"Unser Standardkunde will Sex haben und danach Sportschau schauen und ein Bier trinken"

Seite 2: Es gibt einfach unheimlich viele Menschen, die keinen Zugang zu Sex haben

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Sie meinen, das entlastet sozusagen die Beziehungen, wenn so ein, sagen wir, Sexpartner, vorhanden ist? Wer sind denn eigentlich die Käufer? Sind das Menschen, die in Beziehungen sind oder eher Junggesellen?

Manfred Scholand: Es gibt einfach unheimlich viele Menschen, die keinen Zugang zu Sex haben. Um es mal deutlich zu machen: Es gibt 80 Millionen Deutsche, davon ungefähr 40 Millionen Männer, davon ist die Hälfte verheiratet, die Männer, die noch nicht oder nicht mehr sexuell aktiv abgezogen, dann bleiben dann circa 10 Millionen Männer übrig, die keinen freien Zugang zu Sex haben.

In der Maslowschen Pyramide ist Sex ein Grundbedürfnis. Essen, Trinken, Sex. Wir machen uns vielleicht darüber lustig, wir können uns vielleicht nicht vorstellen, dass nicht alle Menschen freien Zugang zu Sex haben. Ich und meine Mitarbeiter sehen jeden Tag in unserem Geschäft und online bei den Anfragen Menschen, die keinen Zugang zu Sex haben, und wir sehen, wie groß das Leiden dieser Menschen ist. Wir tun den Menschen was Gutes, wenn wir diesen Zugang zum Sex wieder ermöglichen.

Zählen Sie doch mal auf: Welche Erotikprodukte gibt es für den Mann? Zählen Sie mir nur drei Stück auf! Bei Frauen ist ein Vibrator etwas ganz Normales. Es gibt mittlerweile mehr Vibratoren als Frauen. Aber wie viele Produkte für Männer gibt es? Ihnen werden so schnell keine einfallen! Und jetzt gibt es mit diesen lebensechten Liebespuppen der neuen Generation wirklich ein interessantes Produkt, womit man die Not lindern und den Zugang zu Sex haben kann.

Mir fiel auf Ihrer Website auf, dass es unendlich viele weibliche Sexpuppen gibt, aber offenbar nur eine einzige männliche Sexpuppe. Spiegelt sich das auch im Verkauf wider? Werden also mehr weibliche Sexpuppen verlangt als männliche? Frauen sind also als Käufer eher unterrepräsentiert?

Manfred Scholand: Das Verhältnis von weiblichen Sexpuppen zu männlichen liegt ungefähr bei 95 zu fünf Prozent. Diese fünf Prozent männliche Sexpuppen werden wiederum nicht von Frauen genutzt, sondern von Gays. Eine männliche Liebespuppe ist für eine Frau vielleicht auch nicht das Optimale. In der Regel sind Männer aktiv, die lebensechten Liebespuppen dagegen sind ja eher passiv.

Bei Ihnen kann man sich so eine Puppe zusammenstellen, den Kopf auswählen, die Haarfarbe, Hautfarbe, Figur. Gibt es da Trends? Was wird am meisten begehrt? Wonach richtet sich da die Ästhetik?

Manfred Scholand: Das erwähnte neue Material TPE macht alle Formen und Designs möglich. Wir stellen mittlerweile folgenden Trend fest: Wir nennen diese Modelle "Frau Nachbarin", ganz natürlich geformte Frauen, mit einem kleinen Bauch, nicht die optimale Brustgröße, auch mal dickere Schenkel. Dieses 90-60-90-Syndrom ist nicht mehr so präsent, wie es mal war. Jetzt, da wir andere Formen anbieten, gehen diese auch sehr gut. Gerade die älteren Männer sind nicht so unbedingt für 90-60-90 Modelle zu begeistern.

Aber die Haut soll dann schon glatt sein und nicht runzlig? Und weiße Haare und ähnliche Alterserscheinungen, wie sieht es damit aus?

Manfred Scholand: Das kann ich jetzt gar nicht so komplett von der Hand weisen. Die Technik geht ja heute so weit, dass ich nur ein Foto brauche von vorne, von rechts und von links und dann machen wir eine Liebespuppe mit diesem Kopf eins zu eins nach. Das geht mit 3D-Technik. Das ist heute auch gar nicht mehr so teuer. Wenn man die entsprechenden Fotorechte hat, kann man wirklich eins zu eins den Kopf nachmachen, in einer ungeheuren Detailgenauigkeit, das ist kaum zu glauben.

