Kranke zur Kasse: Versicherte sollen Milliarden-Defizit ausgleichen
Minister Lauterbach hat die Kürzung des Gesundheitsetats um ein Drittel hingenommen. Ehrgeizige Reformpläne hat er trotzdem Jetzt sollen die GKV-Beiträge steigen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat keinen nennenswerten Widerstand gegen die deutliche Kürzung seines Etats im Bundeshaushalt geleistet. Im Haushaltsentwurf 2024 von Finanzminister Christian Lindner sind hierfür 16,22 Milliarden Euro vorgesehen – rund ein Drittel weniger als im Vorjahr mit 24,48 Milliarden Euro. Gleichwohl verteidigt Lauterbach den geschrumpften Etat – trotz Warnungen von Krankenkassen und Sozialverbänden vor steigenden Zusatzbeiträgen, wenn Bundeszuschüsse wegfallen.
Für das kommende Jahr zeichnet sich ein Milliarden-Defizit in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ab. Dieses könne sich "eher am oberen als am unteren Ende der befürchteten Skala bewegen", warnte die Vorständin des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), Anne Klemm, diese Woche gegenüber dem Handelsblatt. Dafür könnten auch mögliche Kosten für Lauterbachs Reformpläne sorgen. Bisher gehen die GKV von einer Finanzierungslücke in der Größenordnung von 3,5 bis sieben Milliarden Euro aus.
Lauterbach selbst hat in den Haushaltsberatungen das deutsche Gesundheitssystem als "chronisch krank" bezeichnet. Dennoch gibt er sich damit zufrieden, dass der Etat immerhin im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Krise wachse. Im aktuellen Bundeshaushalt müssen so gut wie alle Ressorts Kürzungen hinnehmen. Steigen sollen aber die Rüstungsausgaben.
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Geplante Reformen im Gesundheitswesen meint Lauterbach auch mit weniger Geld als zuletzt durchziehen zu können – falls er nicht wegen neuer Coronavirus-Varianten demnächst seine Meinung ändert, denn hier galt er bisher wahlweise als Alarmist oder als profiliertester Vertreter des "Teams Vorsicht". Corona hat auch aus seiner Sicht den zuletzt deutlich höheren Etat gerechtfertigt. Leistungen will er auch jetzt nicht streichen.
Schlechte Ergebnisse trotz hoher Ausgaben?
Allerdings beklagt er einen jahrelangen "Reformstau", vergleichsweise hohe Ausgaben und eine schlechte Ergebnisqualität – auch die zuletzt gesunkene Lebenserwartung betreffend. Mit der geplanten Krankenhausreform wolle die Ampel-Koalition die Medizin wieder in den Vordergrund eines inzwischen stark ökonomisierten Systems rücken und auch "kleinen Krankenhäusern eine Existenzperspektive geben", verspricht er.
Zudem kämen mit einer überfälligen Digitalreform Neuregelungen bei elektronischen Rezepten, E-Patientenakten und zur Datenforschung. Im Herbst will Lauterbach zudem noch ein "Institut für öffentliche Gesundheit" für eine bessere Vorsorgemedizin und Vorbeugung auf den Weg bringen.
Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Michaela Engelmaier, warnte deshalb bereits vor Beitragserhöhungen und kritisierte die Kürzung des Gesundheitsetats scharf. Sie fordert stattdessen eine Anhebung des Spitzensteuersatzes und eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse.
"Wir unterstützen den Gesundheitsminister in seiner Haltung, Leistungen aufrechtzuerhalten", sagte Engelmaier der Neuen Osnabrücker Zeitung. Allerdings widersprach sie entschieden einem "Automatismus, der steigende Kosten ausschließlich durch Beitragssatzsteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kompensiert", da dies kleine und mittlere Einkommen zusätzlich belaste und somit zu mehr sozialer Ungerechtigkeit führe.
Allerdings werden zum 1. Januar 2024 auch die Beitragsbemessungsgrenzen (BBG) für Gutverdienende erhöht: Die bundeseinheitliche Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in der gesetzlichen Krankenversicherung soll von 4.987,50 Euro auf 5.175,00 Euro im Monat angehoben werden.