ist völlig unklar.

Bereits im Herbst 2022 hatte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in einer Twitter-Diskussion Deutschland "im Krieg mit Putin" verortet – sein Parteifreund Boris Pistorius sprach dagegen als Verteidigungsminister Anfang 2023 nur von einer indirekten Kriegsbeteiligung durch die Waffenlieferungen an die Ukraine, deren Armee gegen russische Invasionstruppen kämpft.

Im November forderte Pistorius unter dem Stichwort "Zeitenwende" in Deutschland einen Mentalitätswechsel hin zur "Kriegstüchtigkeit".

Krankenhausreform ohne Plan für Kriegsverletzte

Lauterbach allerdings hat einen Kriegsfall bei den Planungen für die Krankenhausreform bisher gar nicht berücksichtigt. Laut einem Bericht des Handelsblatts rechnet die Sanitätseinheit der Bundeswehr "im Fall einer Landes- oder Bündnisverteidigung und intensiven Gefechten mit bis zu 1.000 Verletzten pro Tag", die Deutschland als Drehscheibe der Nato in der Mitte Europas verteilen und versorgen müsste.

In dem Bericht heißt es unter Berufung auf Sicherheitskreise, die Landeskommandeure der Bundeswehr würden derzeit die Landesregierungen in vertraulichen Gesprächen über den Operationsplan informieren. Auch im Bundesverteidigungsministerium werde in geheimen Runden diskutiert, ob genügend Krankenhausbetten und Transportkapazitäten bereitstünden, um eine derart große Zahl Verletzter zu versorgen.

Krankenhauskapazitäten im Ernstfall Ländersache?

Ein Sprecher von Lauterbachs Ministerium erklärte jedoch, der gesundheitliche Schutz der Bevölkerung vor kriegsbedingten Gefahren werde "nicht Gegenstand der Krankenhausreform sein".

Entsprechende Kapazitäten freizuhalten, wäre demnach Ländersache: Die geplante Reform beinhalte keine Vorgaben "für die Vorhaltung eines bestimmten Anteils der Behandlungskapazitäten für Zwecke der Zivilverteidigung".

Nach einer Beratung mit den Landesministern am Mittwoch hatte Lauterbach erklärt, der Zivilschutz habe bei den Gesprächen keine Rolle gespielt. Es sei aber unzweifelhaft, dass auch zivile Krankenhäuser für die "großen Bedarfe" vorbereitet werden müssten.

Kritik an geplanter Schließung von Kliniken

Dort sehen auch Kritiker der Aufrüstungs- und Kriegstüchtigkeitsrhetorik große Defizite und verweisen auf andere mögliche Gesundheitsnotlagen, denen das System nicht gewachsen sei. Lauterbachs Reformpläne seien halbherzig und würden zur Schließung vieler Krankenhäuser führen, sagt Ates Gürpinar, Sprecher für Krankenhaus- und Pflegepolitik der Bundestagsgruppe Die Linke.

Gesundheitssystem auch ohne Krieg am Limit

Vor allem ländliche Regionen würden durch geplante Schließungen oder Umwandlungen von Kliniken hart getroffen. "Unser Gesundheitssystem ist am Limit", betonte Gürpinar an diesem Montag gegenüber Telepolis.

Ein gutes Gesundheitssystem, in dem Kliniken im speziellen, sowie ärztliche und pflegerische Versorgung gut ausfinanziert sind, muss der Normalfall sein. Das hat mit dem Kriegsfall nichts zu tun, der nie Normalzustand werden darf. Selbst im Alltag kommt das System an seine Grenzen.

Das erlebt jeder, der oder die einen Arzttermin braucht oder ins Krankenhaus muss. Daher braucht es Investitionen in unsere Gesundheit, denn nicht erst eine mögliche Pandemie, schon die nächste Erkältungssaison überfordert das kaputtgesparte Gesundheitssystem.

Ates Gürpinar, Die Linke

Die Schließungspläne sind seit längerem bekannt. Lauterbach hatte sie unter anderem in einem Interview mit dem Südkurier im Februar verteidigt.

In Deutschland hat eine sehr hohe Krankenhausdichte, aber weder den Bedarf, noch das Geld und schon gar nicht das Personal, um alle Häuser auch im Sinne der Patientensicherheit betreiben zu können.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)

Wehretat gestiegen, Gesundheitsetat geschrumpft

Lauterbach hatte bei den Haushaltsberatungen für 2024 akzeptiert, dass der Gesundheitsetat um fast ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr gekürzt wurde. Rund 16,71 Milliarden Euro kann Lauterbachs Ressort in diesem Jahr ausgeben, im Jahr 2023 standen ihm noch 24,48 Milliarden Euro zur Verfügung.

Der Verteidigungsetat ist dagegen erhöht worden – um 1,8 Milliarden Euro auf 51,9 Milliarden Euro. Hinzu kamen 19,8 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Bundeswehr.