Wenn jetzt jemand zu Ihnen kommt und bringt eine Fotografie mit und sagt, er will zum Beispiel von dieser oder jener Frau ein Nachbild als Sexpuppe haben, würden Sie das machen? Verlangen Sie da eine Berechtigung?

Manfred Scholand: Ja, er muss das Recht an dem Foto entsprechend darlegen und dann ist das möglich.

Q. Wenn er aber das Foto gemacht hat und die Frau weiß davon nichts?

Manfred Scholand: Das Recht an dem Foto muss schon eindeutig nachvollziehbar sein. Ein Beispiel, ich habe das anfangs selber auch gar nicht gleich verstanden: Ein Mann fing mit Konfektionsgrößen an und das geht immer detaillierter und es hat sich hinterher rausgestellt, als er die Fotos gesandt hat, dass seine Frau gestorben war. Er konnte einfach nicht ertragen, dass seine Frau nicht mehr da war. Da haben wir dann tatsächlich den Kopf entsprechend nachgemacht.

So eine Art Klon.

Manfred Scholand: Es gibt so viele und vielfältige Beispiele in diese Richtung, das kann man sich gar nicht vorstellen! Liebespuppen werden auch nicht nur rein für den Sex verwendet. Ein Drittel verkaufen wir als Modelle an Fotostudios. Das ist günstiger für die als lebende Menschen. Die Einsatzbreite ist wahnsinnig groß und mit der Technik im Prinzip alles machbar.

Anfangs habe ich ja bereits davon gesprochen, dass immer die Vorstellung herrscht von dem Kommen der Automaten und der intelligenten Systeme und dass dadurch menschliche Arbeit verdrängt wird, in diesem Fall, also bei Sex und Lust, wären das die Prostituierten. Gibt es da einen Trend? Nimmt der Gang zur Prostitution durch die lebensechten Puppen ab? Es gibt ja, soweit ich weiß, schon Bordelle, wo man zu Sexpuppen gehen kann.

Manfred Scholand: Wir rüsten viele Bordelle und Swingerclubs aus. Seit Mitte 2017 hat sich das Prostitutionsgesetz geändert. Die Prostituierten müssen jetzt Steuerkarte, Gesundheitspass etc. haben. Das hat dazu geführt, dass ein erheblicher Personalmangel entstanden ist, weil viele gesagt haben, unter diesen Umständen möchten wir das nicht mehr. Und die Bordelle rüsten sich jetzt mit lebensechten Liebespuppen der neuen Generation aus. Die verkaufen wir auch an Swingerclubs. Auch immer mehr im Trend ist es, Liebespuppen zu verleihen, also Verleihunternehmen.

Man lässt sich die zuschicken, die werden für zwei Stunden benutzt oder wie muss man sich das vorstellen?

Manfred Scholand: Ja, das ist in der Tat so, dass diese lebensechten Liebespuppen verliehen werden. Man muss ja nicht gleich eine kaufen, um sie entsprechend zu nutzen. Da kann man heute Puppen leihen, das ist ein großer Markt, der wahnsinnig erfolgreich ist. Wir wollen 2000 verkaufte Liebespuppen pro Jahr erreichen. Das haben wir letztes Jahr nicht ganz erreicht, aber der Markt ist ständig am Wachsen und unheimlich vielschichtig. Also, nicht nur in Sachen Sex, ich hatte eben angesprochen Fotostudios oder Bordelle. Es gibt da so viele Einsatzmöglichkeiten für diese lebensechten Liebespuppen.

Wenn jemand so eine Sexpuppe kauft, haben Sie später dann auch noch Kontakt zu dem? Wie sind denn da die Erfahrungen? Findet da ein Upgrade statt oder gibt es da Berichte über die Zufriedenheit oder darüber, was man sich noch wünschen würde?

Manfred Scholand: RS Deutschland ist ja ein richtiger Großhandel, ein richtiger Fachhandel. Wir haben auch einen eigenen Werkstattservice. Wir haben eine große Ausstellung, große Lagerkapazitäten. Wir sehen die Kunden häufiger wieder, wenn eine Reparatur zu machen ist oder eine neue Liebespuppe fällig ist. Bei diesen Preisen! Die gibt's ja heute für nur noch 1500 Euro, auch richtig große Liebespuppen. Das ist mittlerweile wirklich erschwinglich. Aber auch nur, weil wir in China fertigen lassen, zum Teil speziell für unser Unternehmen. In Deutschland gibt es ja den Mindestlohn oder in den USA. Das ist in China ganz anders. In diesen Produkten stecken bis zu 120 Arbeitsstunden. Und da wir in China fertigen lassen, sind diese Preise überhaupt erst möglich.

Wie würden Sie denn aus Ihrer Position heraus einschätzen, wie es weitergeht? Es gibt jetzt also diese Puppen, die einigermaßen lebensecht sind. Das Lebensechte, diese Simulation, das muss schon sein, oder? Oder geht es da auch in andere Richtungen, so was wie Aliens oder was auch immer? Es soll schon möglichst echt ausschauen?

Manfred Scholand: Wir konzentrieren uns auf möglichst lebensechte Liebespuppen.

Es gibt keine Anfragen nach anderen Formen?

Manfred Scholand: Doch, es gibt Anfragen für alles. Da wird sich auch der Markt entsprechend entwickeln. Aber die Überschrift von dieser Veranstaltung heute ist ja Sexrobots, da muss ich auch so ein bisschen Wasser in den Wein reingießen. Wir haben unheimlich viel Kundenkontakt. Wir sind auf der Venus in Berlin beispielsweise und treffen da 40000 Kunden, die sich diese Messe ansehen und auch bei uns am Stand sind. Wir haben auch schon mal Robots ausgestellt, aber wir stellen fest, dass die Menschen davor Angst haben. Die Roboter können die Augen bewegen, die Lippen bewegen, die können wirklich auch schon sprechen. In Verbindung mit dem sehr lebensechten Aussehen und mit den Bewegungsmöglichkeiten und der Körperwärme ist das den Kunden teilweise schon zu real.

Da gibt es ja diesen Effekt, auch bei normalen Robotern, dass, wenn eine gewisse Nähe zum Menschenähnlichen da ist, dass das als unheimlich wahrgenommen wird.

Manfred Scholand: Ja, es wird dann einfach zu real. Sie fragten nach der Zukunft. Ich persönlich kann keinen Trend am Markt erkennen, dass in der Zukunft vermehrt sprechende Puppen gefragt werden. Es ist natürlich ein interessantes Thema, aber ich sage mal, wer möchte schon beim Sex sich großartig unterhalten, wenn wir jetzt über die lebensechten Liebespuppen reden, meine ich. Das ist gar nicht so gefragt. Zumindest wenn wir über diese lebensechten Liebespuppen der neuen Generation reden. Reden wir allerdings von Robots und lassen das Wort Sex weg, dann ist ja alles ok, dann kann ich mir beispielsweise solche lebensechten Roboter im Empfang eines Hotels vorstellen: "Herzlich willkommen in diesem Hotel! Wie können wir Ihnen helfen?" In diese Richtung ist alles möglich und das kann ich mir sehr gut vorstellen. Aber wenn wir von einer Liebespuppe reden in Zusammenhang mit körperlicher Aktivität, dann ist reden eigentlich überbewertet

Man muss ja vielleicht nicht reden. Lassen wir sie mal schweigen. Würden denn jetzt die Menschen, also die Männer in dem Fall, es wohl eher mögen, dass eine Puppe oder ein Roboter eine Eigenständigkeit besitzt? Sich also zum Beispiel auch verweigern kann oder selber Interessen und Wünsche äußert, nicht nur sprachlich.

Manfred Scholand: Es gibt für alles einen Markt. Ich sagte eben schon, unser klassischer Kunde ist der, der sagt, ich möchte Sex haben, Sportschau gucken und ein Bier trinken. Das meine ich sehr, sehr ernst. Aufwand betreiben nur für Sex, das wollen viele nicht. Und das nächste ist, dass unheimlich viele Menschen einfach keinen Zugang zu Sex haben. Das dürfen wir einfach nicht unterschätzen. Deswegen kämpfen wir leidenschaftlich für dieses Produkt. Auf der Venus zum Beispiel fahren busseweise Interessierte an, Behinderte zum Beispiel, die sich diese Produkte angucken. Viele Vormundschaften bestellen bei uns für Menschen, die keinen Zugang zu Sex haben. Das ist für unser Unternehmen, für RS-Dolls Deutschland, das wichtigste. So ist auch unser Antrieb gekommen, uns an diesem Markt zu beteiligen. Wir kommen nicht aus der Erotikbranche, wir kommen aus der Technik, unser Unternehmen meine ich. Da stehen wir auch dazu.

Vorher habe ich vergessen zu fragen: Wenn zum Beispiel jemand zu Ihnen käme und wollte eine Sexpuppe haben, die ziemlich kindlich aussieht, würden Sie das machen?

Manfred Scholand: In Deutschland kämpft ungefähr, so legen das einige Statistiken nahe, ein Prozent der Männer mit pädophilen Neigungen. In Deutschland ist Pädophilie eine anerkannte Krankheit. Diese Krankheit geht auch nicht weg, die bleibt das Leben lang. Das Schlimme an Pädophilie ist, dass es in Deutschland zweihunderttausend Menschen gibt, die diese Krankheit haben, aber nur 200 Therapieplätze. Das ist eine fürchterliche Krankheit. Ich habe selber zwei Töchter und schon ein Enkelkind, ich habe da eine klare Meinung dazu. Aber Wegsperren hilft nicht. Es gibt nur 200 Therapieplätze in Deutschland, gut 100 werden von der Berliner Charité angeboten, knapp 100 von einer Privatinitiative eines Richters. Das ist die Initiative Opferschutz. Das ist viel zu wenig!

Ich kann ganz offen sagen: Ja, wir haben auch mit Pädophilen Kontakt. Ich kann da nur sagen, in Deutschland ist die Rechtslage ganz klar. Es gibt keinen sexuellen Missbrauch von Sachen, nur an Personen. Man muss ja auch sagen, der Missbrauch kommt ja meistens aus der eigenen Familie, es ist ja oftmals auch der Onkel. Es gibt diese Problematik. Kleine Sexpuppen sind in Deutschland erlaubt und werden auch verkauft. Es macht auch keinen Sinn, das deutsche Gesetz entsprechend zu ändern. Das World Wide Web ist international und die Puppen würden dann eben woanders besorgt werden. Es ist ein schwieriges Thema.

Die Frage dahinter wäre ja allgemein beim Sex mit Sexpuppen, ob das möglicherweise Beziehungen entlasten könnte, wenn einfach die Triebbefriedigung mal über eine Sexpuppe läuft und man kann dann wieder entspannt sozusagen die Partnerschaft führen. Das wäre die eine Seite. Die andere wäre, ob bei Pädophilen die Triebabfuhr über die Sexpuppe geschieht, sodass sie von ihrem Drang befreit sein würden? Oder ob das im Gegenteil erst ansteckt, das auch in der Wirklichkeit ausführen zu müssen?

Manfred Scholand: Letztendlich bin ich kein Arzt oder Psychologe, die Frage überfordert mich. Ich selber sehe auf jeden Fall diese Leute und kann nur drauf hinweisen, dass es erlaubt ist und dass Therapieplätze fehlen. Im Grundsatz kann ich nur bedauern, dass Pädophilen kaum geholfen wird. Die haben keine Lobby. Es wird kaum geforscht, es gibt kaum Therapieplätze, das bedauere ich grundsätzlich. So ist die Situation. Dann zu dem, was Sie zu den Partnerschaften sagten. Wir erleben immer mehr, dass Ehepartner sich zusammen lebensechte Liebespuppen aussuchen.

Also nicht gleichgeschlechtliche Partnerschaften, sondern Mann und Frau?

Manfred Scholand: Ja, Mann und Frau. Es gibt unterschiedliche Gründe. Teilweise durch Krankheiten bedingt, dass der Sex dann nicht mehr möglich ist. Viele haben sich in der Richtung arrangiert und sagen, wir trennen uns nicht deswegen, aber irgendwo ist das ja ein Grundbedürfnis, das befriedigt werden muss. So sucht wenigstens die eigene Frau die Liebespuppe aus. Diesen Trend gibt es auch, ja.

Wenn die beiden dann kommen, dann wird aber nicht die Liebespuppe so ausgewählt, dass sie der Frau ähnelt, oder?

Manfred Scholand: Nein, die Frauen sagen dann meistens: "Such du aus, du sollst sie ja nutzen." Aber im Endeffekt suchen dann doch die Frauen die Puppen aus. Aber Spaß beiseite. Das gibt es auch. Es gibt so viele Gründe, warum es in der Ehe keinen Sex mehr gibt und da ist eine lebensechte Liebespuppe eine entsprechende Brücke.

Wer die ganze Veranstaltung nachverfolgen will, findet auf der Telepolis-Facebook-Seite den Live-Stream vom 07.03.2018. Das zweite Gespräch des Abends zwischen Prof. Dr. Klaus Benesch und Prof. Dr. Barbara Vinken finden Sie hier.